Schwarz-Rot, „Kenia“ oder doch „Deutschlandbündnis“? Es kommt auf die Kleinen an

Magdeburg, Aschaffenburg, München, das Hickhack um das Zustrombegrenzungsgesetz und die vielen TV-Talkrunden: Keiner der vergangenen Anlässe hat bislang ausgereicht, die Wähler grundlegend zu beeinflussen. Nach wie vor ist unklar, ob es für die Union allein mit der SPD zur Macht reicht – oder ob doch die Stimmen der Grünen notwendig sind.
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Am Sonntag, 23. Februar 2025, wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Die Umfragewerte deuten auf ein spannendes Rennen hin.Foto: Michele Tantussi/Getty Images
Von 21. Februar 2025

Eine Zahl können Sie für den Wahlabend schon mal im Gedächtnis behalten: 316. So viele Sitze werden künftig nötig sein, um im Plenarsaal des Bundestags eine knappe Mehrheit zu erreichen.

Nach dem letzten ZDF-„Politbarometer Extra“ vor der Wahl würde eine Koalition aus CDU/CSU und SPD gerade so ausreichen. Die SPD stagniert in der Sonntagsfrage bei 16,0 Prozent, während die Union nach einem Verlust von zwei Prozentpunkten im Vergleich zum 14. Februar nur noch 28,0 Prozent erreichen würde.

Die gemeinsamen 44,0 Prozent wären allerdings nur dann ausreichend, wenn das BSW (4,5 Prozent, plus 0,5 Punkte) und die FDP (4,5 Prozent, ebenfalls plus 0,5 Punkte) tatsächlich unter der Fünfprozenthürde bleiben würden. Mit den 4,0 Prozent für die sonstigen Parteien würden in diesem Fall jedoch nicht weniger als 13,0 Prozent der gültigen Wählerstimmen unberücksichtigt bleiben.

Für eine Mehrheit würden somit etwas mehr als die Hälfte der verbleibenden 87 Prozent ausreichen – also genau 44,0 Prozent. Umgerechnet auf Sitze entspricht das 319 Mandaten.

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ZDF-„Politbarometer“: Union und AfD trennen sieben Punkte

Komfortabler fiele ein schwarz-blaues Bündnis aus. Die AfD legte im ZDF-„Politbarometer“ um einen Zähler auf nun 21,0 Prozent zu. Wäre da nicht die „Brandmauer“, hätten Union und AfD zusammen 49 Prozent und 355 Sitze. Doch CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz und sämtliche prominente Stimmen der Union ziehen es bekanntlich vor, eher auf die SPD als Partner zu setzen.

Die Grafik zeigt das Ergebnis der Sonntagsfrage nach einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-„Politbarometer“, Stand 20. Februar 2025. Foto: Bildschirmfoto:/dawum.de/Forschungsgruppe Wahlen

Die Grafik zeigt das Ergebnis der Sonntagsfrage nach einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-„Politbarometer“, Stand 20. Februar 2025. Foto: Bildschirmfoto:/dawum.de/Forschungsgruppe Wahlen

Rückt Merz endgültig von den Grünen ab? Mit den Grünen als alleinigen Partner (14,0 Prozent konstant) würde es für die Union nicht reichen. Äußerst fraglich ist zudem, ob die CSU die Habeck-Partei zumindest als Mehrheitsbeschaffer für eine „Kenia-Koalition“ akzeptieren würde: CSU-Chef Markus Söder hatte sein striktes Nein zu Schwarz-Grün mit dem – aus Sicht der Grünen zwingenden – Verbrennerverbot gerade erst wieder via X bekräftigt.

Auch Kanzlerkandidat Merz schlug nach Informationen des „Handelsblatts“ auf einer Wahlveranstaltung in Darmstadt am Donnerstag ähnliche Töne an:

Mein Abstand und meine Abneigung gegen alles, was in Deutschland grüne Außenpolitik und grüne sogenannte Wirtschaftspolitik betrifft, wird von Tag zu Tag und von Woche zu Woche größer.“

Für viele überraschend ist der Aufstieg der Linken: Mussten ihre Anhänger noch vor wenigen Wochen um den Einzug ihrer Partei in den Bundestag bangen, dürften mit nun gemessenen 8,0 Prozent (plus 1,0) bis Sonntag keine größeren Sorgen mehr bestehen.

Lassen FDP und BSW alle Szenarien einstürzen?

