Schwarz-Grün: Steingart sieht fliegenden Koalitionswechsel in der Luft – WerteUnion warnt vor Experimenten
Demonstrative Harmonie prägte das gemeinsame Interview der „Bild“-Zeitung mit der seit Dezember des Vorjahres amtierenden CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer und der grünen Spitzenpolitikerin Katrin Göring-Eckardt.
Die Fragen aus dem Springer-Journalistenclub in Berlin für die Zeitung, die Kramp-Karrenbauer als „erzkatholisch und konservativ“ vorstellt, waren zwar wenig angriffslustig – dennoch meinten Beobachter wie der Publizist Gabor Steingart, in dem Gespräch ein deutliches Indiz dafür zu erkennen, dass ein fliegender Koalitionswechsel schon vor dem nächsten regulären Bundestagswahltermin 2021 ins Haus stehen könnte.
Kramp-Karrenbauer will Quotendebatte
Abgesehen von Themen wie Blazerfarben, Hosenanzüge oder Wegen zur Erziehung von Söhnen zur Emanzipation zeigte sich ein hohes Maß an Übereinstimmung zwischen beiden Politikerinnen in der Frage einer Frauenquote in der deutschen Politik. Ungeachtet verfassungsrechtlicher Bedenken, die Experten im Zusammenhang mit der jüngst vom Landtag von Brandenburg beschlossenen Quote vorbringen, zeigt sich Kramp-Karrenbauer diesem Thema gegenüber aufgeschlossen:
Alle Wahllisten funktionieren mit Quoten. Da geht es dann um Regionen, Stadtteile, um katholisch oder evangelisch. Zur Streitfrage wird es immer nur, wenn es um die Frauenquote geht.“
Es brauche auf alle Fälle eine Frauenquote in der CDU, die wirke, meint die CDU-Vorsitzende. Allerdings habe die Quote ihre Grenzen. Insbesondere wenn es um Direktmandate gehe, ändere eine quotierte Liste nichts. Deshalb denke man darüber nach, wie man „den Frauenanteil bei den Direktwahlkreisen, aber auch unter unseren Mitgliedern erhöhen kann“.
Absprachen, die Frauen träfen, kämen schneller zustande und hielten länger, diagnostizierte Göring-Eckardt. Kramp-Karrenbauer ergänzt, die Debatten seien zielorientiert, weil Frauen sich erst meldeten, wenn sie wirklich etwas zu sagen hätten. Allerdings hätten sie erst spät mit dem Netzwerken begonnen.
„Wir teilen viele Werte“
Während der aktuelle Koalitionspartner der Union, die SPD, im Interview kaum Erwähnung findet, lässt keine der beiden Politikerinnen grundsätzliche Skepsis gegenüber einer möglichen schwarz-grünen Regierungskoalition erkennen. Göring-Eckardt meint:
Dass Grüne und Union im Parteienspektrum weiter auseinander liegen als SPD und Union, könnte dem Land guttun, weil es zu mehr Zusammenhalt führt. Weil die Bürger sehen: Wenn die sich auf etwas verständigen können, kann unser Land besser funktionieren.“
Kramp-Karrenbauer bezweifelt gar, dass die Unterschiede zwischen beiden Parteien so groß seien:
Auch wenn wir in unterschiedlichen Parteien sind, teilen wir viele Werte. Zum Beispiel die Bewahrung der Schöpfung. Und dass Frauenrechte unteilbare Menschenrechte sind, die nicht eingeschränkt werden dürfen.“
Lediglich die Umsetzung sei „oft weit auseinander“. Göring-Eckardt nennt als Beispiele die „Ehe für alle“ oder die Kritik der Union an der Deutschen Umwelthilfe. Kramp-Karrenbauer rechtfertigt die aus Sicht der Grünen noch nicht weit genug gehende Politik der Union mit Bedenken, ein zu radikales Vorgehen könnte zu großen Widerstand in der Bevölkerung hervorrufen:
Ich finde, dass die Grünen beim Thema Ökologie zu wenig fragen, wer den Nutzen hat und wer die Lasten trägt. So entsteht Unzufriedenheit in der Bevölkerung, wie wir sie in Frankreich gerade bei der Bewegung der Gelbwesten erleben. Es geht aber gerade um beides: Ökologie und Ökonomie.“
CDU will Neuwahlen vermeiden
Göring-Eckardt klagte noch einmal mehr, die FDP sei „vor ihrer Verantwortung weggelaufen“, als sie sich aus den Verhandlungen über eine „Jamaika-Koalition“ zurückzog. Die SPD wolle hingegen nicht mehr regieren – dabei gehe es doch nicht zuletzt darum, den „Fortschritt“ in der Frauenpolitik zu erhalten, „zumal es mit der AfD eine Partei gibt, die das Erreichte zurückdrehen will und findet, dass die Frau nur an den Herd gehört“.
