Scholz und Lauterbach verteidigen Direktmandate – Streeck holt Wahlkreis Bonn zur CDU zurück

Bei der Bundestagswahl am Sonntag fielen insgesamt 23 Direktmandate der Wahlrechtsreform zum Opfer. Davon war vor allem die CDU betroffen. Von den prominentesten Kandidaten verteidigten Kanzler Scholz und Minister Lauterbach ihre Wahlkreismandate. Weniger Glück hatten Robert Habeck, Annalena Baerbock, Alice Weidel oder Christian Lindner.
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Holte erneut die meisten Erststimmen in seinem Wahlkreis: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).Foto: Marcus Golejewski - Pool/Getty Images
Von 24. Februar 2025

Die Bundestagswahl am Sonntag, 23.2., brachte zahlreiche Überraschungen und eine Entscheidung um Haaresbreite, was den Nichteinzug des BSW betrifft. Mit Spannung blickte man jedoch auch auf die Situation in den Erststimmenwahlkreisen. Erstmals sollten aufgrund der Wahlrechtsreform nicht alle Kandidaten, die in ihrem Wahlkreis die meisten Erststimmen holten, auch automatisch ein Direktmandat gewinnen.

Um eine Aufblähung des Bundestags zu verhindern, wurde dessen Größe gesetzlich auf 630 reduziert. Erhält eine Partei mehr Erststimmenmandate, als ihr nach ihrem Zweitstimmenanteil zustünden, fallen diejenigen mit dem schlechtesten Erststimmenergebnis durch den Rost. Am Sonntag waren 23 Stimmkreise von dieser Regelung betroffen – die meisten von ihnen waren urbane Wahlkreise. So wird beispielsweise Frankfurt am Main künftig keinen direkt gewählten Vertreter mehr aufweisen. Betroffen sind die folgenden Wahlkreise und Direktkandidaten:

  • Wahlkreis 1, Flensburg-Schleswig: Petra Nicolaisen (CDU)
  • Wahlkreis 169, Schwalm-Eder: Anna-Maria Regina Bischof (CDU)
  • Wahlkreis 181, Frankfurt am Main I: Yannick Schwander (CDU)
  • Wahlkreis 182, Frankfurt am Main II: Leopold Nikita Vincent Born (CDU)
  • Wahlkreis 183, Groß-Gerau: Marcus Kretschmann (CDU)
  • Wahlkreis 185, Darmstadt: Astrid Ursula Luise Mannes (CDU)
  • Wahlkreis 202, Trier: Dominik Franciszek Sienkiewicz (CDU)
  • Wahlkreis 204, Mainz: Ursula Groden-Kranich (CDU)
  • Wahlkreis 206, Ludwigshafen/Frankenthal: Sertaç Bilgin (CDU)
  • Wahlkreis 259, Stuttgart II: Maximilian Mörseburg (CDU)
  • Wahlkreis 274, Heidelberg: Alexander Paul Föhr (CDU)
  • Wahlkreis 275, Mannheim: Melis Sekmen (CDU)
  • Wahlkreis 277, Rhein-Neckar: Moritz Oppelt (CDU)
  • Wahlkreis 282, Lörrach – Müllheim: Stefan Glaser (CDU)
  • Wahlkreis 290, Tübingen: Christoph Daniel Naser (CDU)
  • Wahlkreis 218, München-Süd: Claudia Küng (CSU)
  • Wahlkreis 243, Nürnberg-Nord: Sebastian Brehm (CSU)
  • Wahlkreis 251, Augsburg-Stadt: Volker Michael Ullrich (CSU)
  • Wahlkreis 54, Bremen I: Ulrike Elisabeth Hiller (SPD)
  • Wahlkreis 14, Landkreis Rostock II: Steffi Burmeister (AfD)
  • Wahlkreis 58, Oberhavel – Havelland II: Andreas Galau (AfD)
  • Wahlkreis 71, Halle: Alexander Raue (AfD)
  • Wahlkreis 151, Leipzig I: Christian Kriegel (AfD)

Wer trotz Platz 1 bei den Erststimmen nicht zum Zug kommt

Die CDU muss auf ihre Erststimmenmandate in Flensburg-Schleswig, Schwalm-Eder, Frankfurt am Main I und II, Groß-Gerau, Darmstadt, Trier, Mainz, Ludwigshafen-Frankenthal, Stuttgart II, Heidelberg, Mannheim, Rhein-Neckar, Lörrach-Müllheim und Tübingen verzichten. Petra Nicolaisen, die in ihrem Wahlkreis Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck bezwang, sitzt damit nicht im neuen Bundestag.

