„Schutz vor AfD“: Noch keine Einigung über Sicherung des Bundesverfassungsgerichts
Noch in der Nacht auf Donnerstag, 28. März, haben mehrere Medien über eine Einigung zwischen Ampel und Union bezüglich eines Gesetzentwurfs zum „Schutz des Bundesverfassungsgerichts“ berichtet. Aus der Unionsfraktion heißt es nun, es gebe Gespräche, eine Einigung habe es jedoch nicht gegeben. Nach Ostern will man weiter verhandeln, wie man das Bundesverfassungsgericht vor einem möglichen Einfluss der AfD und anderer teilweise oder vollständig als extremistisch eingestufter Parteien schützen könne.
Könnte man Richter am Bundesverfassungsgericht per Handstreich entmachten?
Wie die „Frankfurter Rundschau“ berichtet, steht ein zwölfseitiger Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Marco Buschmann im Raum. Die Neuregelung solle Bestrebungen ausbremsen, „welche die Unabhängigkeit der Verfassungsgerichtsbarkeit infrage stellen wollen“.
Dem Entwurf zufolge soll speziell die Unabhängigkeit des Gerichts im Grundgesetz festgeschrieben werden. Bis dato ist lediglich allgemein die Unabhängigkeit von Richtern in Artikel 97 GG geregelt. Außerdem will man die Zahl von zwei Senaten, die Wahl von jeweils acht Richtern durch Bundestag und Bundesrat, die maximal zwölfjährige Amtszeit sowie die Altersgrenze von 68 Jahren auf Verfassungsebene verankern.
Derzeit finden sich die entsprechenden Normen einfachgesetzlich im Gesetz über das Bundesverfassungsgericht. Eine einfache Mehrheit würde ausreichen, um diese zu ändern. Dies könnte theoretisch dazu führen, dass Regierungen mit nicht systemischen Ambitionen über eine Verkürzung der Amtszeit bestehende Richter vorzeitig ihrer Ämter berauben könnten.
Court Packing und Spielereien um Amtszeiten
Außerdem ließe sich auf einfachgesetzlichem Wege der Bestellmodus der Höchstrichter verändern oder Richtern eine Position auf Lebenszeit einräumen. Es wäre auch möglich, einen dritten Senat zu bilden, diesen mit politisch genehmen Richtern zu bestücken und über Vorgaben zur Geschäftsordnung heikle Entscheidungen zu überlassen.
Szenarien wie diese befürchtet man, sollte die AfD eines Tages Einfluss auf die Richterbestellung oder die Gesetzgebung über das Bundesverfassungsgericht erhalten. Deshalb sollen die derzeit geltenden Modalitäten über eine Aufnahme in das Grundgesetz eine erhöhte Bestandskraft erhalten. So wäre eine Abänderung nur mit Zweidrittelmehrheit möglich.
Auch die Wahl von jeweils acht Richtern pro Senat will die Ampel mithilfe der Union festschreiben. So soll einem möglichen „Court Packing“ (zu deutsch etwa: Überbesetzung des Gerichts) ein Riegel vorgeschrieben werden. In den USA hatte es Vorschläge dieser Art nach der Bestellung als konservativ geltender Richter am Supreme Court in der Ära Donald Trump gegeben. Durch die Bestellung zusätzlicher zu den neun derzeitigen Richtern solle der Effekt neutralisiert werden. Der Vorschlag ging nicht über das Stadium einer Debatte hinaus – und in den USA würde eine einfache Mehrheit im Senat dafür nicht ausreichen.
Wo liegt das Problem in Sachen Bundesverfassungsgericht?
Ein weiterer Passus, der ins Grundgesetz aufgenommen werden soll, lautet:
„Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.“
Dieser Passus findet sich derzeit lediglich in Absatz 1 von Paragraf 31 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht. In dessen zweitem Absatz finden sich zudem Bestimmungen über Fälle, in denen Entscheidungen aus Karlsruhe unmittelbar Gesetzeskraft haben. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Karlsruhe ein Gesetz als verfassungswidrig erklärt, ohne eine Frist zur Anpassung zu setzen.
Eine Reihe von traditionellen Aufgaben ist Karlsruhe nicht direkt durch das Grundgesetz, sondern erst konkret durch Paragraf 13 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht übertragen. Bislang hatte jedoch noch niemand das Normenkontrollgebäude als solches infrage gestellt.
Allerdings hatten manche Urteile bei einigen Parteien geschäftiges Treiben bezüglich der Suche nach Möglichkeiten ausgelöst, unerwünschte Entscheidungen gesetzgeberisch zu begradigen. Das war beispielsweise 2015 der Fall, als Karlsruhe restriktive Gesetze gegen das islamische Kopftuch beanstandete. Oder auch jüngst beim Haushaltsurteil, das umgehend Debatten über die Schuldenbremse auslöste.
Strikter Parteienproporz bei Besetzung – aber kein parteipolitischer Einfluss?
Im Februar hatte die Union erklärt, keinen zwingenden Bedarf für eine Anpassung des Normengefüges rund um das Bundesverfassungsgericht zu sehen. Später hatte CDU-Chef Friedrich Merz doch Gesprächsbereitschaft erkennen lassen. Fraktionsvize Andrea Lindholz erklärte gegenüber der Funke-Mediengruppe:
„Wir teilen die Sorge der parteipolitischen Einflussnahme auf die Justiz und insbesondere das Bundesverfassungsgericht.“
Die Bestellung der Richter ist allerdings selbst strikt nach Parteienproporz geordnet. Alle vier Jahre findet eine Festlegung des Vorschlagsrechts statt. Derzeit besitzen Union und SPD das Vorschlagrecht für je drei Bundesverfassungsrichter. Grüne und FDP nominieren je einen Kandidaten.
Die Vorgeschlagenen müssen der jeweiligen Partei nicht angehören, jedoch ist regelmäßig ein politisches Näheverhältnis anzunehmen.
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