„Schande für Europa“: Dicke Luft vor Grünen-Parteitag wegen Asylkompromiss der EU
Der bevorstehende Länderrat, eine Art Kleiner Parteitag, der Grünen im hessischen Bad Vilbel sollte eigentlich dazu dienen, die Reihen vor dem Landtagswahlkampf zu schließen. Zuletzt ging es für die Partei in Umfragen steil bergab. Trotz medialer Rückendeckung nehmen immer mehr Bürger die Grünen als Gefahr für den Wohlstand wahr. Nun droht jedoch auch innerparteilich Ungemach: Immer mehr Funktionäre und Mandatsträger rebellieren gegen den Asylkompromiss der EU.
Was besagt der Asylkompromiss der EU?
Nicht nur Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), sondern auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat diesen gebilligt. Das EU-Ratstreffen am Donnerstag, 8. Juni, in Brüssel endete mit einer deutlichen Verschärfung der europäischen Asylpolitik.
Unter anderem soll künftig eine Unterbringung von Asylsuchenden in sogenannten Ankerzentren möglich werden. Diese soll bis zu 18 Monate andauern können. Deutschland fand mit seinem Ansinnen, Familien mit Kindern davon auszunehmen, keine Mehrheit. Ausnahmen soll es lediglich für unbegleitete Minderjährige geben.
Erstmals sind Asylverfahren an den EU-Außengrenzen vorgesehen. Gleichzeitig soll es einen Verteilungsschlüssel für Migranten geben – mit einer Möglichkeit zum Opting-out. Staaten, die keine Asylbewerber betreuen wollen, müssen allerdings ein Zwangsgeld von 20.000 Euro für jede verweigerte Aufnahme entrichten. Außerdem sind alle Mitgliedstaaten aufgefordert, sich um Rückführungsabkommen mit Drittstaaten zu bemühen.
Für viele Grüne sind die Grenzen des Vertretbaren überschritten
Baerbock sprach von einem „bitteren, aber notwendigen Kompromiss“, der einen Ausgleich der Interessen bringe und die Lage an den Außengrenzen verbessere. Für viele Grüne bedeutet der Asylkompromiss der EU hingegen ein Zuviel an Abschottung.
Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler sprach gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ von einer „Schande für Europa“. Die Vereinbarung werde „viel Leid verursachen“. Sie sei verbunden mit einer massiven Einschränkung von Menschenrechten und rechtsstaatlichen Prinzipien.
Auch der frühere Parteisprecher und Bundesminister Jürgen Trittin greift den Asylkompromiss der EU scharf an. Man müsse wissen, „wo die Grenzen des Vertretbaren liegen“, äußerte er gegenüber dem Blatt. Diese habe die Vereinbarung jedoch überschritten und Europas Flüchtlingspolitik „auf einem Niveau der Schäbigkeit harmonisiert“.
Grüne wollen Asylkompromiss auf Parteitag „weiterdiskutieren“
Kindler spricht von massivem Unmut in den Kreisverbänden und entsprechenden Reaktionen in internen Chatgruppen. Seit 2015 habe die Partei einen Zuwachs an Mitgliedern zu verzeichnen, auch weil man von den Grünen erwarte, dass sie „auch bei Gegenwind die Menschenrechte“ verteidigten.
Sprecherin Ricarda Lang beklagte am Montag, dass auch Forderungen wie jene nach Ausnahmen für Familien mit Kindern unberücksichtigt blieben. Der Asylkompromiss der EU werde „dem Leid an den Außengrenzen nicht gerecht“ und verbessere auch das Verfahren nicht.
Nun will die Partei die künftige Asylpolitik der Ampel in Bad Vilbel „weiterdiskutieren“. Dazu gibt es einen aktualisierten Antrag des Bundesvorstandes. In diesem erteilt man dem Konzept der „sicheren Drittstaaten“ eine Absage. Vor allem die Maghreb-Staaten würden keine solchen darstellen.
Die Partei wolle sich für schnellere Verfahren und eine bessere Qualität der Entscheidungen einsetzen. Auch sei es denkbar, Staaten gesondert zu betrachten, die „den EU-Beitrittskandidatenstatus erhalten haben und deutliche Fortschritte bei Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit machen“.
Koalitionsbruch zu großes Risiko für die Grünen
Dass es auf dem Parteitag zu Szenen wie 1999 kommen wird, als es einen Farbbeutelwurf gegen Bundesaußenminister Joschka Fischer gab, ist dennoch unwahrscheinlich. Anlass war damals die deutsche Beteiligung an dem Angriff der NATO auf die damalige Bundesrepublik Jugoslawien.
Auch eine Spaltung der Partei oder ein Bruch der Ampelkoalition infolge des Asylkompromisses ist wenig wahrscheinlich. Bei Neuwahlen hätten die Grünen aktuellen Umfragen zufolge ein schlechtes Ergebnis zu erwarten. Demgegenüber würde die AfD mit hoher Wahrscheinlichkeit das beste Ergebnis ihrer Geschichte erzielen. Eine Mehrheit für ein Jamaika-Bündnis wäre ebenfalls fraglich, da nicht nur die Linkspartei, sondern auch die FDP um den Verbleib im Bundestag zittern müsste.
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