Scholz und Frankreichs Premierminister uneins mit Blick auf Mercosur

Kanzler Scholz und Frankreichs neuer Premier wollen auf Zusammenarbeit setzen. Doch nicht bei allen Themen sind sie sich einig.
Titelbild
Bundeskanzler Olaf Scholz (r.) und der französische Ministerpräsident Gabriel Attal am 5. Februar 2024 bei einer gemeinsamen Pressekonferenz nach Gesprächen im Kanzleramt in Berlin.Foto: STEFANIE LOOS/AFP über Getty Images
Epoch Times6. Februar 2024

Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs neuer Premierminister Gabriel Attal haben die Bedeutung der Zusammenarbeit der beiden Länder vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen betont.

Die Fähigkeit, sich als Deutsche und Franzosen abzustimmen, sei angesichts des Durcheinanders in der Welt wichtiger denn je, sagte Attal bei seinem Antrittsbesuch in Berlin mit Verweis auf die Kriege in der Ukraine und in Nahost. Angesichts der Differenzen betonte Attal nach einem Gespräch mit Scholz: „Meine Überzeugung ist, dass das, was uns eint, viel stärker ist als das, was uns trennt.“

Für Frankreich stimmen bei Mercosur die Bedingungen nicht

Deutschland und Frankreich sind sich mit Blick auf das von der EU ausgehandelte Freihandelsabkommen mit den lateinamerikanischen Mercosur-Staaten weiterhin uneins.

Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seinen Wunsch bekräftigte, das Abkommen bald in Kraft zu setzen, bezeichnete Frankreichs Premierminister Gabriel Attal es erneut als unausgereift. Dieses Abkommen habe eine „geostrategische Bedeutung“, betonte Scholz nach seinem Treffen mit Attal am Montag in Berlin.

Man könne sich nicht „auf der einen Seite darüber beklagen, dass der Einfluss Europas abnimmt, (…) und auf der anderen Seite keine Wege finden, über gute wirtschaftlichen Beziehungen die Wachstumsperspektiven unseres Kontinents zu verbessern“, betonte der Bundeskanzler. Die Verhandlungen mit den Mercosur-Staaten dauerten schon 20 Jahre, da sei es wünschenswert, dass sie bald zum Abschluss kämen, fügte er hinzu.

Der französische Premierminister hingegen bekräftigte die Ablehnung seines Landes, „weil die Bedingungen nicht stimmen“. Es dürfe nicht sein, dass Europa bestimmte Produktionsweisen verbiete, dann aber Produkte importiere, die auf diese Weise hergestellt seien.

„Das nennt sich unlautere Konkurrenz“, sagte Attal. „Es kann passieren, dass wir uns nicht einig sind, und da stehen wir auch zu“, sagte er an Scholz gerichtet.

Ukraine-Hilfen

Attal verteidigte sich gegen die jüngste indirekte Kritik des Bundeskanzlers an der in Europa ungleich verteilten Last der Ukraine-Hilfen. „Unser Engagement wird sich ausweiten, aber es geht nicht nur um die Höhe der Finanzmittel, sondern auch um die Qualität der Rüstungsgüter“, sagte Attal. Frankreich schicke „Material der jüngsten Generation“ in die Ukraine, betonte er. Frankreich habe bereits Marschflugkörper vom Typ Scalp geliefert. Scholz will die noch leistungsfähigeren deutschen Taurus-Raketen dagegen nicht an die Ukraine abgeben.

Scholz bekräftigte seinerseits, dass er weiter dafür werbe, „dass die USA und alle Mitgliedstaaten in Europa einen so großen Beitrag leisten, dass die Rechnung des russischen Präsidenten nicht aufgeht“. Kremlchef Wladimir Putin wolle die Sache aussitzen. „Er hofft, dass wir irgendwann einfach nicht mehr weitermachen“, sagte Scholz. Dazu werde es jedoch nicht kommen.

