Schwarz-Rot in der Mache: Diese Themen könnten die Verhandlungen sprengen

Das Ergebnis der Bundestagswahl vom 23.02. lässt nur eine realistische Koalition aus CDU, CSU und SPD zu. Insgesamt 316 Sitze sind für eine Mehrheit im Bundestag notwendig. Union und SPD kämen gemeinsam auf 328 Sitze – es würde also reichen.
Rein rechnerisch könnten auch Union und AfD für die kommenden vier Jahre eine Koalition bilden – zusammen kämen beide Parteien auf 360 Sitze. Allerdings hat der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, immer wieder öffentlich klargemacht, dass es mit ihm keine Koalition mit der AfD geben wird. Daher kann diese Option im Moment ausgeschlossen werden.
„Wir haben diese Bundestagswahl gewonnen“, sagte Merz gestern Abend vor jubelnden Anhängern im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin. „Ich weiß um die Dimension der Aufgabe, die jetzt vor uns liegt.“ Er begegne dem mit größtem Respekt. Es gehe nun vor allem darum, so schnell wie möglich eine handlungsfähige Regierung in Deutschland zu schaffen. Die Welt warte nicht auf langatmige Koalitionsgespräche. „Heute Abend feiern wir, und ab morgen früh wird gearbeitet“, so Merz.
Jetzt möchte der CDU-Chef schnell mit den Sondierungsgesprächen beginnen. Im Interview mit dem Fernsehsender „Phoenix“ sagte er:
Spätestens nach der Hamburger Bürgerschaftswahl ist die Zeit gekommen, intensiv miteinander zu sprechen. Ich habe den Wunsch, dass wir spätestens Ostern mit einer Regierungsbildung fertig sind.“
Keine Liebesheirat zwischen Union und SPD
Eine Liebesheirat wird eine schwarz-rote Koalition am Ende sicherlich nicht sein. SPD-Chef Lars Klingbeil sagte Montagmittag auf der Pressekonferenz, dass die letzten Wochen die Gräben zwischen Union und SPD eher tiefer gemacht haben. Jetzt sei es an Friedrich Merz, diese Gräben wieder zuzuschütten.
Merz sagte auf der Pressekonferenz nach der Präsidiumssitzung im Konrad-Adenauer-Haus, dass er bereit sei, jetzt mit den Sozialdemokraten „konstruktiv und zügig“ in Gespräche zu gehen. Am Ende müsse wieder eine „handlungsfähige Regierung“ stehen.
Inhaltlich gibt es teilweise deutliche Differenzen. Knackpunkte gibt es mehr als genug in den bevorstehenden Verhandlungen.
Zankapfel Migrationspolitik
Große Konflikte sind in der Migrationspolitik zu erwarten. Das wurde schon im Wahlkampf deutlich. So möchte die Union Asylbewerber an den deutschen Grenzen zurückweisen, wie die CDU in ihren „Forderungen zur Migration“ formuliert. Die SPD hat immer wieder darauf hingewiesen, dass sie diese Forderung nicht vereinbar mit dem europäischen Recht hält.
Weiter hat die Union angekündigt, den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte wieder auszusetzen. Gegenwärtig gilt für diesen Personenkreis mit eingeschränktem Schutzstatus ein Kontingent von 1.000 Visa pro Monat. Diese Regelung möchte die SPD gerne beibehalten.
Die stationären Kontrollen an den Landesgrenzen werden vermutlich erst einmal fortgesetzt. Erst Mitte Februar hatte Bundesinnenministerin Nancy Faser (SPD) diese Kontrollen um weitere sechs Monate verlängert.
Knifflig könnte es bei der Frage werden, ob die zukünftige Bundesregierung sich auf europäischer Ebene für die Abschaffung des subsidiären Schutzes einsetzen. Das hatte die Union Ende Januar in ihrem Antrag im Bundestag eingefordert. Die SPD wies dieses Ansinnen damals zurück. Der subsidiäre Schutz greift, wenn weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung gewährt werden können und im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht. Das betraf zuletzt viele Asylbewerber aus Syrien.
Unterschiede in der Wirtschaftspolitik
Diskussionsbedarf zwischen Union und SPD dürfte es auch bei der Wirtschafts- und Steuerpolitik geben. Einig sind sich alle drei Parteien darin, dass die Wirtschaft in Deutschland wieder nach vorn gebracht werden muss. Nach den letzten zwei Jahren der Rezession erwartet die Bundesregierung auch in diesem Jahr nur ein Miniwachstum von 0,3 Prozentpunkten. Wirtschaftsverbände drängen daher auf eine schnelle Regierungsbildung.
„Die deutsche Wirtschaft benötigt sehr schnell eine handlungsfähige neue Bundesregierung“, erklärte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Peter Leibinger, im Nachgang der Bundestagswahl. „Alle müssen sofort vom Wahlkampfmodus in den Regierungsbildungsmodus umschalten“, teilte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Jörg Dittrich, mit.
Sowohl Union als auch SPD sind sich einig, dass ein wichtiger Hebel die Senkung der Strompreise sein könnte. Differenzen gibt es allerdings in der Steuerpolitik. Die CDU hat in ihrem Wirtschaftspapier eine breite Steuerentlastung für Unternehmen angekündigt. Die SPD hatte im Wahlkampf einen „Made-in-Germany-Bonus“ gefordert.