Im Umkehrschluss bedeutet all das jedoch: Wenn es das BSW oder die FDP oder sogar beide doch noch über fünf Prozent schaffen sollten, wäre eine CDU/CSU/SPD-Koalition kaum möglich. Ein dritter Partner wäre nötig – also die FDP oder doch die Grünen?

Je nachdem, wie viele Stimmen der Einzug aller Wackelkandidaten in den Bundestag die Union und die AfD kosten würde, wäre womöglich sogar eine Viererkoalition von SPD, Grünen, Linken und dem BSW rechnerisch möglich. Ob sich diese Parteien jedoch tatsächlich zusammenraufen könnten, ist eine andere Frage.

Die Forschungsgruppe Wahlen hatte im Auftrag des ZDF am 19. und 20. Februar 1.349 Wahlberechtigte telefonisch und online befragt. Laut ZDF könnte das Stimmungsbild jedoch noch deutlich vom tatsächlichen Ergebnis abweichen: Erstens besteht ein statistischer Fehlerbereich von bis zu drei Prozent pro Balken. Zweitens gaben 27 Prozent der Befragten an, sich bisher noch nicht abschließend entschieden zu haben.

YouGov: Neun-Punkte-Abstand zwischen Union und AfD

Nach der finalen YouGov-Umfrage vom Donnerstag weiß immerhin jeder Fünfte der 1.681 Auskunftsbereiten immer noch nicht, ob beziehungsweise wen er wählen wird. Noch mehr Zweifel gibt es demnach bei jenen, die grundsätzlich den Grünen oder dem BSW zuneigen: Sie haderten jeweils zu rund einem Drittel mit der Frage, ob sie dieses Mal die richtige Wahl treffen würden.

Die Grafik zeigt das Ergebnis der Sonntagsfrage nach einer Umfrage der Meinungsforscher von YouGov, Stand 20. Februar 2025. Foto: Bildschirmfoto: dawum.de

Die Grafik zeigt das Ergebnis der Sonntagsfrage nach einer Umfrage der Meinungsforscher von YouGov, Stand 20. Februar 2025. Foto: Bildschirmfoto: dawum.de/YouGov

Bei YouGov steht die Union mit 29,0 Prozent (plus 2 im Vergleich zum 18. Februar) etwas besser da als im ZDF-„Politbarometer“. Dahinter folgen die AfD (20,0 konstant), SPD (16,0 / minus 1), Grüne (13,0 / plus 1), Linke (8,0 / minus 1), das BSW (5,0), die FDP (4,0) und die Sonstigen (5,0).

Das würde nicht mehr für Schwarz-Rot (201 + 111 = 312 Sitze) ausreichen, für Schwarz-Grün (201 + 90 = 291 Sitze) ebenso wenig. Die „Brandmauer“ zur AfD würde also ein Dreibündnis aus CDU/CSU, SPD und Grünen erforderlich machen. Ein besseres Ergebnis der FDP könnte auch hier zu einer noch komplizierteren Regierungsbildung führen – oder den Weg für ein schwarz-rot-gelbes „Deutschlandbündnis“ ebnen.

INSA sieht „Kenia“ als wahrscheinliche Koalition

Eine dritte Umfrage, die am 18. und 19. Februar vom Meinungsforschungsinstitut INSA im Auftrag der „Bild“ unter 2.502 Wahlberechtigten durchgeführt wurde, brachte zwar kaum eine Veränderung im Vergleich zur Erhebung desselben Instituts vom 17. Februar. Sie bestätigte aber die schwierige Ausgangslage.

Anders als bei der Forschungsgruppe Wahlen oder YouGov würden bei INSA mit den Linken und dem BSW gleich zwei kleinere Parteien den größeren Konkurrenten Sitze kosten. Sollte die INSA-Momentaufnahme am Sonntag zutreffen, wäre die Option Schwarz-Rot von vornherein ausgeschlossen.

Da die Union schon 2018 auch zur Linken einen Unvereinbarkeitsbeschluss (PDF) gefällt hatte und auch das BSW als Partner auf Bundesebene ablehnt, bliebe Friedrich Merz nichts anderes übrig, als sowohl SPD als auch die Grünen zu Sondierungsgesprächen zu bitten. Nur mit vereinten Kräften (Union: 208 Sitze, SPD: 104, Grüne: 90) ließe sich eine Mehrheit im Plenarsaal herstellen.

