Scheidender grüner Staatssekretär Giegold soll durch Industriefachmann Kluttig ersetzt werden

Der bisherige Abteilungsleiter für Industriepolitik im Bundeswirtschaftsministerium, Bernhard Kluttig, soll Mitte November in die Position eines Staatssekretärs aufrücken. Er tritt damit die Nachfolge von Sven Giegold an, der stellvertretender Parteivorsitzender der Grünen werden soll.
Habeck-Staatssekretär Giegold will in Grünen-Führung
Das Archivbild zeigt BMWK-Staatssekretär Sven Giegold (Grüne) bei einem früheren Auftritt in der Bundespressekonferenz.Foto: Gregor Fischer/dpa
Von 30. Oktober 2024

Schon vor einem Monat hatte es sich angedeutet, seit Dienstag ist es amtlich: Sven Giegold (Grüne) legt sein Amt als Staatssekretär in Robert Habecks Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) zum 15. November 2024 auf eigenen Wunsch nieder.

Die Nachfolge des Experten für Europa-, Wirtschafts- und Mittelstandspolitik wird nach Informationen des „Handelsblatts“ Ministerialdirektor Bernhard Kluttig übernehmen. Der Jurist wurde im Januar 2022 zum Abteilungsleiter für Industriepolitik berufen, nachdem er bereits 14 Jahre im Wirtschaftsministerium gearbeitet hatte.

Hintergrund sind dem „Handelsblatt“ zufolge Giegolds Ambitionen auf einen Platz in der grünen Parteiführung. Er wolle beim Bundesparteitag am 15. November als Vizevorsitzender kandidieren. Zwei Tage später wird der studierte Politik- und Wirtschaftswissenschaftler seinen 55. Geburtstag feiern.

Noch Ende September hatte Giegold bei einem Treffen des linken Parteiflügels in Berlin erklärt, das Parteiamt des politischen Geschäftsführers von der eher glücklosen Emily Büning übernehmen zu wollen – einen Posten, der bei anderen Parteien in der Regel Generalsekretär heißt. Doch daraus wird wohl nichts.

Parteivize statt politischer Geschäftsführer

Nach Informationen des „Handelsblatts“ soll vielmehr die bisherige Parteivizevorsitzende Pegah Edalatian die Nachfolge Bünings als politische Geschäftsführerin antreten. Edalatian habe bisher den Posten der „vielfaltspolitischen Sprecherin“ innegehabt und gehöre zum linken Flügel der Grünen, wie das „Handelsblatt“ berichtet.

Die designierten Parteivorsitzenden, nämlich Habecks parlamentarische Staatssekretärin Franziska Brantner und der Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak, hätten zudem erklärt, dass Sven Giegold „nur“ Parteivize und „europapolitischer Sprecher“ werden solle. Der Ingenieur Dr. Heiko Knopf soll weiter Parteivize bleiben. Zur neuen Schatzmeisterin solle die Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann gewählt werden.

Der Vizefraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Andreas Audretsch, solle Wahlkampfmanager ohne eigenen Sitz im Vorstand werden. Ex-Schatzmeister Frederic Carpenter solle ihn dabei unterstützen.

Bei diesen Kandidaturentscheidungen hatte sich laut „Handelsblatt“ der links dominierte Kreis um die Bundestagsabgeordneten Banaszak, Audretsch und ihre Fraktionschefin Katharina Dröge „weitgehend autonom“ durchgesetzt. Das Trio war nach den Worten der Zeitung jüngst zum „heimlichen Macht-Nebenzentrum bei den Grünen“ avanciert, obwohl sich nach dem Verzicht von Außenministerin Annalena Baerbock auf die Kanzlerkandidatur die Hoffnungen der Gesamtpartei auf ein Wiedererstarken in der Person Robert Habeck konzentrieren.

Giegold kein enger Vertrauter Habecks

Vor diesem Hintergrund sei allerdings auch der Beschluss zu verstehen, Giegold nicht als politischen Geschäftsführer antreten zu lassen: Nach Informationen des „Handelsblatts“ hätten ihm die „Realos“ nicht zugetraut, den Wirtschaftsminister so zu unterstützen, wie sie es sich vorstellten. Denn nach Informationen der „Deutschen Presse-Agentur“ habe Giegold bislang zwar gut mit Habeck zusammengearbeitet, als enger Vertrauter sei er aber nicht in Erscheinung getreten.

Von Frust oder Verärgerung über Giegolds Rückzug als Staatssekretär und dessen Kandidatur als Vizeparteivorsitzender ist in Habecks Stellungnahme nichts zu erkennen:

„Ich danke Sven Giegold für drei Jahre vertrauensvolle Zusammenarbeit und für seinen sehr erfolgreichen Einsatz“, heißt es in der offiziellen Pressemitteilung des BMWK aus dem Munde Habecks. „Besonders hervorzuheben sind die Verhandlungen zum European Green Deal und Sven Giegolds Einsatz für die Wachstumsinitiative und den Abbau von Bürokratie. Die Praxis-Checks werden immer mit seinem Namen verbunden bleiben.“

Karrierestationen Giegolds: Attac, EU-Parlament, BMWK

Giegold hatte bis zu seinem Amtsantritt im BMWK im Dezember 2021, direkt nach den erfolgreichen Ampelkoalitionsverhandlungen, zwölf Jahre lang für die Grünen als Abgeordneter im EU-Parlament gesessen.

„Wir sind mit dem Ziel in die Koalitionsverhandlungen gegangen, einen Aufbruch für das Land und für Europa in die Wege zu leiten“, schrieb Giegold damals auf seiner Website. „Damit der Aufbruch keine Floskel bleibt, muss er sich an konkreten Verbesserungen für Ökologie, sozialen Zusammenhalt, Wirtschaft, Gesellschaft und Demokratie messen lassen.“

Giegold hatte sich unter den Schlagworten Klimaneutralität und Nachhaltigkeit stets für den „ökologischen Umbau unseres Industrielandes“ eingesetzt und die Rolle Deutschlands als „Klimavorreiter“ verfolgt.

Zuvor war er einem breiten Publikum vorwiegend wegen seiner vielen Talkshowauftritte bekannt geworden, die er seit dem Jahr 2000 als Gründungsmitglied von Attac absolviert hatte. Im September 2008 verließ der Niedersachse die Nichtregierungsorganisation, um den Grünen beitreten zu können, ohne „die parteipolitische Neutralität von Attac […] zu gefährden“, wie Giegold damals bekannt gegeben hatte.

Grüne wollen ganz neu durchstarten

Hintergrund der Personalrochade bei den Grünen ist der bereits im September angekündigte Rückzug des gesamten Parteivorstands inklusive der bisherigen Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour. Sie legen ihre Ämter zum Bundesparteitag offiziell wegen der verheerenden Wahlergebnisse des Jahres 2024 nieder. Auch wegen der anschließenden Austrittswelle in der Grünen Jugend muss sich die Parteispitze also in gut zwei Wochen weitgehend neu aufstellen.

Seit ihrer Übernahme der Regierungsgeschäfte im Dezember 2021 mussten die Grünen schwere Verluste in der Wählergunst hinnehmen. Während sie zur Bundestagswahl 2021 noch auf 14,8 Prozent der Zweitstimmen kamen, maß das Meinungsforschungsinstitut Forsa am 29. Oktober 2024 nur 9 Prozent, Tendenz fallend.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion