Neuverschuldung für Flüchtlinge? Die große Kostenfrage der Bundesländer

Mit den jüngsten Grundgesetzänderungen zur Lockerung der Schuldenbremse haben auch die 16 Bundesländer einen größeren Spielraum für neue Schulden erhalten: Sie dürfen deshalb jedes Jahr Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) aufnehmen. Außerdem plant die künftige Bundesregierung 100 jener 500 Milliarden Euro an die Länder zu verteilen, die der Bundestag als Sonderschulden für Investitionen in die Infrastruktur über zwölf Jahre genehmigt hat.
Die Epoch Times schickte allen 16 Landesregierungen am 25. März 2025 den gleichen Fragenkatalog. Wir wollten unter anderem wissen, wie viele Migranten, Flüchtlinge und Asylbewerber jedes Land aktuell zu versorgen hat, wie viel Geld aus Landesmitteln dafür fließt und wie sehr der neue finanzielle Spielraum jedes Bundeslandes dafür genutzt werden könnte.
Bis zum 1. April antworteten 13 Ministerien mehr oder weniger umfangreich. Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein reagierten überhaupt nicht.
Neun sagen Nein zu neuen Schulden für Flüchtlingskosten
Der Idee, neue Kredite aufzunehmen, um Flüchtlingskosten bezahlen zu können, erteilten neun Bundesländer eine klare Absage, nämlich Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Sachsen, Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und das Saarland.
Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt ließen die Frage unbeantwortet. Hessen und Niedersachsen wollten sich gegenüber der Epoch Times nicht festlegen, zeigten sich jedoch grundsätzlich offen für eine höhere Verschuldung.
Kosten und Empfängerzahl nicht überall bekannt
Die Frage, wie viele Migranten aus Nicht-EU-Ländern derzeit in einem Bundesland registriert sind, die einen Anspruch auf Unterstützung aus Landesmitteln besitzen, rief bei den Ländern unterschiedliche Reaktionen hervor.
Der Stadtstaat Bremen verwies darauf, dass die Betroffenen nach individuell unterschiedlichen Zeitpunkten in das allgemeine Sozialsystem überführt würden. Danach sei „nicht mehr erkennbar, bei welcher Person es sich um einen Flüchtling handelt und bei welcher nicht“. In den Gemeinschaftsunterkünften der Stadtgemeinde hätten Stand Dezember jedenfalls 4.236 Menschen gelebt.
Zu den Gesamtkosten für die Grundleistungen (Unterkunft, Lebensmittel, Heizung, Kleidung, Verbrauchsgüter), Leistungen im Bedarfsfall (Gesundheitsfürsorge) und Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sowie für Integrations- und Sprachkurse konnte die Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration keine Angaben machen.
Ein Sprecher des Saarlandes vermochte kurzfristig ebenfalls keine Auskunft über die Zahl der Migranten aus Nicht-EU-Ländern zu geben. Auch zum finanziellen Aufwand könne man „keine seriösen Zahlen“ liefern. Die „Bild“ hatte über 94 Millionen an Flüchtlingskosten pro Jahr berichtet. Das Bundesamt für Statistik hatte im Jahr 2023 einen Nettoaufwand für das Saarland in Höhe von 56,2 Millionen netto allein für Asylbewerberleistungen errechnet.
Rheinland-Pfalz gab mit Stand 24. März 2025 genau 2.845 Personen an, die in seinen „Aufnahmeeinrichtungen für Asylbegehrende“ untergebracht seien. „Dem Integrationsministerium liegen noch keine Daten zu den Brutto- bzw. Nettogesamtausgaben für Grundleistungsberechtigte auf Basis des AsylbLG für das Jahr 2024 – bezogen auf das gesamte Land inkl. der kommunalen Leistungsbehörden – vor“, hieß es.
„Eine Schätzung zu den Brutto- bzw. Nettogesamtausgaben im Bereich des AsylbLG für das Jahr 2025 existiert nicht“. Die „Bild“ hatte über 275 Millionen Euro Flüchtlingskosten pro Jahr für Rheinland-Pfalz genannt.
In Sachsen-Anhalt stehen nach Angaben des Innenministeriums derzeit rund 12.400 Personen in Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG. 2024 habe das Land an die Kommunen 146,2 Millionen Euro für AsylbLG-Leistungen und für die „Kosten der Unterbringung, sozialen Betreuung, sowie Bewachung“ gezahlt. Im Haushaltsjahr 2025 seien dafür 127,2 Millionen eingeplant.
Sachsen verwies auf das Ausländerzentralregister. Demnach seien mit Stand 28. Februar 2025 genau 265.390 ausländische Staatsangehörige registriert, die „nicht der Europäischen Union bzw. dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)“ angehörten. „Wer von diesen Personen ‚Landesmittel‘ bezieht, wird statistisch nicht vollständig erfasst“, so ein Sprecher des Innenministeriums. Laut „Bild“ gibt das Land Sachsen 128 Millionen Euro im Jahr für Migranten aus.
