Schwere Vorwürfe von Billy Six: „Deutschland hat mir mit Einmischung in Venezuela geschadet“
Bei seiner ersten Pressekonferenz nach seiner Freilassung in Venezuela hat der Journalist Billy Six der deutschen Regierung vorgeworfen, ihn im Stich gelassen zu haben. Zudem habe Berlin durch seinen Einsatz für einen möglichen Attentäter Öl ins Feuer gegossen.
Diese hätten ihm nicht nur nicht geholfen, sondern ihm sogar aktiv die Lage erschwert. Sogar venezolanische Offizielle seien verwundert gewesen, dass sich Botschaft und Medien nicht weiter eingesetzt hätten.
Six brach in Haft Kontakt zur deutschen Botschaft ab
Vater Edward Six erklärte, die deutsche Regierung habe sich zwar, soweit sie dazu verpflichtet gewesen sei, um konsularische Betreuung bemüht, aber nicht offiziell die Freilassung gefordert oder protestiert. Aber selbst die konsularische Betreuung sei erst auf Nachhaken der venezolanischen Stellen selbst erfolgt.
Die Familie wolle nun ungeachtet der Freilassung gegen die deutsche Regierung mittels einer Fortsetzungsfeststellungsklage vorgehen, um zu verhindern, dass es zu weiteren Fällen dieser Art komme. Billy Six erklärte: „Als Bundesbürger können wir uns aber nicht mehr sicher sein, dass die Regierung uns im Ausland im Notfall hilft.“
Was die Familie Six erreichen konnte, habe sie aus eigener Kraft erreicht, betonen sowohl Edward als auch Billy Six. Der Journalist habe mithilfe von Hungerstreiks erwirkt, dass ihm ein Hofgang gewährt wurde oder dass er mit seinen Eltern telefonieren durfte. Am Ende habe er den Gefängnisdirektor selbst davon in Kenntnis gesetzt, dass er keinen Kontakt mehr zur deutschen Botschaft wünsche.
Dass Six fast zwei Monate lang auf den Besuch des Botschafters warten musste, sei ein Indiz dafür, dass die deutsche Regierung keine nennenswerten Anstrengungen unternommen habe, um ihm zu helfen. Selbst ein anderer Gefangener im SEBIN-Gefängnis aus Chile, der sogar gefoltert worden wäre, habe relativ schnell Botschafterbesuch bekommen. Im Fall von Billy Six habe die Gefängnisleitung jedoch Kriener selbst zu Billy Six beordert, die Botschaft habe sich nicht ihrerseits um den Termin bemüht.
Deutschland soll über Drohnenanschlag informiert gewesen sein
Billy Six warf der Bundesregierung neben der Untätigkeit in eigener Sache auch vor, die Lage durch ihre „Einmischung“ in venezolanische Angelegenheiten verschärft zu haben. Es sei dem Inlandsgeheimdienst SEBIN nicht verborgen geblieben, dass es eine enge – auch private – Verbindung zwischen dem Anfang des Monats des Landes verwiesenen deutschen Botschafter Daniel Kriener und dem Vater des Studentenführers Juan Requesens gäbe.
Die deutsche Regierung habe sich mehrfach vehement für die Freilassung von Requesens eingesetzt – obwohl diesem die Beteiligung an einem Mordversuch an Staatschef Nicolás Maduro vorgeworfen werde. Im August 2018 sollen Oppositionelle versucht haben, Maduro mittels einer ferngesteuerten Drohne am Rande einer Veranstaltung mit der Armee zu töten. Während internationale Medien Zweifel an der Darstellung des Regimes anmelden und sogar eine Inszenierung für möglich halten, sei Six in Gesprächen während seines Aufenthalts in Venezuela von mehreren Seiten signalisiert worden, dass es sich um ein tatsächliches Attentat gehandelt habe.
Was es für Six noch komplizierter gemacht habe: Drei Staaten sollen im Vorfeld von dem mutmaßlichen Anschlag gewusst haben – USA, Kolumbien und die Bundesrepublik Deutschland. Dass sich die deutsche Botschaft so vehement für Requesens einsetze, habe den Argwohn der venezolanischen Dienste noch zusätzlich verstärkt und die Frage aufgeworfen, ob nicht Six selbst in irgendeiner Verbindung zu der Achse Kriener-Requesens stehe.
Nachdem die Botschaft die Freilassung des Studentenführers gefordert habe, sei er selbst, so Six, in Isolation gehalten worden und durfte nicht mehr mit Mitgefangenen oder Wärtern sprechen.
Festnahme von langer Hand geplant?