Genauso trifft es Melis Sekmen. Die Abgeordnete, die im Sommer von den Grünen zur CDU gewechselt war, gewann zwar den Erststimmenwahlkreis in Mannheim. Allerdings waren 24,7 Prozent zu wenig für einen Einzug. In Heidelberg erlangte Alexander Föhr (CDU) eine Mehrheit gegen Grünen-Bundessprecherin Franziska Brantner. Anders als diese, die über die Landesliste abgesichert war, wird er jedoch nicht dem nächsten Bundestag angehören.

Die CSU erzielte mit ihren Wahlkreiskandidaten in München-Süd, Nürnberg-Nord und Augsburg-Stadt Erststimmenmehrheiten, die jedoch nicht für ein Direktmandat reichten. Alle drei Kandidaten waren nicht über die Landesliste abgesichert. Gleiches gilt für SPD-Kandidatin Ulrike Hiller, die in Bremen I gewann. Bei der AfD müssen die Erststimmenwahlkreisgewinner aus Rostock II, Oberhavel-Havelland II und Halle an der Saale auf ihre Mandate verzichten.

SPD konnte gefährdete Wahlkreise im Westen gegen AfD verteidigen

Was den sogenannten Promi-Wahlkreis Potsdam – Potsdam-Mittelmark II – Teltow-Fläming II anbelangt, reichten Bundeskanzler Olaf Scholz dort 21,8 Prozent für ein Direktmandat. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock kam dort mit 15,9 Prozent nur auf Platz 4 – hinter CDU-Kandidatin Tabea Gutschmidt und dem Höcke-Vertrauten Alexander Tassis von der AfD.

Insgesamt konnten die Grünen 12 Direktmandate gewinnen, darunter das „Skandal-Mandat“ von Julia Schneider in Berlin-Pankow. Dort hatte die Partei ihren bisherigen Wahlkreisabgeordneten Stefan Gelbhaar nach Vorwürfen ungebührlichen Verhaltens gegenüber Frauen ausgebootet. Am Ende ergaben sich deutliche Anhaltspunkte für eine gezielte Intrige ohne reale Grundlage.

Uneinheitlicher war die Erststimmenbilanz der SPD. Sie kam auf 45 Direktmandate. Neben Scholz gewann auch der als „beliebtester Politiker Deutschlands“ geltende Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius seinen Stimmkreis Hannover II mit 36,2 Prozent. In seinem Wohnortstimmkreis Osnabrück büßte die SPD hingegen ihr Direktmandat ein. Dort hatte der 2021 gewählte Manuel Gava erst auf der Kandidatur in seinem Stimmkreis beharrt, war aber im Dezember 2024 nach Vorwürfen des Kokainkonsums zurückgetreten. Sein Ersatzkandidat Thomas Vaupel verlor nun gegen CDU-Wirtschaftspolitiker Mathias Middelberg.

Lauterbach wiedergewählt – Schwere Schlappe für Faeser

Wiedergewählt wurde auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Sein Erststimmenanteil von 32,7 Prozent war zwar deutlich geringer als noch 2021. Dennoch reichte es mit deutlichem Vorsprung für das Direktmandat. Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil setzte sich in Gifhorn-Peine recht mühelos durch.

Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt schaffte es hingegen nicht, dem Grünen Till Steffen das Direktmandat in Hamburg-Eimsbüttel streitig zu machen. Eine deutliche Schlappe musste Bundesinnenministerin Nancy Faeser verbuchen: Sie kam im Wahlkreis Main-Taunus nur auf 17,2 Prozent – 22 Prozentpunkte weniger als Erststimmensieger Norbert Altenkamp (CDU).

Eine gewisse Genugtuung stellt es für die SPD dar, dass es ihr immerhin gelungen ist, keine Wahlkreise in Traditionsregionen wie Nordhessen oder dem Ruhrgebiet an die AfD zu verlieren. Dies hatte Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz den Sozialdemokraten in Aussicht gestellt.

