Scholz im Interview: Wir werden den Sozialstaat verteidigen – Bürgergeld „treffsicherer“ machen

Bundeskanzler Olaf Scholz traf sich mit der ARD zum traditionellen Sommerinterview. Kürzungen am Sozialstaat weist der Kanzler zurück, ein AfD-Ministerpräsident nach der Wahl „wäre sehr bedrückend“.
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Olaf Scholz im Sommerinterview der ARD, 23. Juni 2024, Berlin.Foto: Maryam Majd/Getty Images
Epoch Times23. Juni 2024

Im Streit um die Haushaltsverhandlungen hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Kritik an Kürzungen im Sozialbereich zurückgewiesen. „Wir werden den Sozialstaat verteidigen und wir werden ihn auch entwickeln“, sagte er am Sonntag im ARD-Sommerinterview.

Das sei im Übrigen auch gemacht worden und es habe viele Verbesserungen gegeben, sagte Scholz und nannte etwa die Erhöhung des Mindestlohns und des Kindergelds sowie die stabile Rente.

AfD-Ministerpräsident

Scholz setzt darauf, dass es nach den Landtagswahlen im Osten keinen Ministerpräsidenten von der AfD geben wird. Ein AfD-Regierungschef „wäre sehr bedrückend“, sagte Scholz . Er sei aber „ganz zuversichtlich“, dass bei den nächsten Wahlen, wo es um die Regierung gehe, die anderen Parteien neben der AfD die Mehrheit in den Landtagen haben werden.

In Thüringen und Sachsen werden am 1. September neue Landtage gewählt, in Brandenburg wird am 22. September abgestimmt. In Umfragen liegt die AfD in allen drei Ländern vorn, wenn teilweise auch knapp. In Brandenburg lag die SPD zuletzt zusammen mit der CDU auf dem zweiten Platz, in Thüringen und Sachsen ist sie aktuell nur einstellig.

Dass die SPD im Osten teilweise bei nur sieben Prozent liegt, kommentierte Scholz mit den Worten: „Da ist was los.“ Da könne man „nicht drumherum reden“.

Viele Menschen seien mit der Unterstützung der Ukraine und den Sanktionen gegen Russland nicht einverstanden. „Das schlägt sich auch in Wahlergebnissen nieder“, sagte Scholz in der ARD. Es gebe aber „nicht die Alternative, dass wir das ändern“. Darüber müsse im Osten und im Westen Deutschlands diskutiert werden.

Corona-Aufarbeitung

Bundeskanzler Olaf Scholz befürwortet eine Aufarbeitung der Corona-Politik in Deutschland. Am sympathischsten sei ihm der Vorschlag, Bürgerräte sich damit beschäftigen zu lassen.

Dann seien nicht nur Experten und Abgeordnete dabei, sondern auch Bürger. „Das finde ich nicht schlecht.“ Als „gutes Experiment“ des Bundestags habe das schon einmal geklappt.

Scholz machte deutlich, wenn man sich nachträglich die Bilanz anschaue, „dann haben wir in Deutschland die Schulen mehr geschlossen als in anderen Ländern, und das war sicherlich nicht die richtige Entscheidung.“

Bürgergeld

Scholz erklärte, die „Treffsicherheit“ des Bürgergeldes erhöhen zu wollen. Es gehe darum, dass „niemand sich drücken kann, dass man mitarbeitet, um die eigene Arbeitslosigkeit zu überwinden“, sagte er.

„Das muss gewährleistet sein.“ Für ihn gehöre auch hinzu, dass man verhindere, dass jemand arbeitet, sein Einkommen verschweigt und dann noch gleichzeitig Bürgergeld bezieht.

„Deshalb haben wir die Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll ausgebaut und werden da auch noch klare Gesetzesverschärfungen beschließen“, so der Kanzler. Weitere Details nannte er dazu nicht.

