Scholz beruft Industriegipfel ein, ohne vorher Wirtschafts- und Finanzminister zu informieren

Am 29. Oktober veranstalten der Kanzler und die FDP Wirtschaftstreffen, allerdings getrennt. Die Wirtschaft hat eine klare Erwartung an die Ampel. Unionsfraktionschef Merz warnt: Die Regierung sei faktisch nicht mehr handlungsfähig.
Die deutsche Wirtschaft verlangt von der Bundesregierung eine Senkung der Energiekosten für alle Unternehmen und nicht nur für die Industrie. (Archivfoto)
Die deutsche Wirtschaft verlangt von der Bundesregierung eine Senkung der Energiekosten für alle Unternehmen und nicht nur für die Industrie.Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa
Epoch Times28. Oktober 2024

Aktuell streitet die Koalition über die Wirtschaftspolitik. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat für Dienstag zu einem Industriegipfel im Kanzleramt eingeladen. Allerdings bleiben Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) außen vor.

Die FDP-Fraktion – mit Lindner als Gast – will sich am selben Tag ihrerseits mit Wirtschaftsvertretern treffen. Habeck wiederum schlug nach Scholz‘ Ankündigung einen schuldenfinanzierten „Deutschlandfonds“ vor, mit dem Investitionen gefördert werden sollen.

Merz bezeichnete es in der ARD als „Kindergartenspiele“, dass die Koalitionäre ihre wirtschaftspolitischen Vorstöße vor Verkündung nicht untereinander abgestimmt hatten.

„Dass der Bundeskanzler in einer Regierungserklärung einen solchen Industriegipfel ankündigt, ohne vorher den Wirtschaftsminister und den Finanzminister einbezogen zu haben in die Vorbereitung eines solchen Gipfels, ist für sich genommen ein Vorgang, der bezeichnend ist für den Zustand der Bundesregierung“, sagte der Unionskanzlerkandidat.

Merz sieht Ampel-Regierung am Ende

Die Regierung sei faktisch nicht mehr handlungsfähig, sagte Merz. „Sie ist am Ende, und das werden wir in den nächsten Tagen auch noch mal durch diese Gipfel und wie sie alle heißen eindrucksvoll bestätigt bekommen. Da geht leider nichts mehr.“

Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder attestierte Kanzler Scholz Hilflosigkeit. „Der Kanzler wirkt sehr hilflos, durchsetzungsschwach und wird durch das illoyale Verhalten der Koalitionspartner regelrecht vorgeführt“, sagte der Politik-Professor von der Universität Kassel, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

„Scholz delegitimiert sich dadurch auch für jeden Wahlkampf. Wie will man Durchsetzungsstärke demonstrieren, wenn man sich im Stundentakt von den eigenen Koalitionspartnern vorführen lässt?“

SPD, Grüne und FDP seien als Fortschrittskoalition gestartet, sagte Schroeder weiter. „Man wollte es besser machen als die erstarrte große Koalition zuvor. Das, was wir jetzt erleben, ist jedoch ein Zustand kompletter Zerrüttung, Kommunikationsunfähigkeit und eines Vorgehens, bei dem jeder nur noch schaut, wie er für sich selbst am besten aus dieser Konstellation herauskommen kann.“

DIHK fordert Senkung der Energiekosten für alle Unternehmen

Die deutsche Wirtschaft hat ihre Erwartungen an die für Dienstag geplanten Wirtschaftstreffen der Ampel-Koalitionäre formuliert. Sie verlangt von der Bundesregierung eine Senkung der Energiekosten für alle Unternehmen und nicht nur für die Industrie.

„Eine zentrale Aufgabe für die Politik besteht darin, für die Breite der Unternehmen eine dauerhaft stabile wie wettbewerbsfähige Energieversorgung zu sichern“, sagte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, der „Rheinischen Post“.

DIHK-Präsident Adrian nannte als ersten wichtigen Schritt zur Entlastung bei Energiepreisen „die von uns vorgeschlagene Übernahme der Netzentgelte durch den Klima- und Transformationsfonds“. Nötig seien aber weitere Schritte, um das konkrete Angebot an Energie für die Zukunft zu verbessern.

Bisherige Regierungsmaßnahmen zu bürokratisch oder nur für wenige Großbetriebe

Bisherige Maßnahmen der Bundesregierung seien entweder zu bürokratisch oder kämen nur wenigen Großbetrieben zugute, kritisierte der DIHK-Chef.

Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr beschlossen, die Stromsteuer für das produzierende Gewerbe auf das europarechtlich mögliche Minimum zu senken. Für besonders energieintensive Unternehmen gibt es weitere Erleichterungen bei den Energiekosten.

Zudem bekräftigte er seine Forderungen nach weniger Bürokratie und schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren. Hier kritisierte er, dass bisherige Maßnahmen zur Beschleunigung den erneuerbaren Energien vorbehalten seien. „Wir dürfen dabei die Industrie nicht länger schlechter stellen als Windräder oder Elektrolyseure“, sagte er der „RP“.

Die DIHK nimmt am Dienstag am „Wirtschaftsgipfel“ von Finanzminister Lindner teil. Dabei sollen mögliche Entlastungen vor allem für den Mittelstand erörtert werden. Kanzler Scholz hat ebenfalls für Dienstag zu einem „Industriegipfel“ nur Vertreter großer Unternehmen und Gewerkschaften geladen, was bei Mittelstand und Handwerk auf Unmut traf.

„Es muss konkret in den Betrieben ankommen, dass es wirklich einfacher wird im Alltag – nicht nur in Sonntagsreden oder theoretisch im Gesetzblatt“, sagte Adrian. (dpa/afp/red)

 



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