Die Grafik zeigt das Ergebnis der Sonntagsfrage nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA im Auftrag der „Bild“, Stand 19. Februar 2025. Foto: Bildschirmfoto: dawum.de/INSA

Die Grafik zeigt das Ergebnis der Sonntagsfrage nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA im Auftrag der „Bild“, Stand 19. Februar 2025. Foto: Bildschirmfoto: dawum.de/INSA

Bei INSA stehen die Union (30,0 Prozent), die SPD (15,0), die Grünen (13,0) und das BSW (5,0) weiterhin stabil. Die AfD musste den größten Verlust hinnehmen: Ein Minus von einem Prozentpunkt bedeutet jedoch immer noch 21,0 Prozent.

Während die FDP nach einem Verlust von 0,5 Prozentpunkten nun bei 4,0 Prozent liegt, kletterte die Linke um denselben Wert auf nun 7,0 Prozent.

Wenig Vertrauen in Merz, noch weniger in Scholz

Ob es Schwarz-Rot-Grün mit einem Kanzler Friedrich Merz an der Spitze schaffen könnte, die Wähler zu überzeugen, erscheint fraglich. Nach Angaben der „Bild“ glauben lediglich 23,6 Prozent der INSA-Befragten, dass der Sauerländer seine Wahlkampfworte auch in die Tat umsetzen wird.

48,7 Prozent gaben an, dass sie weder Merz noch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz zutrauen, sich an ihre Wahlversprechen zu halten. Scholz trauen das sogar nur 19,6 Prozent zu.

Wäre in Deutschland die Direktwahl des Kanzlers erlaubt, würden sich laut „Bild“ 36 Prozent für Merz entscheiden, 28 Prozent für Scholz. 27 Prozent würden beide Kandidaten ablehnen, neun Prozent hätten die Frage unbeantwortet gelassen.

Das bessere Image von Merz könnte unter anderem daran liegen, dass 43 Prozent der Bürger ihm zutrauen, einen besseren Draht zu US-Präsident Donald Trump aufbauen zu können. Dass Scholz das besser gelingen würde, glauben nur 16 Prozent.

Auch in der Frage der inneren Sicherheit liegt Merz vorn: 36 Prozent erhoffen sich Besserung vom Kanzlerkandidaten der Union, nur 22 Prozent vom SPD-Kandidaten.

Eine gemeinsame Zukunft haben Merz und Scholz nach dem aktuellen Stand der Dinge in keinem Fall vor sich: Scholz hatte immer wieder klargestellt, dass er für ein Kabinett unter Merz nicht als Minister zur Verfügung stehen würde.

Starke Veränderungen seit Start der Ampelregierung

Bei der letzten Bundestagswahl am 26. September 2021 war die SPD mit 25,7 Prozent noch als stärkste Kraft hervorgegangen. Gut drei Jahre später stehen nun zehn Prozentpunkte Verlust im Raum.

Einen relativ größeren Absturz wird aller Voraussicht nach die FDP hinnehmen müssen: Statt 11,5 Prozent stehen mit Werten um die 4,0 Prozent nun die Gefahr des Ausscheidens aus dem Bundestag bevor.

Die Grafik illustriert das amtliche Endergebnis der Bundestagswahl 2021. Die blassen Balken bilden das Ergebnis des Jahres 2017 ab. Quelle: Bundeswahlleiterin.de

Die Grafik illustriert das amtliche Endergebnis der Bundestagswahl 2021. Die blassen Balken bilden das Ergebnis des Jahres 2017 ab. Quelle: Bundeswahlleiterin.de

Die Union wird ihr Ergebnis von 24,1 Prozent aus 2021 voraussichtlich deutlich steigern und dürfte höchstwahrscheinlich den Kanzler stellen können. Die AfD hingegen kann sogar mit einer Verdopplung rechnen: 2021 hatte die Partei auf Bundesebene nur 10,3 Prozent der Wähler überzeugt.

Bei den Grünen wird es wahrscheinlich ein ähnliches Ergebnis wie vor gut drei Jahren geben, als die Spitzenkandidatin noch Annalena Baerbock hieß und 14,8 Prozent für ihre Partei erzielte.

Die Grafik zeigt die aktuelle Sitzverteilung im Bundestag auf Grundlage der Wahl vom 26. September 2021. Quelle: Bundestag.de

Die Grafik zeigt die aktuelle Sitzverteilung im Bundestag auf Grundlage der Wahl vom 26. September 2021. Quelle: Bundestag.de



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