Gabor Steingart vergleicht die Zukunft der SPD mit einem „in die Jahre gekommenen Atomkraftwerk“. Fraglich sei lediglich der „Zeitpunkt der versuchten Abschaltung“. Der Publizist sieht eine von Kramp-Karrenbauer und Noch-Bundeskanzlerin Angela Merkel anvisierte „Operation Machtwechsel“ am Horizont, die „in ihrer kühnsten Variante aus drei Elementen“ bestünde:
Erstens soll eine Personalrochade auf dem Chefsessel im Bundeskanzleramt stattfinden, die – zweitens – nach Möglichkeit mit einem Austausch der Koalitionspartner einhergeht, ohne dass – drittens – eine Neuwahl dafür nötig wäre.“
Diese seien vor allem für die CDU ein Risiko, die nach wie vor im Westen nach links in Richtung Grüne ausfranse und im Osten nach rechts in Richtung AfD. Allerdings seien sich hinter den Kulissen die „maßgeblichen Spieler von CDU, CSU, Grünen und FDP“ einig, dass es nach dem ursprünglich gescheiterten Versuch, eine Jamaika-Koalition zu bilden, einen erneuten geben solle.
Sind Grüne von radikalen Forderungen abgerückt?
Immerhin erklärte auch Lindner: „Wenn es nach mir geht, wird bald eine neue Regierung gebildet.“ Als nach der Bundestagswahl der erste Anlauf zu einem Jamaika-Bündnis gescheitert war, hieß es von Lindner noch: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“ Die Rede war von fehlendem Vertrauen und davon, dass insbesondere vonseiten der Grünen auf ideologischen Forderungen beharrt worden sei, die aus staatspolitischer und ökonomischer Verantwortung heraus unannehmbar gewesen wären.
Inwieweit die Grünen davon abgerückt wären, bleibt offen. Steingart schreibt unterdessen von einer Annäherung zwischen CDU und Grünen, die „derweil auch auf der zwischenmenschlichen Ebene“ vorankomme. Robert Habeck und andere Mitglieder seiner Partei nehmen demnach an Gesprächsformaten teil, die im privaten Rahmen von CDU-Politikern organisiert werden. „Dass nichts davon bislang an die Öffentlichkeit dringt, zeigt unsere Ernsthaftigkeit“, zitiert Steingart einen der Teilnehmer. Der „Wind of Change“ wehe durchs Regierungsviertel.
Unterdessen warnt die WerteUnion vor schwarz-grünen Koalitionsspekulationen. Gegenüber der dpa erklärte deren Vorsitzender Alexander Mitsch:
In wesentlichen Politikfeldern wie der Einwanderungspolitik sowie der Wirtschafts- und Energiepolitik sind die Grünen mit ihren ideologischen Positionen meilenweit von der Vernunft entfernt.“
Die Partei verfolge „naive und deshalb gefährliche Ansätze“ etwa in der Migrationspolitik, verfolge eine Deindustrialisierung in Deutschland und gefährde die Energiesicherheit. Eine Koalition auf Bundesebene allein mit den Grünen, ohne das notwendige Korrektiv der FDP, „würde die Politik massiv zulasten der Freiheit, Sicherheit und wirtschaftlichen Stabilität verschieben“.
(mit Material der dpa)
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