Das Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern verwies auf die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des AfD-Abgeordneten Jan-Phillip Tadsen vom 4. März 2025. Daraus geht hervor, dass mit Stand 31. Dezember 2024 im ganzen Land 85 Unterkünfte im Sinne von Paragraf 4 des Flüchtlingsaufnahmegesetzes betrieben wurden. Darin seien genau 8.082 Personen untergebracht gewesen. Weitere vier Unterkünfte mit einer Kapazität von insgesamt rund 430 Plätzen seien in Planung. Das Land habe den Landkreisen und kreisfreien Städten gemäß Paragraf 5 des Flüchtlingsaufnahmegesetzes für Sammelunterkünfte rund 171 Millionen Euro erstattet.
Das Thüringer Ministerium für Justiz, Migration und Verbraucherschutz erwartet für das Jahr 2025 rund 186,4 Millionen Euro Gesamtkosten für Schutzsuchende und Integrationsleistungen inklusive der Erstaufnahme und Versorgung von Flüchtlingen aus der Ukraine. Im vergangenen Jahr seien es 255,5 Millionen gewesen, „da einerseits erhebliche Nachzahlungen an Landkreise und kreisfreie Städte vorzunehmen waren und zum anderen einmalige Investitionsausgaben angefallen sind“, sagte ein Sprecher. Etwa zwei Drittel der Aufwendungen seien als Erstattungen an die Kreise und kreisfreien Städte gegangen.
Nicht in den genannten Zahlen enthalten seien Personalausgaben für das Landespersonal, Sozialausgaben für anerkannte, auch ukrainische Flüchtlinge sowie Aufwendungen für Gesundheit, Arbeitsmarktintegration und Integrationsförderung.
Hamburg meldete mit Stand Februar 2025 genau 12.580 Personen aus Nicht-EU-Ländern, die Leistungen nach dem AsylbLG erhielten. Schutzsuchende mit anerkanntem Schutzstatus sowie Ukrainer seien darunter nicht berücksichtigt. „Diese Personenkreise erhalten, wenn sie tatsächlich hilfebedürftig sind, Leistungen nach dem SGB II [Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende] und SGB XII [Sozialhilfe], die sowohl aus Mitteln des Bundes als auch der Länder finanziert werden.“
Für Flüchtlings- und Migrationskosten habe Hamburg 2023 rund 343 Millionen Euro allein für Schutzsuchende aus der Ukraine ausgegeben, 376 Millionen für Menschen aus anderen Ländern – jeweils gut die Hälfte mehr als im Vorjahr. Die Auswertung für 2024 sei bisher nicht abgeschlossen.
1,3 Milliarden Euro werde Baden-Württemberg voraussichtlich dieses Jahr für die Versorgung von Schutzsuchenden in die Hand nehmen müssen. Das Justizministerium in Stuttgart ließ die Frage nach der Zahl der zu Versorgenden unbeantwortet.
Bayern verzeichnete Ende 2023 89.740 Asylbewerberleistungsberechtigte, aktuellere Zahlen lägen nicht vor. Außerdem habe der Freistaat im vergangenen November 89.905 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine beherbergt, die „regelleistungsberechtigt nach dem SGB II“ seien. Das Land habe 2024 rund 2,3 Milliarden Euro für „Mieten, Sicherheitsdienste, Nebenkosten, Verpflegung in ANKERn [ANKER-Zentren] und die Leistungen nach dem AsylbLG auf der Bezahlkarte“ aufgewendet.
Eine Sprecherin des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (MKJFGFI) bezifferte die Zahl der Asylbewerber, die sich zum 25. März 2025 in den Landesaufnahmeeinrichtungen aufhielten, mit 19.300. In den Kommunen seien im Februar weitere 34.598 Personen gemeldet worden, für die ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Land aus Paragraf 4 des NRW-Flüchtlingsaufnahmegesetzes (FlüAG) bestehe.
Das Land habe im Jahr 2024 insgesamt 706,24 Millionen Euro auf Grundlage des FlüAG, des Kreisunterstützungsgesetzes, des Gesetzes über Ausgleichszahlungen für geduldete Personen und für außergewöhnliche Krankheitskosten an die Kommunen überwiesen. 2023 seien 927,86 Millionen Euro über das FlüAG, für geduldete Personen und für außergewöhnliche Krankheitskosten geflossen.
Für die Versorgung von Ukrainern seien 2023 weitere 390,15 Millionen Euro vom Land an die Kommunen gezahlt worden. Die Kommunen hätten im selben Jahr zudem 708 Millionen Euro an Sonderzahlungen des Bundes bekommen. Alle Zahlen gäben jedoch „kein vollständiges Bild ab“.
Die „Bild“ hatte die NRW-Kosten für Schutzsuchende pro Jahr auf 3,4 Milliarden beziffert.