Der von der SPD vorgeschlagene „Made-in-Germany-Bonus“ ist eine steuerliche Förderung, die darauf abzielt, Investitionen in Deutschland zu stärken und die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie zu sichern. Konkret sieht der Plan eine direkte Steuererstattung von 10 Prozent auf Investitionen in Anlagen und Ausrüstungen vor. Zudem sollen Unternehmen, die in Zukunftstechnologien investieren und Arbeitsplätze in Deutschland schaffen oder erhalten, steuerliche Vergünstigungen erhalten. Ein weiterer Bestandteil des Konzepts ist die Einführung einer temporären Steuererleichterung beim Kauf von in Deutschland produzierten Elektrofahrzeugen, um den Absatz zu fördern und die Automobilindustrie zu unterstützen.
Es bleibt also abzuwarten, welches Steuermodell sich am Ende in Koalitionsverhandlungen durchsetzen kann.
Kommt die Reform der Schuldenbremse?
Sehr viel schwieriger dürfte eine Einigung beim Thema Schuldenbremse zu erzielen sein. Die SPD möchte eine Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse, um so mehr Freiräume für die Investition in die Infrastruktur zu erhalten. Unionskandidat Merz hatte lange Zeit eine Reform der Schuldenbremse kategorisch ausgeschlossen.
Im November hörte sich das alles auf dem Wirtschaftsgipfel der „Süddeutschen Zeitung“ dann doch nicht mehr unüberwindbar an. Die Schuldenbremse sei ein technisches Thema, so Merz damals laut der „Tagesschau“. „Selbstverständlich kann man das reformieren. Die Frage ist: Wozu, mit welchem Zweck? Was ist das Ergebnis einer solchen Reform? Ist das Ergebnis, dass wir noch mehr Geld ausgeben für Konsum und Sozialpolitik? Dann ist die Antwort nein.“
Auch wenn Merz in seiner Novemberaussage über die Schuldenbremse recht schwammig ist, machen andere CDU-Politiker aus ihrer Ablehnung der Reform keinen Hehl. Gerade erst schlugen die Grünen vor, noch durch den alten Bundestag, die Reform der Schuldenbremse zu beschließen. „Ich bin nicht der Auffassung, dass es notwendig ist, die Schuldenbremse zu reformieren“, sagte daraufhin der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei.
Haushalt mit Milliardenlöchern
Ein weiterer Knackpunkt der Verhandlungen dürfte der Haushalt 2025 sein, der durch den Bruch der Ampel nicht auf den Weg gebracht werden konnte und nun Aufgabe der neuen Bundesregierung wird.
Der Regierungsentwurf sah Gesamtausgaben von etwa 488,6 Milliarden Euro vor. Geplante Investitionen erreichen ein Rekordniveau von 81 Milliarden Euro. Trotz der Schuldenbremse ist eine Nettokreditaufnahme von 51,3 Milliarden Euro vorgesehen. Ein erheblicher Anteil des Haushalts entfällt auf das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit 179,3 Milliarden Euro, gefolgt vom Verteidigungsetat mit 53,3 Milliarden Euro und dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr mit 49,7 Milliarden Euro.
Allerdings bestehen erhebliche Finanzierungslücken. Der damalige Finanzminister Christian Lindner bezifferte die Lücke damals auf 13,5 Milliarden Euro, bedingt durch gesunkene Steuereinnahmen und eine schwächelnde Wirtschaft. Die CDU warnte sogar vor einem möglichen Finanzloch von rund 100 Milliarden Euro bis 2028, aufgrund bereits gemachter Zusagen und einer stagnierenden Wirtschaft.
Die Milliardenlöcher müssen jetzt ausgeglichen werden, was die neue Bundesregierung vor eine große Herausforderung stellen dürfte. Zentral dürfte dabei die Frage sein, wie stark in den kommenden Jahren die Verteidigungsausgaben steigen sollen und wie das finanziert werden soll.
Bundesbauministerin Clara Geywitz (SPD) erwartet daher in Haushaltsfragen schwierige Verhandlungen mit der CDU und CSU. „Die CDU von Friedrich Merz hat ja ein Wahlprogramm vorgelegt, was zusätzliche Milliardenlücken in den eh schon angespannten Haushalt reißen würde“, sagte die SPD-Politikerin im „RBB-Inforadio“. „Insofern sind wir da am Anfang eines sehr schwierigen Prozesses, dessen Ergebnis noch offen ist aus meiner Sicht.“
Zündstoff Bürgergeld und höherer Mindestlohn
Schwierige Verhandlungen drohen auch beim Thema Sozialpolitik. Die Union hatte im Wahlkampf immer wieder betont, dass sie das Bürgergeld abschaffen und durch eine neue „Grundsicherung“ ersetzen möchte. Das Bürgergeld senke die Anreize, eine Arbeit aufzunehmen, so das Argument der Union.
Unions-Fraktionsvize Jens Spahn forderte im „ARD-Morgenmagazin“ am Montag Zugeständnisse von der SPD in dieser Frage ein. Notwendig sei in Deutschland „beim Bürgergeld das Gefühl, dass es wieder fair zugehen muss“.
Diskussionen stehen auch beim Thema Mindestlohn an. Die SPD fordert hier eine Anhebung von derzeit 12,82 Euro pro Stunde auf 15 Euro. Die CDU stellte sich bisher immer wieder dagegen und betonte immer wieder, dass die Lohnfindung die Sache der Sozialpartner sei. Ein „politischer Mindestlohn“ lehnt die Union ab.
Anhand der verschiedenen Knackpunkte auf dem Weg hin zu einer Koalition zwischen Union und SPD ist es nicht ausgemacht, dass am Ende eine schwarz-rote Bundesregierung steht. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch machte daher gegenüber dem Fernsehsender ntv deutlich: Für Schwarz-Rot gibt es „keinen Automatismus“. CDU-Chef Merz müsse Vertrauen wieder aufbauen. „Man kann niemanden in eine Koalition prügeln.“
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