Schlechter Gesundheitszustand: Prozess gegen Ex-Warburg-Chef Olearius droht das Aus

Der Prozess gegen den ehemaligen Warburg-Bankchef Christian Olearius, prominentester Angeklagter im Cum-Ex-Skandal mit einem Schaden von fast 280 Millionen Euro, könnte wegen seines schlechten Gesundheitszustands platzen.
Der angeklagte Bankier Christian Olearius (2.v.l) ist persönlich haftender Gesellschafter der Privatbank M.M. Warburg.
Der angeklagte Chef der Privatbank Warburg, Christian Olearius (2. v. l), kann auf die Einstellung des Prozesses hoffen.Foto: Thomas Banneyer/dpa
Von 17. Juni 2024

Mit Spannung war im September letzten Jahres der Prozess gegen den ehemaligen Vorstandschef der Hamburger Privatbank Warburg, Christian Olearius, vor dem Landgericht Bonn erwartet worden. Der inzwischen 82-jährige Banker gilt als der prominenteste Angeklagte im sogenannten Cum-Ex-Skandal.

Die Kölner Staatsanwaltschaft wirft dem Banker Steuerhinterziehung in 14 Fällen vor. Der Schaden für den Staat soll laut den Anklägern bei knapp 280 Millionen Euro liegen. Detailliert habe sich der Angeklagte mit den Strategien des Bankhauses Warburg befasst und auch Cum-Ex-Geschäfte abgesegnet. So sieht es zumindest die Staatsanwaltschaft. 

Wegen Gesundheitszustand Prozess unzumutbar

Wie das „Handelsblatt“ nun berichtet, könnte der Prozess gegen Christian Olearius platzen. Der Grund: Der 82-Jährige führt vor Gericht an, gesundheitlich angeschlagen zu sein. Dazu liegt dem Gericht ein ärztliches Gutachten der Rechtsmedizin der Universität zu Köln vor. Vor allem sein Bluthochdruck mache ihm zu schaffen, so schreibt das „Handelsblatt“. 

Dem Gutachten zufolge sei der Angeklagte Olearius in einem so schlechten Gesundheitszustand, dass in Zukunft die Verhandlungstage maximal 45 Minuten dauern dürften. Die noch ausstehenden Beweisaufnahmen würden nach Schätzung der Staatsanwaltschaft unter diesen Umständen bis zu 120 Verhandlungstage dauern. Angesichts der gesundheitlichen Risiken wäre ein solcher Verhandlungsmarathon aus Sicht der Staatsanwaltschaft dem Angeklagten nicht zuzumuten. Die Strafverfolgungsbehörde hat deshalb beim Gericht die Einstellung des Verfahrens wegen dauerhafter Verhandlungsunfähigkeit beantragt. 

Olearius soll 43 Millionen Euro zahlen

Weiter hat die Staatsanwaltschaft beantragt, das Verfahren in ein sogenanntes Einziehungsverfahren überzuleiten und die Einziehung von Erträgen aus Straftaten von rund 43 Millionen Euro anzuordnen. Würde das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft stattgeben, dann würde die Frage nach der persönlichen Schuld von Christian Olearius nicht länger Gegenstand der Verhandlungen sein. Der Angeklagte müsste dann auch nicht mehr persönlich vor Gericht erscheinen. 

Am vergangenen Freitag machte Staatsanwältin Stephanie Kerkering am Verhandlungstag vor dem Landgericht in Bonn gegen Olearius deutlich, dass das Verfahren aus Sicht der Behörde unbedingt fortgesetzt werden müsse, nur eben ohne den erkrankten Angeklagten. Vom Prozesstag hatte unter anderem das „Handelsblatt“ berichtet. Die Weiterführung der Verhandlung sei vor allem deshalb unbedingt notwendig, um zumindest die Profite abzuschöpfen, die der frühere Chef der Warburg-Bank mit illegalen Cum-Ex-Geschäften gemacht habe, betonte Kerkering am Freitag vor dem Bonner Landgericht. 

Die 43 Millionen Euro Steuerschulden der Warburg-Bank seien ein „exorbitant hoher Betrag“, argumentierte Kerkering weiter. Daher sei sie überzeugt, dass das Geld eingezogen werden müsse. 

Freispruch für Olearius

Die Verteidigung des Ex-Bankers sprach sich an diesem Tag gegen eine Weiterführung der Verhandlungen aus. „Unter Berücksichtigung der besonderen Verfahrenssituation“ dürfe unter keinen Umständen weiter gegen den Angeklagten verhandelt werden. Der Prozess sei einzustellen, da gravierende Verfahrenshindernisse wie “schwere Verstöße der staatlichen Seite gegen das Recht auf ein faires Verfahren“ vorliegen würden, argumentierten Olearius Verteidiger Klaus Landry, Peter Gauweiler, Bernd Schünemann und Rudolf Hübner.

Schon zu Beginn des Prozesses im letzten September hatten die Anwälte kritisiert, dass es im Vorfeld in der Öffentlichkeit zu einer „irreparablen Vorverurteilung“ des Mandanten gekommen sei. In einem Gerichtsurteil des Bonner Landgerichts gegen zwei britische Aktienhändler aus dem Jahr 2020 wurde Olearius als gesondert Verfolgter genannt. Die Verteidiger sehen darin eine gerichtliche Vorverurteilung. Der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ sei dadurch für diesen außer Kraft gesetzt worden.  

Weiter plädierte die Verteidigung auf Freispruch ihres Mandanten. Die Anklage beruhe etwa auf Falschaussagen eines zentralen Zeugen, so die Argumentation der Rechtsanwälte. Die Verteidigung beruft sich hierbei auf die Aussage des Leiters der Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS) beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), Michael Sell, vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft. Michael Sell war zum fraglichen Zeitpunkt Ministerialdirektor beim Bundesfinanzministerium und dort Abteilungsleiter der Abteilung Direkte Steuern.

Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss hatte laut Prüfauftrag zu klären, „warum der Hamburger Senat und die Hamburger Steuerverwaltung bereit waren, Steuern in Millionenhöhe mit Blick auf Cum-Ex-Geschäfte verjähren zu lassen und inwieweit es dabei zur Einflussnahme zugunsten der steuerpflichtigen Bank und zum Nachteil der Hamburgerinnen und Hamburger kam“. Ein erster Abschlussbericht wurde bereits vorgelegt. 

Widersprüche in Zeugenaussagen

Mitte Mai dieses Jahres gab der Verteidiger Olearius, Peter Gauweiler, vor dem Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft eine Erklärung seitens seines Mandanten ab. Diese thematisiert den aus seiner Sicht vorhandenen Widerspruch der im Untersuchungsausschuss von Sell gemachten Aussagen zur Darstellung des inzwischen verstorbenen ehemaligen Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) in dessen am 8. April 2024 erschienenen Autobiografie „Erinnerungen: Mein Leben in der Politik“.

Nachdem die Forderungen über 47 Millionen Euro an die Warburg-Bank, die die Hamburger Finanzbehörde verjähren ließ, damals unwiderruflich uneintreibbar waren, drohte 2017 auch die Verjährung weiterer 43 Millionen Euro Steuerschulden der Warburg-Bank. Damals wies das Bundesfinanzministerium die Hamburger Finanzbehörde an, die Steuerschuld nicht verjähren zu lassen.

Für die bisherigen Untersuchungen des Untersuchungsausschusses und den Zwischenbericht vom 28. Februar 2024 waren „namentlich der Inhalt und die Umstände des Zustandekommens der Weisung des Bundesministeriums der Finanzen gegenüber der Finanzbehörde Hamburg vom 08.11.2017 bzw. vom 01.12.2017 von maßgeblicher Bedeutung“, schreibt Gauweiler. Der vom Untersuchungsausschuss hierzu am 4. Februar 2022 befragte Zeuge Michael Sell habe diesbezüglich „ausdrücklich und auf wiederholte Nachfrage mehrfach bekundet, dass die Weisung ohne formelle oder informelle Absprache mit dem ihm dienstvorgesetzten Bundesfinanzminister zustande gekommen ist“, so Gauweiler weiter.

Dieser Aussage stünden laut dem Verteidiger Olearius nun Passagen aus der Autobiografie Schäubles gegenüber, die sich mit dem Cum-Ex-Skandal befassen. Gauweiler zitiert hier aus dem Kapitel „CUMEX UND CUMCUM“ wie folgt: 

„Zögerlich und mit unterschiedlichem Nachdruck haben die Steuerverwaltungen der Länder begonnen, aufzuarbeiten, wie groß der Steuerschaden für die Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden tatsächlich ist. Weil Rückforderungsansprüche verjähren, entstand dabei ein zusätzliches Problem, das durch die Zurückhaltung der Hamburger Finanzbehörden im Fall der an illegalen CumEx-Geschäften beteiligten Warburg Bank öffentlich bekannt wurde. Die Behörde, die zuvor bereits eine Rückforderung in die Verjährung hatte laufen lassen, musste ich als Bundesfinanzminister 2017 per Weisung dazu zwingen, 43 Millionen Euro zu Unrecht erstatteter Kapitalertragsteuern von der Privatbank kurz vor der Verjährung zurückzufordern – was den Verdacht begründet, dass in Hamburg jemand ein Interesse daran hatte, Warburg vor den Steuernachzahlungen und womöglich auch vor einer Strafe zu schützen.“ (Hervorhebung im Original)

Unübersehbar stehe nunmehr die „Darstellung des Bundesfinanzministers a. D. Dr. Schäuble, wonach die Weisung an die Finanzbehörde Hamburg unmittelbar von ihm veranlasst gewesen sei, in offenem unauflösbarem Widerspruch zur Aussage des Zeugen MD Michael Sell, der im Rahmen seiner Vernehmung am 04.02.2022 gegenüber dem PUA [Anm. d. Redaktion: Parlamentarischer Untersuchungsausschuss] behauptet hatte, es habe nicht nur keinerlei Weisung der politischen Spitze des Bundesfinanzministeriums gegeben, sondern dass er eine solche Einschaltung bewusst vermieden hätte“, heißt es in der Einlassung Gauweilers für seinen Mandanten weiter. „Es besteht damit der dringende Verdacht, dass der Zeuge Sell in seiner Vernehmung vom 04.02.2022 wahrheitswidrig ausgesagt hat.“

Gericht wird in zwei Fortsetzungsterminen entscheiden

Weiter, so die Verteidigung, sei ein separates Einziehungsverfahren, wie es die Staatsanwaltschaft beantragt, unzulässig, da die Warburg-Bank die zu Unrecht erstatteten Steuern inzwischen zurückgezahlt habe. Tatsächlich hat die Bank nach viel Widerstand inzwischen mehrere hundert Millionen Euro zu Unrecht ausgezahlte Steuererstattungen wieder an den Fiskus zurückgezahlt. 

Olearius hatte im Prozess bisher stets seine Unschuld beteuert und sich auf seine Unwissenheit berufen. „Ich habe weder wissentlich noch willentlich an strafbaren Cum-Ex-Geschäften mitgewirkt“, hatte er letztes Jahr in Bonn ausgesagt. Er sei vielmehr von legalen Aktienkaufverträgen ausgegangen. „Eine Schädigung des Staates lag mir fern.“

Das Gericht will nun noch zwei Fortsetzungstermine abhalten und über die Anträge zur Einstellung des Verfahrens entscheiden. 



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