Schwarz-Grün oder Schwarz-Rot? Lindners klare Botschaft an Merz
Der FDP-Vorsitzende und frühere Bundesfinanzminister Christian Lindner hat den CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz gewarnt, sich auf eine Koalition mit den Grünen einzulassen.
„Wenn du allerdings sagst, dass du offen bist für Robert Habeck als Wirtschaftsminister, dann könnte das ja ein Zeichen dafür sein, dass es doch nur um eine Form des ‚Weiter so‘ geht und nicht um die grundlegende Wende, die wir in unserem Land brauchen“, spekulierte Lindner in einem Kurzvideo, das er am Abend des 5. Dezember 2024 auf seinem X-Kanal veröffentlicht hatte.
Lindner bezog sich dabei auf den TV-Auftritt von Friedrich Merz am Abend des 4. Dezember 2024 in der ARD-Talkshow „Maischberger“. Dabei hatte Merz gesagt, dass Deutschland „gerade in der Wirtschaftspolitik“ einen Politikwechsel benötige. „Mit Habeck oder ohne Habeck – das muss Habeck entscheiden, wenn er noch dabei ist“, so Merz. Wer [den Wechsel] mache, sei „eine zweitrangige Frage“. „Entscheidend“ sei, „was wir in einem möglichen Koalitionsvertrag aufschreiben“.
Merz denkt anders über Milei als Lindner
Zudem hatte Merz erklärt, dass er „völlig entsetzt gewesen“ sei, dass Lindner wenige Tage zuvor einen „Vergleich“ mit dem argentinischen Präsidenten Xavier Milei und dem amerikanischen Unternehmer Elon Musk gemacht habe. Was Milei mache, ruiniere das Land, so Merz. Milei trete „die Menschen mit Füßen“ (Video in der ARD-„Mediathek“).
Lindner hatte am vergangenen Sonntag in der ARD-Talkshow „Caren Miosga“ empfohlen, „ein klein bisschen mehr Milei oder Musk“ zu wagen (Kurzvideo auf X, komplette Sendung in der ARD-„Mediathek“).
Als Lindner nach der Vorstellung seines Parteikollegen Marco Buschmann als neuen FDP-Generalsekretär am vergangenen Montag auf das Milei/Musk-Zitat angesprochen wurde, hatte er geantwortet, dass er sich durchaus „über die Scharfkantigkeit dieser beiden Personen“ bewusst sei. „Ich verkenne nicht, dass es hier auch Problematisches gibt“, räumte Lindner damals ein.
Aber, was mich beeindruckt, ist dort die Kraft zur Disruption. Eine Wende herbeizuführen, wenn ein Abstieg droht. Und das fehlt uns in Deutschland.“
Die Ampelregierung habe sich zuletzt „blockiert“, stellte Lindner bei der Buschmann-Pressekonferenz fest. Er selbst wünsche sich „in Deutschland wieder eine Form des Leaderships, das nicht die Ängste der Menschen teilt oder verstärkt, wie das die Rechtspopulisten machen, sondern den Versuch unternimmt, die Menschen aus ihren Ängsten zu befreien.“
Das könne gelingen, so Lindner, „indem man eine Perspektive aufzeigt und auch den Mut aufbringt zu ganz grundlegenden Veränderungen, sprich also: zu einer Wende“ (Video ab ca. 34:00 Min. bei Epoch Times).
Lindner: Neugier täte Not
In seinem nun direkt an Friedrich Merz gerichteten X-Video erklärte Lindner, es tue ihm leid, dass seine Worte über Musk und Milei bei Merz zu Entsetzen geführt hätten. Es gehe ihm nicht darum, „jede Meinung“ von den beiden abzuschauen. Deren Stil wolle „erst recht nicht“ übernehmen. Aber:
Der eine ist der erfolgreichste Unternehmer der Gegenwart und Beauftragter für den Bürokratieabbau in den USA. Und der andere hat den Mut zu ganz grundlegenden Reformen, um sein runtergewirtschaftetes Land wieder auf Kurs zu bringen.“
Seiner Ansicht nach sollten diese Tatsachen „nicht zu Entsetzen führen, sondern zu Neugier“. Denn „vielleicht“ könne man sich „von denen bei uns ja was abschauen, wenn man wirklich was verändern will“.
