„Schildbürgerstreich“ in Münster: Verschrottung von 1.200 Luftfilteranlagen in Schulen abgewendet

Das Tauziehen um die Entsorgung von Luftfilteranlagen der Münsteraner Schulen hat ein Ende. Zuvor hagelte es heftige Kritik, unter anderem von Dr. Jana Schroeder, Chefärztin des Instituts für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie an der münsterländischen Mathias-Stiftung.
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Im Winter 2020 galt die Stadt Münster als Vorreiterin im Infektionsschutz an Schulen. Jetzt sollen die Luftfilteranlagen an andere Nutzer abgegeben werden.Foto: Stadt Münster
Von 17. September 2024

Eine Verschrottung der mobilen Luftfilter, die in den Jahren 2020/21 während der COVID-Pandemie in den städtischen Schulen von Münster aufgestellt wurden, ist vom Tisch. Statt die Geräte planmäßig zu entsorgen, sollen sie an Interessenten abgegeben werden. Das entschied der Rat der Stadt in seiner Sitzung am 11. September.

„Zuvor hatten die Schulen die städtische Verwaltung mit Verweis auf Platzprobleme in den Klassenzimmern gebeten, die insgesamt 1.188 wuchtigen Geräte wieder abzuholen, weil sie nach Auslaufen der Corona-Schutzmaßnahmen kaum noch genutzt wurden“, hieß es seitens der Stadt.

Da sich zunächst niemand finden ließ, der die in der Instandhaltung teuren Luftfilter weiterverwenden wollte, sollten zumindest die knapp 800 Geräte entsorgt werden, welche die Stadt auf eigene Kosten angeschafft hatte. Die weiteren 400 aus Landesmitteln finanzierten Geräte sollen bis zum Auslaufen der Förderbindung eingelagert werden.

Um die 1.200 mobilen Luftfilter einzulagern, wäre eine Fläche von rund 1.500 Quadratmetern erforderlich gewesen. „Die Anmietung einer solchen Fläche wäre mit erheblichen dauerhaften oder zumindest langfristigen Kosten verbunden“, zitierte der „Spiegel“ die Stadt. Doch es regte sich Widerstand.

Virologin spricht von Verschwendung von Steuergeldern

In einem offenen Brief reagierte eine Elterngruppe entsetzt auf die Pläne der Stadt. Sie forderte die politisch Verantwortlichen auf, „zu überprüfen, ob wir uns tatsächlich leisten wollen und können, vorhandene und wissenschaftlich nachgewiesenermaßen effiziente Schutzmaßnahmen zum Wohle unserer Kinder einfach sprichwörtlich auf den Müll zu werfen“.

Dr. Jana Schroeder, Virologin und Chefärztin des Instituts für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie an der münsterländischen Mathias-Stiftung, verwies die Stadt auf ihre Pflicht, ausreichenden Schutz vor Infektionen zu bieten.

„Das traurige Schicksal der Luftfilter steht symbolhaft für den aktuellen gesamtgesellschaftlichen Umgang mit der Pandemie“, schrieb sie Ende August in einer Kolumne. Statt Prävention als Lehre aus der Pandemie in den Fokus zu nehmen und erwiesenermaßen effiziente Werkzeuge gegen Infektionskrankheiten gezielt zu nutzen, ergreife man keinerlei Maßnahmen mehr. Das begünstige Infektionen.

„Das Wegwerfen der Luftfilter wäre nicht nur schlecht für die Gesundheit und die Umwelt, es wäre auch eine große Verschwendung von Steuergeldern“, argumentiert die Medizinerin. Genauso könnte man erwägen, Sicherheitsgurte aus Autos auszubauen und das Rauchen in öffentlichen Innenräumen wieder zu erlauben.

Keine Maßnahmen sind keine Lösung

In Anbetracht hoher Krankenstände im Sommer, die in allen Lebensbereichen – von Arztpraxen über Kitas bis zu Gastronomie und Verwaltung – spürbar seien, und der damit verbundenen Gefahr für die Wirtschaft bezeichnete Dr. Schroeder das Vorgehen der Stadt als „Münsteraner Variante des Schildbürgerstreich“; zumal die Weltgesundheitsorganisation und die US-Gesundheitsbehörde CDC die Verbesserung der Qualität von Raumluft in Schulen als zentrale Maßnahme empfehle, um Krankheiten zu vermeiden.