Olaf Scholz spricht mit dem deutschen Fernsehjournalisten Markus Preiss während der Aufzeichnung des traditionellen Sommerinterviews der ARD in Berlin, Deutschland, am 23. Juni 2024. ) Foto: Ralf Hirschberger/AFP via Getty Images

Insgesamt verteidigte der SPD-Politiker das Bürgergeld aber: Es sei eine Leistung, „die es immer schon gegeben hat für diejenigen, die arbeitslos sind und kein eigenes Einkommen haben“. Gegen Bezieher, die sich immer wieder weigern, Jobs anzunehmen, habe die Regierung zudem bereits härtere Sanktionen möglich gemacht, so Scholz.

Im Bundestag wird entschieden

Über den Bundeshaushalt werde ansonsten im Bundestag entschieden „und das ist auch der richtige Ort, solche Debatten zu führen“, sagte der Kanzler weiter.

Die SPD-Linke hatte zuvor den Druck auf Scholz erhöht: Die linke Gruppierung Forum DL21 reichte am Freitagnachmittag mit Unterstützung der Nachwuchsorganisation Jusos und der Senioren-Arbeitsgemeinschaft 60 plus ein Mitgliederbegehren beim SPD-Parteivorstand ein.

Die Initiatoren lehnen darin Kürzungen in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie, Bildung, Demokratie und Entwicklungszusammenarbeit entschieden ab.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz vor seinem Sommerinterview mit der ARD am 23. Juni 2024 in Berlin, Deutschland. Foto: Maryam Majd/Getty Images

Der Haushaltsplan für das kommende Jahr soll am 3. Juli im Bundeskabinett verabschiedet werden. Angesichts eines Haushaltslochs von rund 25 Milliarden Euro verlangt Finanzminister Christian Lindner (FDP) aber deutliche Kürzungen in den Budgets mehrerer Ministerien, vor allem des Sozialressorts.

Haushalt

Scholz zeigte sich im Gespräch mit der ARD „zuversichtlich, dass wir den Haushalt im Juli auf den Weg bringen“. Was die einzelnen Haushalte betreffe, „darüber reden wir sehr konstruktiv“, sagte der Kanzler und fügte mit Blick auf Einsparungen hinzu: „Wir müssen mit dem Geld auskommen, das wir haben, daran führt nun mal kein Weg vorbei.“

Dass so viel Geld für die Ukraine angesichts des russischen Kriegs ausgegeben werde, sei „eine Herausforderung für den Haushalt“, sagte Scholz außerdem.

Es gehe aber nun zunächst darum, „mit den normalen Maßstäben einen Haushalt aufzustellen“, sagte er auf die Frage nach einer möglichen Notlage wegen des Ukraine-Kriegs, die Raum für mehr Verschuldung erlauben würde. „Alle anderen Fragen stellen sich nicht jetzt.“

Wahl in Frankreich

Angesichts der Erfolge rechter Parteien bei der Europawahl besorgt über die anstehende Parlamentswahl in Frankreich geäußert. „Ich mache mir Sorgen wegen der Wahlen in Frankreich“, sagte Scholz. Er hoffe, „dass Parteien, die nicht Le Pen sind, um es so zu sagen, erfolgreich sind bei der Wahl“, sagte Scholz mit Verweis auf die Partei Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen.

Zwar werde er als Regierungschef unabhängig vom Wahlausgang weiter den französischen Präsidenten Emmanuel Macron sehen, sagte der Bundeskanzler. „Trotzdem wäre es eine Veränderung“, gab er hinsichtlich eines möglichen RN-Sieges bei der vorgezogenen Parlamentswahl am 30. Juni und 7. Juli zu bedenken.

Dass es „noch viel dramatischere Ergebnisse bei den Europawahlen in einigen anderen Ländern gegeben hat, bedrückt mich mindestens so viel wie das Ergebnis, was wir hier in Deutschland verzeichnet haben“. Scholz‘ SPD hatte ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Europawahl eingefahren.

(afp/dts/red)



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