Auf eine noch deutlichere Spitze in Richtung Merz wollte Lindner augenscheinlich nicht verzichten: „Mit Argentinien müsstest du als Bundeskanzler zusammenarbeiten“, fuhr der Spitzenkandidat der FDP fort, „deshalb sollte man auch über die mit einem gewissen Respekt sprechen“.
Zum Schluss winkte Lindner vor dem Hintergrund eines pinkfarbenen „#Freiheit“-Schriftzug fröhlich in die Kamera: „Alles Gute!“
Milei setzt auf klassisch libertäre Positionen
Der argentinische Präsident Xavier Milei war am 10. Dezember 2023 ins Amt gewählt worden. Im Wahlkampf hatte der laut ZDF „selbst ernannte Anarcho-Kapitalist“ für Aufsehen gesorgt, indem er mit einer Kettensäge in der Hand symbolisch für seinen Reformkurs warb: Nach Jahrzehnten unter linken Regierungen sollten Beamtenstellen abgebaut, die Macht der Gewerkschaften zurückgedrängt und der freie Markt gestärkt werden, um die hohe Dauerinflation in den Griff zu bekommen und die Arbeitslosigkeit zu verringern. Damit würden zwei „harte Jahre“ vor Argentinien liegen, wie Milei nach Angaben der „Welt“ damals ankündigte.
„Die ökonomischen Daten haben sich eigentlich recht gut entwickelt“, erklärte Tobias Käufer, der Argentinien-Korrespondent der „Welt“, am 3. Dezember in einem Video-Interview. Die Inflation sei unter Milei „von 25 Prozent auf unter drei Prozent gesunken“. Das Land habe elf Monate in Folge einen Haushaltsüberschuss erzielt, und zum Jahresende werde sich das frühere Energieimportland in ein Energieexportland mit einem Energiehandelsüberschuss von vier Milliarden Euro verwandelt haben. Der „harte Sparkurs“ des Präsidenten habe aber auch die Armutsrate auf „über 50 Prozent“ leicht ansteigen lassen.
„Das bedeutet, dass die Argentinier viel leiden müssen, um diesen Weg, diesen Reformkurs durchzuziehen“, so Käufer. „Vom Typ her sehe ich eigentlich niemanden in der FDP in Deutschland, der so ’nen Charakter und so ’ne Rolle spielen könnte“ wie Milei, meinte Käufer.
Schattenseite: Weniger Konsum, kaum private Investitionen
Nach Angaben des ZDF war es Milei in seinem ersten Jahr zwar gelungen, die Anzahl der Ministerien zu halbieren, zehntausende Angehörige des öffentlichen Dienstes zu entlassen und Subventionen und Renten im großen Stil zurückzufahren. Währenddessen sei aber auch der Konsum zurückgegangen, private Investitionen nicht zu entdecken. Neben den aktuellen Anti-Milei-Demos der Studenten stehe Argentinien ein erneuter Generalstreik bevor.
Dennoch will Milei nicht von seinem Kurs lassen. Bei seinem Besuch des designierten US-Präsidenten Donald Trump in Mar-a-Lago vor drei Wochen erklärte er, dass „der Wind der Freiheit“ nun „stärker denn je“ wehe. Es sei an der Zeit, die herrschende Klasse in der Politik „zur Rechenschaft zu ziehen“.
Bei dem Treffen in Mar-a-Lago war auch Elon Musk anwesend. Um im Auftrag der Regierung Trump den Bürokratieabbau voranzubringen, soll der Tesla- und Starlink-Milliardär nach Aussage Mileis auch die Erfahrungen des argentinischen Deregulierungsministers Federico Sturzenegger nutzen.
