Flüchtlingspolitik
EU-Staaten einig: Asylverfahren werden verschärft
In der EU gibt es immer wieder massiven Streit über das Thema Migration. Bei einem Innenministertreffen wurde nun ein Durchbruch in den Verhandlungen um eine weitreichende Reform des EU-Asylsystems erzielt.

Ein deutscher Polizeibeamter kontrolliert Autos und Lastwagen, die vor einer Grenzkontrolle zwischen Österreich und Deutschland anstehen.
Foto: GUENTER SCHIFFMANN/AFP via Getty Images
Eine breite Mehrheit von EU-Staaten hat sich nach jahrelangen Verhandlungen auf Pläne für eine weitreichende Reform des EU-Asylsystems verständigt. Vor allem Menschen, die nicht vor Krieg oder politischer Verfolgung fliehen, sollen davon abgeschreckt werden. Ein Überblick:
Worum geht es?
Spätestens seit der Flüchtlingskrise 2015/2016 ist klar, dass die geltenden EU-Asylregeln überarbeitet werden müssen. Damals waren Länder wie Griechenland mit einem Massenzustrom an Menschen aus Ländern wie Syrien überfordert und Hunderttausende konnten unregistriert in andere EU-Staaten weiterziehen. Dies hätte eigentlich nicht passieren dürfen, denn nach der sogenannten Dublin-Verordnung sollen Asylbewerber da registriert werden, wo sie die Europäische Union zuerst betreten haben. Dieses Land ist in der Regel auch für den Asylantrag zuständig.
Die EU-Asylreform ermöglicht nun erstmals Asylverfahren an Europas Außengrenzen, damit Menschen mit geringen Aufnahmechancen erst gar nicht in die EU kommen. Dafür soll es Asylzentren in Grenznähe geben, von wo aus Migranten direkt abgeschoben werden sollen.
Wer ist von Grenzverfahren betroffen?
Außengrenzverfahren sollen vorerst nur bei Migranten aus Ländern greifen, die im EU-Schnitt eine Anerkennungsquote von unter 20 Prozent haben. Das gilt etwa für Menschen aus der Türkei, Indien, Tunesien, Serbien oder Albanien. Die Verfahren sollen höchstens zwölf Wochen dauern.
Für wen gilt das nicht?
Die Mehrheit der Flüchtlinge – etwa aus Syrien, Afghanistan oder dem Sudan – soll weiter Recht auf ein normales Verfahren haben. Im vergangenen Jahr gab es EU-weit rund 966.000 Asylanträge, mehr als jeder Vierte (gut 252.000) wurde in Deutschland gestellt.
Wohin kann abgeschoben werden?
Italien, Griechenland und Österreich setzten sich mit der Forderung durch, abgelehnte Migranten in sogenannte sichere Drittstaaten abschieben zu können. Dazu zählen diese Länder, etwa Tunesien oder Albanien. Deutschland wollte dies verhindern, wenn die Abgeschobenen keine enge Verbindung zu den Drittländern haben, etwa über ihre Familie. Nach Angaben der EU-Kommission und des schwedischen Ratsvorsitzes reicht es aber aus, wenn die Migranten lediglich durchgereist sind.
Wie verhielt sich die Bundesregierung?
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte die Einigung in Luxemburg „historisch“. Nicht durchsetzen konnte sich Faeser allerdings mit der Forderung nach Ausnahmen für Familien mit Kindern von den Grenzverfahren. Noch nicht mal eine Handvoll Länder unterstützten die Bundesregierung. Die deutsche Forderung wurde in einer sogenannten Protokollnotiz festgehalten, einer schriftlichen Zusatzerklärung.
Was sagen Kritiker?
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat den von den EU-Innenministern erzielten Kompromiss zu neuen Asylregeln als „inakzeptabel“ bezeichnet. Brüssel missbrauche damit seine Macht, erklärte Orban am Freitag im Onlinenetzwerk Facebook. „Sie wollen die Migranten mit Gewalt nach Ungarn verlegen. Das ist inakzeptabel, sie wollen Ungarn gewaltsam in ein Migrantenland verwandeln“, kritisierte er.
Länder, sie sich weigern, Migranten aufzunehmen, sollen ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000 Euro für jeden Migranten in einen von Brüssel verwalteten Fonds einzahlen. Ungarn und Polen stimmten als einzige Länder gegen den Kompromiss.
Die EU beseitige das Mitspracherecht ihrer Mitgliedstaaten darüber, „wer sich in ihrem Hoheitsgebiet aufhält“, sagte der ungarische Vize-Innenminister Retvari der staatlichen ungarischen Nachrichtenagentur MTI. Der neue Verteilungsmechanismus erlaube „illegalen Migranten oder den Menschenhändlern, die sie nach Europa gebracht haben, selbst zu entscheiden, wer in Europa leben wird“.
Wie geht es nun weiter?
Ungarn und Polen wollen das Thema auf dem EU-Gipfel am 29. und 30. Juni in Brüssel wieder auf den Tisch bringen. Zudem müssen sich die EU-Länder noch mit dem Europaparlament verständigen. Das gilt als sehr schwierig, da die Positionen laut Diplomaten „meilenweit“ auseinanderliegen. Die Bundesregierung drängt auf einen Abschluss der Asylreform bis zur Europawahl im Juni 2024. (dpa/afp)
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