„Es geht darum, wie wir Europa stark machen“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich bei seinen Antrittsbesuchen in Paris und Brüssel für eine enge Zusammenarbeit mit Frankreich und der EU-Kommission ausgesprochen. „Es geht darum, wie wir Europa stark machen können“, sagte Scholz nach einem Arbeitsessen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Freitag. Auch mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vereinbarte Scholz eine enge Abstimmung.
Die Ampel-Koalition fühle sich verantwortlich „für Fortschritte in Europa“, betonte Scholz bei einem gemeinsamen Auftritt mit von der Leyen. Dies sei auch die „entschiedene Mehrheitsmeinung der Deutschen“. Die Kommissionspräsidentin nannte den Besuch des neuen Bundeskanzlers an seinem zweiten Tag im Amt ein „sehr ermutigendes Signal“.
Sanktionen gegen Russland angedroht
Besorgt äußerten sich die beiden Politiker über die Spannungen mit Russland: „Wir erwarten, dass Russland deeskaliert und jegliche Aggression gegenüber seinen Nachbarn unterlässt“, betonte von der Leyen. Andernfalls sei die EU bereit, nicht nur die bestehenden Sanktionen zu verschärfen, sondern neue Strafmaßnahmen auf Feldern wie Wirtschaft und Finanzen zu ergreifen.
Scholz sagte, die Bundesregierung betrachte „mit Sorge die vielen Truppen an der Grenze zur Ukraine“. In Europa dürfe es „keine Bedrohungsszenarien“ geben. Ausweichend äußerte sich der SPD-Politiker zu der Frage, ob als Druckmittel gegen Russland die Inbetriebnahme der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 in Frage stehe. Er betonte, die Ampel-Koalition wolle alles tun, um „das zu verhindern“.
Von der Leyen sagte dazu, Aggression müsse „ein Preisschild haben“. Energie dürfe aber „niemals als Druckmittel genutzt“ werden und die Energiesicherheit Europas und seiner Nachbarn müsse gewährleistet bleiben.
Normandie-Format soll vermitteln
Mit Macron vereinbarte Scholz, das sogenannte Normandie-Format wiederzubeleben, um zwischen der Ukraine und Russland zu vermitteln. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte das Format zuletzt gemieden. Ende 2019 fand der bisher letzte Normandie-Gipfel in Paris statt.
Scholz wie Macron begrüßten zudem die Initiative von US-Präsident Joe Biden, der am Dienstag mit Putin gesprochen hatte. „Alle Initiativen ergänzen einander“, sagte Macron, der seinerseits am Vormittag mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert hatte.
Kritischer äußerte sich von der Leyen: „Über die europäische Sicherheitsarchitektur kann man nur mit Europa diskutieren“, betonte sie. Neben dem Normandie-Format sei auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eine gute Plattform, „denn dort sitzen alle Beteiligten an einem Tisch“.
Reform der Schuldenregeln geplant
Thema bei Macron und Scholz waren zudem die europäischen Schuldenregeln. Macron erinnerte daran, dass Europa während der Pandemie gezeigt habe, dass es Regeln außer Kraft setzen könne. „Jetzt brauchen wir dieselbe Kapazität für die kommende Zeit“, betonte Macron. Es seien massive Investitionen nötig, um die Souveränität Europas auszubauen.
Scholz betonte dagegen, die Bundesregierung wolle „die Flexibilität, die der Stabilitäts- und Wachstumspakt bietet“, nutzen. In der Corona-Krise hatte die EU die Regeln ausgesetzt, nach denen die Schulden höchstens 60 Prozent der Wirtschaftsleistung und eine jährliche Neuverschuldung maximal drei Prozent betragen sollen.
Bis Ende des Jahres ist eine Reform der Schuldenregeln geplant. Die EU-Kommission plädiert für eine Debatte „ohne Tabus“ und hat eine öffentliche Konsultation auf den Weg gebracht. Vor allem Südländer plädieren für eine Lockerung, Staaten wie Österreich und die Niederlande warnen dagegen vor einer Aufweichung der Regeln.
In Brüssel traf Scholz im Anschluss an das Gespräch mit von der Leyen noch EU-Ratspräsident Charles Michel. Am Abend wollte Scholz mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zusammenkommen.
Scholz stellt Nato mehr Geld in Aussicht
Indes hat Scholz der Nato höhere deutsche Militärausgaben in Aussicht gestellt. Die deutschen Verteidigungsausgaben seien zuletzt „in einer Weise gestiegen, wie das viele Jahre nicht der Fall war“, sagte Scholz am Freitagabend nach einem Treffen mit Bündnis-Generalsekretär Jens Stoltenberg zum Abschluss seiner Antrittsreise nach Brüssel. „Das ist etwas, was wir fortsetzen werden nach den Möglichkeiten, die wir haben“, betonte der SPD-Politiker.
Die Nato-Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung aufzuwenden. In dem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP findet sich dieses Ziel nicht ausdrücklich. Dennoch werde die Regierung „natürlich alles dafür tun, dass wir die Bundeswehr gut ausstatten“, betonte Scholz.
Der Norweger Stoltenberg sagte, er und Scholz wüssten aus ihren früheren Ämtern als Finanzminister, „wie schwer es ist, Geld zu finden“. Im Koalitionsvertrag finde sich aber klar das Bekenntnis, die Nato-Verpflichtungen einzuhalten. „Deshalb freue ich mich auf erhöhte Verteidigungsausgaben durch Deutschland“, betonte Stoltenberg.
Der Nato-Generalsekretär wies erneut die russische Forderung zurück, die Beitrittsperspektive für die Ukraine und Georgien ad acta zu legen. „Über die Beziehungen mit der Ukraine entscheiden alleine die 30 Nato-Verbündeten und die Ukraine selbst, niemand sonst“, stellte Stoltenberg klar. Das russische Großmachtstreben sei nicht akzeptabel. (afp/dts/dpa/oz)
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