Die deutsche Botschaft selbst habe ihm, so Six, auch zu Beginn bedeutet, dass es in Venezuela keine Anwälte geben würde, die sich freiwillig bereiterklären könnten, ihn zu verteidigen. Nur ein Regierungswechsel oder Bestechung könnten tatsächlich etwas bewirken. Hingegen hätten seine Eltern, die kein Wort Spanisch sprechen, in Eigenregie geschafft, sogar zwei Anwälte zu organisieren.
Man habe, hieß es vonseiten des Vaters, mehrere Wege probiert, um Billy freizubekommen, einer davon war erfolgreich. Ein Brief an Maduro habe immerhin begünstigt, dass das Zivilgericht mit dem Fall betraut wurde. Nach der Intervention des Außenministers der Russischen Föderation, Sergej Lawrow, bei dessen venezolanischem Amtskollegen in der Vorwoche sei alles sehr schnell gegangen.
Billy Six wies Anschuldigungen zurück, er habe durch seine Einreise als Tourist und Unterlassen eines Antrags auf Akkreditierung als Journalist seine Verhaftung erst selbst heraufbeschworen. Eine Akkreditierung sei für einen deutschen Journalisten in Venezuela grundsätzlich nicht möglich, so Six, er habe die Erfahrung auch in anderen Ländern gemacht und auch die deutsche Botschaft habe ihm im Juni 2017 Gleiches beschieden. Er sei ununterbrochen dort gewesen und zwischen Venezuela und Kolumbien gependelt.
Der Militärgeheimdienst DGSIM habe ihn verhaftet und später an den politischen Geheimdienst SEBIN überstellt. Die Festnahme in einer Diskothek, die das Vorgehen ausgelöst habe, sei nicht spontan gekommen. Es wäre schon zuvor gegen ihn ermittelt worden, so Six.
Geheimdienst SEBIN soll Six außer Landes geleitet haben
Vor allem der Vorwurf einer Verletzung der Sicherheitszone beim Anfertigen eines Bildes von Staatschef Maduro sei aus Sicht der venezolanischen Sicherheitsbehörden vor dem Hintergrund des mutmaßlichen Attentats im August 2018 besonders problematisch gewesen.
Am Ende habe der SEBIN dafür gesorgt, dass er aus dem Land komme, erklärte Six. Eigentlich sei das zivilgerichtliche Verfahren gegen ihn noch anhängig und er habe lediglich erweiterten Freigang erhalten. Der Geheimdienst habe ihm jedoch signalisiert, er solle das Land auf dem schnellsten Wege verlassen – und SEBIN werde dies ermöglichen.
„Ich bin Opfer der Einmischung der deutschen Botschaft in die innenpolitische Lage in Venezuela geworden, habe ich auch dem Gefängnisdirektor so gesagt“, erklärte Six. Er bedankte sich ebenfalls beim russischen Außenminister Sergej Lawrow dafür, dass dieser in seinem Sinne interveniert habe. Dies sei ungeachtet der Tatsache geschehen, dass er nicht im Sinne der russischen Regierung, die das Regime in Caracas unterstützt, berichtet habe. Six schilderte:
„RT Deutsch hatte mich angefragt, ob ich nicht für den Sender aus Venezuela berichten will – ich habe abgewunken, weil ich deren Narrativ nicht teile. Der russische Außenminister hat sich jedoch eingesetzt, obwohl ich nicht im Sinne russischer Interessen berichtet habe. Ihm ging es darum, dass hier ein Journalist verhaftet wurde.“
Auswärtiges Amt weist Vorwürfe von Six zurück
Bereits in der Vorwoche hatte das Auswärtige Amt Darstellungen zurückgewiesen, die Bundesregierung bleibe in dem Fall Billy Six untätig. Gegenüber dem „Spiegel“ hieß es, man habe seit Bekanntwerden des Falles „alles, was möglich sei getan, um die tatsächlichen Hintergründe der Festnahme zu sichern und konsularischen Zugang zu bekommen“.
Neben dem persönlichen Besuch des früheren Botschafters Daniel Kriener bei Six und bislang zwei weiteren Besuchen von Mitarbeitern der Botschaft seien wiederholt Gespräche mit hochrangigen Vertretern des venezolanischen Außenministeriums geführt worden. Zudem habe es in Berlin auch ein Gespräch mit dem venezolanischen Botschafter im Auswärtigen Amt gegeben.
Dies sei alles „außergewöhnlich und geht über das übliche Maß der Haftbetreuung weit hinaus“. Man habe es Six auch ermöglicht, einen Wahlverteidiger zu beauftragen. Edward Six, der Vater des Journalisten, erklärt demgegenüber, die Familie musste den Anwalt selbst organisieren und habe lediglich eine Liste mit Namen und Adressen von Juristen ausgehändigt bekommen.
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