Der Posten im Landeshaushaltsplan für die „gesellschaftliche Teilhabe und Integration Eingewanderter“ war laut MKJFGFI-Sprecherin in den vergangenen Jahren allerdings leicht gesunken: von 156,3 Millionen Euro 2023 auf 152 Millionen Euro anno 2024 und rund 147 Millionen Euro für das laufende Jahr. Das Geld komme „allen Menschen mit Einwanderungsgeschichte zugute“, hieß es aus dem Ministerium. 2024 habe ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung NRWs bei 31,6 Prozent gelegen.
Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein für neue Kredite offen
Hessens Ministerium für Soziales und Integration bezifferte die Kosten für Flüchtlingshilfe im Jahr 2024 auf rund 1,2 Milliarden Euro. 2025 seien 1,1 Milliarden im Haushalt verplant. Für das laufende Jahr plane das Land gemäß der alten Schuldenbremse-Regelung mit neuen Krediten in Höhe von 670 Millionen Euro, die die fehlenden Steuereinnahmen aufgrund der „anhaltenden Wirtschaftsschwäche Deutschlands“ ausgleichen sollen. Neue Schulden seien „auf schlechte Konjunkturdaten zurückzuführen, nicht auf einzelne Ausgabeposten“, betonte ein Sprecher.
Die neuen Regelungen zur Schuldenbremse würden für Hessen die Möglichkeit eröffnen, jährlich rund 1 Milliarde mehr an Krediten aufzunehmen. Dazu müssten aber noch Umsetzungsdetails vom Bund geklärt werden. „Es ist aktuell davon auszugehen, dass die Änderungen erst für den Landeshaushalt 2026 greifen“, so der Sprecher.
In Niedersachsen hielten sich zum Stichtag 28. Februar 2025 nach Angaben eines Sprechers des Landesfinanzministeriums „insgesamt 298.504 Personen mit Flüchtlingskontext“ auf, die Ukrainer mitgezählt. Zum 31. Dezember 2023 hätten 36.355 Personen Geld auf Grundlage des Asylbewerberleistungsgesetzes erhalten.
2024 habe Niedersachsen „etwas mehr als 1 Milliarde Euro an Mitteln mit Fluchtbezug verausgabt“, 2025 rechne man mit ähnlichen Kosten. „Diese Summen setzen sich im Wesentlichen jeweils aus allgemeinen Erstattungen und Einmalzahlungen an die Kommunen, Ausgaben der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (einschließlich Baumaßnahmen) und Zahlungen an die Kommunen für unbegleitete Minderjährige zusammen“. Über die Kosten der Kommunen lägen dem Land keine belastbaren Zahlen vor.
„In welcher Form Niedersachsen neue Kreditfinanzierungsmöglichkeiten der Länder in Anspruch nehmen wird und welche Ausgaben damit finanziert werden, bleibt abzuwarten“, schrieb der Sprecher.
Wenn die Länder insgesamt 0,35 Prozent des gesamtdeutschen Bruttoinlandsproduktes als zusätzliche Kredite aufnehmen dürften, wären das laut dem designierten Bundeskanzler Friedrich Merz rund 16 Milliarden. „Wie diese Mittel exakt unter den Ländern verteilt werden, wird Gegenstand eines zustimmungspflichtigen Bundesgesetzes sein. Dies bleibt abzuwarten“, so das niedersächsische Finanzministerium.
Auch die Regierung von Schleswig-Holstein scheint nach „Bild“-Angaben offen für neue Landesschulden. Wie die „möglichen Mittel“ in Höhe von bis zu 500 Millionen Euro verteilt werden könnten, sei nach Angaben einer Regierungssprecherin noch nicht entschieden.
Nach Angaben der „Bild“ wendet das Land Berlin pro Jahr 1 Milliarde Euro für Migranten auf.
Statistiksplitter
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts hatten sich die Ausgaben aller Bundesländer für Aufwendungen nach dem AsylbLG im Jahr 2023 auf rund 6,3 Milliarden Euro summiert. Netto waren 6,0 Milliarden Euro zu zahlen. Aktuellere Zahlen liegen beim Bundesamt nicht vor.
Die Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlichte zuletzt im Juli 2024 Statistiken über asylbedingte Kosten und Ausgaben auch im Bundeshaushalt. Demnach zahlte der Bund seit 2016 jährlich mindestens 20,5 Milliarden Euro für „flüchtlingsbezogene Ausgaben“. Am höchsten war der Aufwand 2022 mit rund 28,4 Milliarden. Der Löwenanteil fällt regelmäßig auf die Position „Sozialtransferleistungen nach Asylverfahren“ und auf die „Fluchtursachenbekämpfung“. Allein für Letzteres wurden in den vergangenen beiden Jahren jeweils rund 10 Milliarden ausgegeben.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) veröffentlicht regelmäßig Tabellen, Diagramme und Erläuterungen über die Migrationsbewegungen nach Deutschland. Derzeit liegen aktuelle Daten als PDF-Datei mit Stand Februar 2025 vor.
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