Am Ende hatten die Direktkandidaten der SPD jedoch selbst in westdeutschen AfD-Hoffnungsgebieten wie Gelsenkirchen, Duisburg II und Essen II mit Abständen zwischen sechs und acht Prozent die Nase vorn. Knapper wurde es in einigen Stimmkreisen im Saarland und in Rheinland-Pfalz. In Kaiserslautern betrug der Abstand auf die AfD bei den Erststimmen nur 2,5 Prozent, in Homburg kam der AfD-Erststimmenkandidat auf 23,4 Prozent.

Haldenwang nicht im nächsten Bundestag

CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz konnte sich im Hochsauerlandkreis deutlich gegen SPD-Kandidat Dirk Wiese durchsetzen. Der 2021 gescheiterte Kanzlerkandidat Armin Laschet holte in Aachen mit 32,3 Prozent ein zuvor an die Grünen gegangenes Direktmandat für die CDU zurück.

Der bekannte Virologe Hendrik Streeck eroberte erstmals seit 1998 den Wahlkreis Bonn für die Union zurück. Für die CDU ist dies besonders prestigeträchtig, da Altkanzler Konrad Adenauer diesen einst gehalten hatte.

Demgegenüber scheiterte Ex-Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang in Wuppertal mit 24,3 Prozent deutlich an Helge Lindh (SPD), der auf 33,5 Prozent kam. Über die Landesliste war Haldenwang nicht abgesichert.

Maximilian Krah erkämpft sich Terrain in der AfD zurück

AfD-Bundessprecherin Alice Weidel kam im Wahlkreis Bodensee nur auf 20,4 Prozent. Damit scheiterte sie deutlich an Volker Mayer-Lay (CDU), der auf 40 Prozent der Stimmen kam. Der Wahlkreis galt bereits in früheren Zeiten, als die Republikaner in Baden-Württemberg Achtungserfolge verbuchen konnten, als schwierig für die Rechte. Weidel war jedoch über die Landesliste abgesichert.

Mit Alexander Gauland gelingt einem Gründungsmitglied der AfD der Wiedereinzug in den Bundestag. Er setzte sich in Chemnitz mit 32,2 Prozent der Erststimmen durch. Im Nachbarstimmkreis Chemnitzer Umland – Erzgebirgskreis II kam Maximilian Krah mit noch deutlicherer Mehrheit (44,2 Prozent) durch.

Krah, in dessen Europabüro Chinas KP-Regime mutmaßlich einen Spion eingeschleust hatte, wurde vom Bundesvorstand seiner Partei aus dem EU-Wahlkampf verbannt. Die Fraktion im EU-Parlament hat ihn nicht aufgenommen. Bereits in der vorangegangenen Legislaturperiode des EU-Parlaments hatten parteiinterne Rivalen versucht, Krah auszubooten. Sein Einzug in den Bundestag stellt für ihn damit einen wichtigen persönlichen Erfolg dar.

Gleich sechs Direktmandate für die Linkspartei

Kein Glück mit ihrer Erststimmenstrategie hatten die Freien Wähler. In keinem ihrer Hoffnungsgebiete in Bayern konnte die Partei von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger auch nur in die Nähe eines Direktmandats gelangen. FDP-Chef Christian Lindner kam im Rheinisch-Bergischen Kreis nur auf 4,9 Prozent der Erststimmen – ihn gewann Caroline Bosbach (CDU).

Demgegenüber konnte die Linkspartei gleich sechs Direktmandate holen. In Berlin gewannen Altstar Gregor Gysi (Treptow-Köpenick), Parteichefin Ines Schwerdtner (Lichtenberg), Pascal Meiser (Friedrichshain-Kreuzberg – Prenzlauer Berg Ost) und Ferat Kocak (Neukölln) ihre Stimmkreise. Zugleich verteidigte die Linke auch das Wahlkreismandat von Sören Pellmann in Leipzig II. Zudem wurde Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow in Erfurt – Weimar – Weimarer Land II gewählt. Mit 8,8 Prozent der Zweitstimmen schaffte die Linke jedoch auch mühelos die Fünf-Prozent-Hürde.

Insgesamt kam die CDU bundesweit auf 143 Direktmandate, die CSU auf 47, die AfD auf 46, die SPD auf 45, die Grünen auf 12 und die Linkspartei auf sechs.

 



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