Wegen Brandmauer: Rot oder Grün als einzige Partneroptionen für die Union
Nachdem Merz bei Maischberger schon sein Entsetzen darüber zum Ausdruck gebracht hatte, dass FDP-Chef Lindner die Namen Milei und Musk überhaupt in den Mund genommen hatte, dürfte unstrittig sein, dass der wahrscheinlich nächste deutsche Kanzler sich nicht auf libertäre Experimente à la Milei einlassen will.
Dass es nach der Bundestagswahl für die Union auf ein Bündnis mit den Grünen hinauslaufen könnte, liegt vorwiegend deshalb nahe, weil beide Parteien eine ähnliche Haltung zum Thema Ukraine-Krieg vertreten. Während Kanzler Scholz die Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern nach Kiew ablehnt, plädieren sowohl CDU/CSU als auch die Grünen dafür.
Bei der Schuldenbremse und beim Heizungsgesetz könnte es zu einer Annäherung zwischen Schwarz und Grün kommen, denn Merz deutete bei Maischberger zu beiden Themen zumindest eine gewisse Kompromissbereitschaft an. Damit relativierte er allerdings Aussagen seines Generalsekretärs Carsten Linnemann und von Unionsfraktionschef Jens Spahn, die sich noch Mitte November für das Ende des Heizungsgesetzes starkgemacht hatten.
Noch im Juni 2024 hatte Merz bei einem Vortrag vor Vertretern des Solaranlagen- und Wärmepumpenvertrieblers Enpal allerdings versprochen, dass die Union „voll und ganz hinter dieser Wärmewende“ stehe. Über die Frage, wie diese zu erreichen sei, sei man sich zwar mit der Ampelregierung uneinig – klar sei aber auch für die Union, dass Deutschland „von den fossilen Energieträgern“ wegkommen müsse (Video auf X).
Bei den Grünen auf Granit beißen dürfte Merz in jedem Fall bei der Migrationspolitik und beim Bürgergeld. Während Merz Letzteres durch eine „neue Grundsicherung“ ersetzen will, dürften sich die Grünen das Ampelprojekt wohl ebenso ungern zerstören lassen wie ihre ablehnende Haltung zu einer stärkeren Grenzsicherung.
Eindeutige Absage von Söder an Schwarz-Grün
Ein weiteres Hindernis für Schwarz-Grün liegt derzeit in Bayern: CSU-Ministerpräsident Markus Söder hatte seit Monaten betont, die Ökopartei und schon gar nicht Robert Habeck als Partner akzeptieren zu wollen. Erst am 5. Dezember bekräftigte Söder angesichts der drohenden 600-Millionen-Northvolt-Pleite in einem X-Video erneut seinen Standpunkt:
Warum sollen die Grünen, warum soll Robert Habeck in der Regierung bleiben? Mit der CSU gibt es kein Schwarz-Grün und keinen Robert Habeck mehr als Wirtschaftsminister.“
Ende November hatte Söder zudem betont, dass „eine grundlegende Wende bei Migration und Bürgergeld“ für die CSU eine „elementare“ Bedingung sei. Womit es zugleich schwierig sein dürfte, den Franken für eine schwarz-rote Koalition zu gewinnen.
Doch wegen der „Brandmauer“ zur AfD wird sich die Union wohl entweder für die SPD oder für die Grünen entscheiden müssen, wenn sie am 23. Februar 2025 höchstwahrscheinlich zur stärksten Kraft im Bundestag avancieren wird. Wenn – wie bei einer aktuellen Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen – nur noch ein Prozentpunkt zwischen SPD (15 Prozent) und Grünen (14 Prozent) liegen würde, hätte Unionschef Merz die freie Auswahl. Vorausgesetzt, die FDP (4 Prozent) verpasst tatsächlich ihren Wiedereinzug ins Parlament.
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