Scholz reist zu „Zeitenwende“-Gesprächen nach Prag
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) tritt am Montag vor Studenten der altehrwürdigen Prager Karls-Universität. Dann werden sich viele Augen in Europa auf ihn richten. Von dem deutschen Regierungschef werden Anstöße zu der viel beschworenen „Zeitenwende“ und ihren Auswirkungen auf die Europäische Union erwartet. Die EU-Außen- und Verteidigungsminister befassen sich dann ab Dienstag in Prag mit den Konsequenzen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.
Vor fast fünf Jahren hielt der französische Präsident Emmanuel Macron eine Grundsatz-Rede an der Pariser Sorbonne-Universität. Nun darf sich auch Scholz an ein gelehrtes Publikum wenden. Macrons damalige Forderung nach einem von Großmächten unabhängigen Europa hat durch den Krieg neue Dringlichkeit erhalten.
„Europapolitische Standortbestimmung“
Scholz will mit seiner Rede im Land des amtierenden EU-Ratsvorsitzenden Tschechien eine „europapolitische Standortbestimmung“ vornehmen. Das sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. Der Koalitionsvertrag sieht zur Stärkung der EU unter anderem eine Abkehr vom Prinzip der Einstimmigkeit in der Außenpolitik vor. Wegen ungarischer Bedenken mussten die anderen 26 Mitgliedsländer etwa die Sanktionen gegen Russland abschwächen.
In den Gesprächen des Bundeskanzlers mit der tschechischen Regierung dürfte es zudem um die Finalisierung des in Berlin erdachten Panzer-Ringtauschs gehen. Nach Angaben aus dem Bundesverteidigungsministerium will Prag 20 Panzer sowjetischer Bauart an die Ukraine liefern. Deutschland will die tschechischen Bestände im Gegenzug mit 15 modernen Panzern auffüllen – 14 Leopard-2-Kampfpanzern sowie einem Bergepanzer.
Wie die Ukraine weiter unterstützt werden kann, ist ab Dienstag in Prag zudem Thema beim informellen Treffen der Außen- und Verteidigungsminister der EU. Auf dem Tisch liegt ein Vorstoß des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell für eine gemeinsame militärische Ausbildungsmission für die Ukraine.
Der russische Präsident Wladimir Putin setzt den Ukraine-Krieg fort. Daher müsse die EU „den Druck durch die Sanktionen fortsetzen und die ukrainischen Streitkräfte wieder aufbauen.“ Das sagte Borrell der Nachrichtenagentur AFP. „Wir müssen der Ukraine eine Unterstützung geben, die über die Lieferung von Waffen hinausgeht“, betont der Beauftragte für Außen- und Sicherheitsfragen.
Bisher 2,5 Mrd. Euro für die Ukraine
Seit Beginn der russischen Offensive vor gut sechs Monaten hat die EU 2,5 Milliarden Euro bereitgestellt. Damit haben die EU-Länder gemeinsam Waffen und Ausrüstung an die Ukraine geliefert – ein Novum für die „Friedensgemeinschaft“.
Braucht es nun auch eine militärische EU-Ausbildungsmission, womöglich sogar in der Ukraine? Bisher fehlte dafür laut Medienberichten Unterstützung aus Berlin und Rom. Um eine Verwicklung in den russischen Angriffskrieg zu vermeiden, bilden Deutschland und andere EU-Staaten ukrainische Soldaten auf ihrem eigenen Staatsgebiet aus.
Mit einem hochemotionalen Thema befassen sich ab Dienstagnachmittag zudem die EU-Außenminister in Prag. Es geht um den von Estland, Lettland und Finnland geforderten Einreisestopp für russische Urlauber.
„Russische Touristen sollten nicht mehr in die EU kommen, bis die russische Aggression gegen die Ukraine endet“, fordert die estnische Regierungschefin Kaja Kallas als Wortführerin der Gruppe. Das sei eine Frage „moralischer Klarheit“, schrieb sie am Donnerstag auf Twitter.
Auch bei deutschen Politikern findet die Idee Anhänger. Es sei „schwer vorstellbar, dass wir gleichzeitig Flüchtlinge aus der Ukraine haben und Russen, die hier das Leben genießen.“ So die Aussage des Vorsitzenden der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU), der ARD über russische Touristen am Tegernsee oder auf Sylt.
Eher zurückhaltend hatte sich Kanzler Scholz Mitte August zu dem Thema geäußert. Er tue sich mit einem allgemeinen Einreiseverbot für Russen sehr schwer, da es „Putins Krieg“ sei. Ein genereller Visa-Bann würde dagegen auch „ganz Unschuldige“ treffen, betonte Scholz. (afp/mf)
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