Wie eine Studie der Universität Stuttgart bereits im Sommer 2021 ergeben hatte, ist die Wirkung von mobilen Luftfiltern in Klassenräumen zum Schutz gegen das Coronavirus begrenzt. Die Experten sprachen sich in ihrer Analyse gegen eine flächendeckende Anschaffung der Geräte für alle Schulen aus. „Basierend auf den Erkenntnissen aus dem Pilotprojekt ist der flächendeckende Einsatz von Luftreinigungsgeräten nicht indiziert“, hieß es in der Studie. In einzelnen Klassenräumen, die zu kleine oder zu wenige Fenster haben, sollte aber der Einsatz mobiler Geräte oder der Einbau stationärer Filter geplant werden.

„Wenn die vorhandenen Luftfilter aus irgendeinem Grund als ungeeignet angesehen werden, muss man alternative Lösungen in Betracht ziehen, um die Luftqualität in den Räumen zu verbessern“, so Dr. Schroeder in der aktuellen Debatte um die Entsorgung der Geräte in Münster. Geeignet wären etwa kleinere und leisere Luftfilter, dezentrale raumlufttechnische Anlagen mit Wärmerückgewinnung oder kostengünstige Lösungen.

Sitzung bringt Kehrtwende

In der Sitzung des Stadtrats Münster am 11. September sorgte ein Änderungsantrag der Koalition aus Grünen, SPD und Volt gemeinsam mit der FDP für eine Kehrtwende, mit der die Entsorgung der Luftfilter zu den Akten gelegt wurde. Ein Teil der Geräte soll in den Schulen, die sie behalten wollen, verbleiben. Die weiteren aussortierten Anlagen werden an Interessenten freigegeben.

Wie die Grünen nach der Ratssitzung mitteilten, hatten sich Eltern und Lehrer an die Fraktion gewendet.

„Der Tenor in den allermeisten Fällen: Die Luftfilteranlagen stehen in den Schulen herum, sie nehmen dringend benötigten Platz weg und werden in großen Teilen nicht benutzt“, heißt es seitens der Grünen aus Münster. „Auch wenn unbestritten ist, dass funktionierende Anlagen ein Infektionsrisiko verringern, so muss auch klar sein, dass nicht eingeschaltete Anlagen keinen Nutzen haben.“

Störgeräusche und teure Instandhaltung

Und was ist der Grund dafür, dass die Filter nicht benutzt werden? „Die Anlagen sind in Betrieb so laut, dass sie das Unterrichtsgeschehen stören“, so die Antwort der Grünen. Das gehe eindeutig aus den Rückmeldungen aus den Schulen hervor.

Ein weiterer Aspekt für die Abschaffung der Anlagen sei der Kostenfaktor. Bei den Geräten muss regelmäßig der interne Filter ersetzt werden, der laut Stadtverwaltung jährlich mit 700.000 Euro zu Buche schlägt. Das sind rund 590 Euro pro Luftfilter.

„Angesichts einer sehr angespannten Haushaltslage sind wir nicht bereit, eine solche Summe für Geräte auszugeben, die in den Schulen kaum oder gar nicht genutzt werden“, erklären die Grünen.

Die CDU äußerte Zweifel an dem genannten Betrag. „Da die Geräte nicht genutzt werden müssen, fallen diese Kosten auch nicht an. Diese Zahl ist irreführend“, sagte der schulpolitische Sprecher Meik Bruns.

Ihm erschien es sinnvoll, die Geräte zu lagern, „bis sie vielleicht wieder benötigt werden“. In der Pandemie hätten sie den Schulbetrieb schließlich auch nicht gestört.

Für Interessenten gilt Selbstabholung und Haftungsausschluss

Nach Angaben der Stadt haben sich inzwischen verschiedene Personen und Institutionen gemeldet, die ihr Interesse an einer Übernahme der Filter bekundeten.

Da die Nachfrage aktuell höher ist als die Anzahl der zur Verfügung stehenden Luftfilteranlagen, wurde die Verwaltung beauftragt, Kriterien für die Vergabe aufzustellen und die Umsetzung zu organisieren.

Grundsätzlich erfolgt die Weitergabe bei allen Geräten im Wege der Selbstabholung. Mit der Weitergabe ist ein Haftungs- und Gewährleistungsausschluss verbunden.



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