Schnelle Hilfe – Was Patienten künftig im Notfall tun müssen
Mit der Reform der Notfallversorgung in Deutschland soll sich für Patienten einiges ändern. Bei akuten Beschwerden ist heute die Notaufnahme vor allem am Wochenende oder abends die erste Anlaufstelle für viele. Künftig sollen die Notfallpatienten besser durch den Gesundheitsdschungel gesteuert werden.
Nach dem für heute geplanten Kabinettsbeschluss soll die Reform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Parlament beraten werden.
Wo soll man sich künftig im Akutfall hinwenden?
Zwei Neuerungen werden dafür eingeführt: In Akutleitstellen sollen Patienten unter einer bundesweiten Nummer eine Ersteinschätzung zum weiteren Vorgehen bekommen. Erreichbar sind sie unter 116 117.
Bundesweit sollen zudem sogenannte integrierte Notfallzentren in der Regie von Kliniken aufgebaut werden, an manchen Standorten auch für Kinder und Jugendliche. In den Notfallzentren ist die Notfallaufnahme des Krankenhauses mit einer Notdienstpraxis kombiniert.
Bei der 116 117 soll man in 75 Prozent der Fälle nach spätestens drei Minuten eine Ersteinschätzung bekommen, sonst soll es nur wenig länger dauern. Patienten können von den Fachleuten am Telefon ins nächste Notfallzentrum geschickt werden. Stellt sich der Fall als Notfall heraus, soll er sofort auf die 112 weitergeleitet werden, so dass ein Krankenwagen anrücken kann.
Telemedizin-Ärzte können für eine Einschätzung direkt zugeschaltet werden. Die Telefon-Beratung soll nach der Erwartung der Regierung unnötige Besuche in Rettungsstellen verhindern. Verknüpft werden die Akutleit- mit den Terminservicestellen: Arztbesuche können dann direkt am Telefon in die Wege geleitet werden. Wer über die 116 117 im Notfallzentrum landet, soll dort schneller drankommen.
Was ist das Besondere an den Notfallzentren?
Lauterbachs erklärtes Ziel ist, dass Patienten dort behandelt werden sollen, wo es am besten und schnellsten geht. Die integrierten Notfallzentren (INZ) sollen so im Land verteilt werden, dass mindestens eines stets gut erreichbar ist. Die Öffnungszeiten der angeschlossenen Notdienstpraxen: abends immer bis 21 Uhr – auch an Wochenenden und Feiertagen.
Der Arzt kann telefonisch oder per Video einen Praxis- oder Klinikbesuch als nicht nötig erachten. In so einem Fall soll auch ein elektronisches Rezept oder eine elektronische Krankschreibung ausgestellt werden können.
Jeder Dritte in einer Notaufnahme wäre nach Einschätzung des Gesundheitsministeriums in einer Praxis besser aufgehoben. Das liegt auch daran, dass viele schlicht nicht wissen, was sie tun sollen, wenn sie nachts oder am Wochenende plötzlich medizinische Hilfe brauchen. Viele landen beim Rettungsdienst und schließlich erstmal stationär im Krankenhaus.
Ärzte warnen vor der Reform, Krankenkassen loben die Vorschläge
Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband warnte vor einem Scheitern der Reform – denn es fehle am nötigen Personal, außerdem sollten „Parallelstrukturen“ aufgebaut werden. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) lobte positive Ansätze. Die KBV zweifelt an der vollen Umsetzbarkeit mangels Personal – etwa auch für die ebenfalls vorgesehene Ausweitung von Hausbesuchen.
Die Krankenkassen lobten die Vorschläge – Stefanie Stoff-Ahnis, Vize-Chefin des GKV-Spitzenverbandes, sagte: „Das Notfallgesetz enthält viele richtige Ansatzpunkte, um die Versorgung unserer Versicherten zu verbessern.“
Eine Mahnung an Lauterbach haben die Kassen auch parat: Die Kassenärztlichen Vereinigungen dürften nicht vor unlösbare Personalprobleme gestellt werden. Als neue Transparenz begrüßte Stoff-Ahnis die geplante Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigungen, im Internet bundesweit einheitlich über Sprechstundenzeiten der Ärzte zu informieren.
Welche Gesetze hat Lauterbach noch im Kabinett?
Mehrere Vorlagen aus dem Gesundheitsressort soll die Ministerrunde an diesem Mittwoch beschließen. Anders als heute sollen künftig Nierenspenden auch zwischen zwei Paaren überkreuz möglich sein.
Um die Vorbeugung von Krankheiten zu stärken, soll am 1. Januar 2025 eine neue Bundesbehörde an den Start gehen, das Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM). Teile des Robert Koch-Instituts sowie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sollen darin aufgehen.
Und um die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben, soll die dafür bestehende gematik zu einer Digitalagentur ausgebaut werden.
Die Gematik GmbH ist die nationale Agentur für digitale Medizin in Deutschland, die für die Einführung, Pflege und Weiterentwicklung der elektronischen Gesundheitskarte und der Telematikinfrastruktur im deutschen Gesundheitswesen verantwortlich ist. Das Bundesministerium für Gesundheit hält 51 Prozent der Anteile. Die Gematik hat eine geschäftliche Verbindung mit Bertelsmann, insbesondere durch die Zusammenarbeit mit dem IT-Partner Arvato Systems, einer Tochtergesellschaft des Bertelsmann-Konzerns. (dpa/red)
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