In der vergangenen Woche hatte Scholz beim Gipfel in Brüssel die EU-Partner dazu gedrängt, mehr Militärhilfe für die Ukraine zu leisten. Der Appell richtete sich vor allem an wirtschaftsstarke Länder wie Italien, Spanien und Frankreich.

Zuversicht bei gemeinsamen Rüstungsprojekt

Optimistisch zeigten sich die beiden Politiker bei den gemeinsamen Rüstungsvorhaben. Mit Blick auf das künftige Luftkampfsystem FCAS und das Kampfpanzerprojekt MGCS sagte Scholz: „Ich will ausdrücklich sagen, dass ich beide Projekte auf gutem Weg sehe und auch finde, dass die Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern dort sehr intensiv ist.“ Auch Attal sagte, er glaube an die Fähigkeit, bei beiden Projekten voranzukommen. „Ich glaube, dass es einen uneingeschränkten Willen unserer beiden Länder gibt und vor allem ein absolutes Interesse, das durch die Rückkehr des Krieges auf den europäischen Kontinent verstärkt wird.“

Scholz sagte auch, er habe erst vor kurzem gesehen, welche Fortschritte bei FCAS gemacht würden. „Deshalb ist mein Eindruck eher ein zuversichtlicher, dass dieses große Projekt, das wir brauchen werden für unsere gemeinsame Zukunft, auch erfolgreich sein wird.“

Das Bodenkampfsystem Main Ground Combat System (MGCS) ist als Nachfolger der Leopard- und Leclerc-Panzer beider Länder gedacht und soll im Laufe des kommenden Jahrzehnts einsatzfähig sein. Das Luftkampfsystem FCAS soll von 2040 an einsatzfähig sein und den Eurofighter ablösen. Es soll im Verbund mit unbewaffneten und bewaffneten Drohnen fliegen und ist insofern mehr als ein Kampfflugzeug. Auch Spanien ist seit 2019 an dem Projekt beteiligt.

Attal ruft zum kulturellen Austausch auf

Kurz vor seinem Antrittsbesuch bei Scholz hatte Attal zum verstärkten kulturellen Austausch zwischen Frankreich und Deutschland und zum Erlernen der jeweiligen Partnersprache aufgerufen. „Das müssen wir weiterhin pflegen“, sagte er vor Vertretern der in Deutschland lebenden Französinnen und Franzosen. „Vielleicht hat meine Generation den Preis und das Gewicht der deutsch-französischen Freundschaft manchmal vergessen“, sagte der 34-Jährige.

„Die Stärke Europas misst sich an der Festigkeit der deutsch-französischen Freundschaft“, betonte er. Die Populisten warteten nur darauf, dass sich beide Länder uneins seien. „Sie liegen auf der Lauer, um die geringsten Differenzen zwischen uns auszunutzen, um niedere Instinkte zu bedienen und Europa zu schädigen“, sagte er.

Er habe sich bewusst für Deutschland als Ziel seiner ersten Auslandsreise entschieden. „Ich werde mich immer weigern, eine Schwächung der deutsch-französischen Freundschaft hinzunehmen“, betonte er.

Misstrauensantrag gegen Attal

Attal hatte am Vormittag in der Pariser Nationalversammlung seine erste Vertrauensabstimmung überstanden. Die linkspopulistische Partei La France Insoumise (LFI) hatte den Schritt damit begründet, dass sie die Bevölkerung vor höheren Strom- und Medikamentenpreisen sowie der Verringerung des Arbeitslosengeldes „schützen“ wolle. Attals Vorgängerin Elisabeth Borne hatte während ihrer gut eineinhalbjährigen Amtszeit mehr als 30 Misstrauensanträge überstanden.

Attal ist mit 34 Jahren der jüngste Politiker auf diesem Posten und der erste, der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt. Sein Ex-Partner Stéphane Séjourné ist Außenminister. Präsident Emmanuel Macron wollte mit der Regierungsumbildung nach dem umstrittenen Einwanderungsgesetz ein neues Kapitel aufschlagen. (afp/dpa/red)



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