Schuldenbremse: Merz erteilt schneller Reform Absage – neue Sondervermögen als Lösung?

Der mutmaßliche neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat nun doch von seinen Überlegungen Abstand genommen, die Schuldenbremse noch vor der Zusammenkunft des neuen Bundestags mit den Mehrheiten des alten Plenums per Grundgesetzänderung abzuschwächen.
„Es ist in der naheliegenden Zukunft ausgeschlossen, dass wir die Schuldenbremse reformieren“, sagte Merz nach Informationen des MDR am Dienstag, 25. Februar 2025, vor einer Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. „Das ist, wenn es überhaupt stattfindet, eine ziemlich umfangreiche, schwierige Arbeit, die da zu leisten ist.“
Auch Spekulationen über ein neues Sondervermögen etwa für die Bundeswehr wies Merz laut MDR zumindest vorläufig zurück: „Wir sprechen miteinander, aber es ist viel zu früh, darüber jetzt schon etwas zu sagen.“ Augenblicklich betrachte er das Thema als „schwierig“.
Am Tag nach der Wahl hatte Merz noch ganz anders geklungen. Man könne gemeinsam mit den Fraktionen der Grünen, der FDP und der SPD „darüber nachdenken“, die noch bis zum 25. März bestehenden Mehrheiten im alten Bundestag zu nutzen, um das Grundgesetz für eine Lockerung der Schuldenbremse zu ändern. Nach diesem Zeitpunkt bestehe eine Sperrminorität „der ganz linken und der ganz rechten Seite“, gab Merz zu bedenken.
In einem Wahlkampf-Fernsehduell mit Olaf Scholz (SPD) hatte Merz betont, dass er die Schuldenbremse wenigstens zu Beginn seiner möglichen Kanzlerschaft nicht antasten wolle. „Am Anfang kommt das Einsparpotenzial, kommt das Wachstum und kommen wirklich auch mal Umschichtungen im Haushalt, die dringend notwendig sind.“ (Kurzvideo auf X)
Erste Möglichkeiten sieht Merz inzwischen offenbar bei der Vergabe von Bundesmitteln an NGOs.
Lang kritisiert Sinneswandel
Die frühere Co-Parteichefin der Grünen, Ricarda Lang, sprach gegenüber dem „Spiegel“ (Bezahlschranke) angesichts des Merzschen Hin und Hers zu einer Schuldenbremsenreform von einer „Sauerei“.
Der wahrscheinlich nächste Kanzler habe drei Jahre lang nur zugeschaut, wie die Ampel um das Thema Geldmangel und Schuldenbremse gerungen habe. Dabei hätten ihr CDU-Politiker bereits vor einem Jahr „hinter vorgehaltener Hand“ zugestimmt, dass Regieren unter den Vorschriften der aktuellen Schuldenbremse nicht mehr möglich sei. Lang:
Ich habe damals schon zu denen gesagt: Das könnt ihr nicht machen! Ihr könnt euch jetzt nicht noch ein Jahr lang hinstellen und im Wahlkampf die Schuldenbremse zum Ausdruck der Generationengerechtigkeit erklären.“
Jeder Einwohner steht mit 30.000 Euro in der Kreide
Wie der „Focus“ berichtet, fehlen nach Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) etwa 600 Milliarden Euro, um dem Sanierungsstau bei Straßen, Stromnetzen oder Schulen zu begegnen.
Schon jetzt beträgt der Gesamtschuldenstand von Bund, Ländern und Kommunen nach Angaben des Bundes der Steuerzahler rund 2.530 Milliarden, pro Einwohner also knapp 30.000 Euro.
Demgegenüber standen dem Bundeshaushalt im Steuerjahr 2024 nur rund 480 Milliarden zur Verfügung. 2025 plant der Bund nach „Focus“-Informationen vorläufig mit 490 Milliarden. Da bestimmte Ausgabenposten wie etwa die Rentenzuschüsse oder das Bürgergeld in einer gemeinsamen Größenordnung von rund 180 Milliarden „fix“ seien, werde auch eine neue Regierung kaum Spielraum haben. Sollte die Union an ihren im Wahlkampf versprochenen Steuersenkungsplänen und auf dem Nein zur Schuldenbremsenreform festhalten, könne der Bund neue Investitionen im erforderlichen Umfang nicht bezahlen – zum Nachteil der Wirtschaft und der Bürger, argumentiert der „Focus“.
Finanzierungslücken überall
Allein um jene rund 90 Milliarden auszugleichen, die mit den Steuersenkungsplänen der Union fehlen würden, bedürfe es eines – unrealistischen – Wirtschaftswachstums von 9 Prozent.
Zur Instandsetzung und zum Ausbau von Straßen und Schienen würden laut „Focus“ über 200 Milliarden Euro gebraucht. Eine Sanierung der Bundeswehr würde trotz des bereits aufgelegten 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens rund 50 Milliarden mehr im Jahr verschlingen – zu zahlen spätestens ab 2028.
Der Ausbau der Energieinfrastruktur werde nach IW-Schätzungen bis 2035 rund 200 Milliarden Euro verschlingen, unabhängig davon, ob an den „Erneuerbaren“ festgehalten würde oder eine Renaissance der Atomkraft käme. Beinahe 80 Milliarden würde die Modernisierung der Bildungs- und Forschungseinrichtungen in den nächsten zehn Jahren kosten.
Dass die Steuern allgemein sinken müssten, hatten sich vor der Wahl mehr oder weniger alle Parteien auf die Fahnen geschrieben. Um das Leben in Deutschland zu verbessern, bliebe einer künftigen Regierung nach Einschätzung des „Focus“ damit nur der Ausweg, die Schuldenbremse zu lockern.
Prof. Fratzscher empfiehlt zumindest Sondervermögen für Bundeswehr und Investitionen
Prof. Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), habe deshalb eine Ausnahme speziell für Investitionen in der aktuellen Schuldenbremsenregelung des Grundgesetzes gefordert.
Seinen Berechnungen zufolge erzeuge jeder Euro, der in Infrastruktur oder Bildung investiert werde, später einen Rückfluss von 2 Euro; Geld, das nach Ansicht Fratzschers dann für den Aufschwung, für die Renten und für Steuersenkungen zur Verfügung stehen würde.
Auf seinem X-Kanal hatte Fratzscher bereits am 16. Februar erklärt, dass die neue Bundesregierung seiner Einschätzung nach nicht an einem neuen Sondervermögen „für Verteidigung und für Investitionen“ vorbeikommen würde.
Eine Reform der Schuldenbremse werde dagegen erst in „frühestens in zwei oder drei Jahren greifen“, argumentierte der Ökonom. Selbst wenn der aktuell erlaubte Höchstwert einer jährlichen Neuverschuldung von 0,35 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts „leicht“ auf 0,5 Prozent angehoben werde, werde das „nicht den notwendigen Spielraum geben, um die dringend benötigten öffentlichen #Investitionen in Infrastruktur, Bildung, Innovation und Klimaschutz zu tätigen“.
Am Tag nach der Wahl ermahnte Fratzscher auf X die nächste Bundesregierung noch einmal zu einem „mutigen und dringend benötigten Reformkurs“. Andernfalls wären „wirtschaftlicher Abstieg, gesellschaftliche Polarisierung und ein weiteres Erstarken der AfD […] das unweigerliche Resultat“.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion