Sachsen und Bayern wollen Antisemiten Staatsbürgerschaft entziehen

Wenige Monate vor der Landtagswahl in Sachsen will Ministerpräsident Michael Kretschmer in der Flüchtlingspolitik die Gangart verschärfen. In einer gemeinsamen Protokollerklärung mit Bayern im Anschluss an die Ministerpräsidentenkonferenz forderte man die Aberkennung der Staatsbürgerschaft für Antisemiten.
Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, fordert noch vor dem geplanten Gespräch zur Asylpolitik mit Bundeskanzler Olaf Scholz eine Obergrenze bei der Aufnahme von Geflüchteten in Deutschland.
Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen.Foto: Robert Michael/dpa
Von 13. März 2024

Bereits im Anschluss an die Ministerpräsidentenpräsidentenkonferenz (MPK) hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder eine „echte Wende in der Migrationspolitik“ vermisst. Dies gab er in einem Gespräch mit dem „Welt“-TV-Sender am Mittwoch, 6. März, bekannt. Mittlerweile veröffentlichte die Staatsregierung eine gemeinsame Protokollerklärung, die Söder gemeinsam mit Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer verfasst hatte.

Sachsen und Bayern werfen Ampel Untätigkeit bei Umsetzung von Beschlüssen vor

In dem Dokument fordern Sachsen und Bayern die Bundesregierung „unvermindert und mit steigender Dringlichkeit zu einem sofortigen und grundlegenden Richtungswechsel in der Migrationspolitik auf“. Beide Ministerpräsidenten sehen die „politische Stabilität des Landes […] in Gefahr“. Es müssten „umgehend Maßnahmen gegen unbegrenzte irreguläre Migration ergriffen werden“.

Bayern und Sachsen richten an die Ampel in Berlin den Vorwurf, die Beschlüsse der MPK zur Migrationswende im November „nicht, nur zögerlich oder nur unzureichend“ umzusetzen. Für die Kommunen sei keine Entlastung in Sicht. Selbst das „Rückführungsverbesserungsgesetz“, dessen Wirksamkeit Kritiker von Beginn an angezweifelt hatten, werde ins Gegenteil seines Zwecks verkehrt.

Die Ampel habe „im letzten Moment“ einen Passus ergänzt, der eine verpflichtende anwaltliche Vertretung im Rückführungsverfahren vorschreibe. Söder und Kretschmer halten dies für unangebracht, da es um die Abschiebung von Personen mit rechtskräftig abgelehntem Asylgesuch gehe.

Söder und Kretschmer für Umwandlung des Asylanspruchs in institutionelle Garantie

In ihrem Papier weisen Söder und Kretschmer auf das Fehlen von Migrationsabkommen hin, das in vielen Fällen eine Rücknahme ausreisepflichtiger Personen von vornherein scheitern lässt. Die Bundesregierung müsse „sämtliche diplomatischen und wirtschaftlichen Mittel“ nutzen, um diese zu sichern. Es sei „unerlässlich und völkerrechtlich geboten, dass alle Herkunftsländer ihre Staatsbürger zurücknehmen“.

Bayern und Sachsen forderten zusätzlich zur Umsetzung des im November 2023 beschlossenen Maßnahmenpakets der MPK auch eine „realistische Integrationsgrenze, die sich an unserem Leistungsvermögen orientiert“.

In diesem Zusammenhang wolle man auch das individuelle Grundrecht auf Asyl zu einer objektiven Garantie umwandeln. Änderungen am Artikel 16 des Grundgesetzes erfordern eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag sowie Bundesrat. Zuletzt ist so etwas 1993 im Wege der damaligen Asylreform geschehen.

Einfacher und schneller umzusetzen wäre die ebenfalls in der Protokollerklärung angeklungene Forderung, die Liste der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten zu erweitern. Zudem solle es „zentrale Bundesausreisezentren an den großen deutschen Flughäfen“ geben. Um einen effektiveren Grenzschutz zu gewährleisten, sei auch die Möglichkeit von Zurückweisungen an den Binnengrenzen unerlässlich. Diese ist derzeit etwa dann ausgeschlossen, wenn Eingereiste Asyl beantragen.

Besserstellung ukrainischer Flüchtlinge beenden?

Weitere Forderungen, die in der Zusatzerklärung anklingen, betreffen die Beseitigung von „Zuzugsanreizen und Pull-Faktoren“. Als solche nennen Söder und Kretschmer unter anderem eine Entkopplung von Bürgergeld und Asylleistungen. Derzeit müssen ukrainische Kriegsflüchtlinge kein reguläres Asylverfahren durchlaufen.

Bayern und Sachsen fordern nun, dieses Privileg für neu ankommende ukrainische Staatsangehörige wegfallen zu lassen. In allen Fällen sollen Asylbewerber einheitlich erst nach fünf statt nach drei Jahren reguläre Sozialleistungen erhalten. Derzeit entsteht ein Anspruch erst nach der rechtskräftigen Anerkennung als Flüchtling – oder nach 18 Monaten Aufenthalt in Deutschland. Die MPK hat sich im November 2023 darauf verständigt, diesen Zeitraum auf drei Jahre zu erhöhen.

Koalitionspartner in Sachsen reagieren mit Verwunderung

Für Debatten sorgt auch eine weitere Forderung, die Bayern und Sachsen in dem Positionspapier erheben. So heißt es darin, die Bundesregierung solle dafür Sorge tragen, dass „antisemitische Straftäter und Feinde unserer Verfassung ihre deutsche Staatsangehörigkeit verlieren und konsequent abgeschoben werden können“.

Wie die „Leipziger Volkszeitung“ (LVZ) berichtete, übten die Koalitionspartner der CDU in Sachsen, SPD und Grüne, sowie NGOs deutliche Kritik an der Erklärung. Zum einen erwecke Kretschmer mit der Erklärung den Eindruck, das Grundrecht auf Asyl anzuzweifeln. Zum anderen, so erklärt SPD-Chef Henning Homann, würden die Ministerpräsidenten „den Menschen Dinge erzählen, von denen sie schon vorher wissen, dass sie nicht umsetzbar sind“.

Homann verwies darauf, dass das Grundgesetz einen Entzug der Staatsbürgerschaft ausschließt – Ausnahmen gebe es allenfalls infolge bewusster Täuschungshandlungen. Regierungssprecher Ralph Schreiber stellte später klar, dass nur Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft von einer solchen Maßnahme betroffen sein könnten.

„Einstellung der Geflüchteten extrem divers“

Die Sanktion solle nach dem Willen der Union eintreten, wenn eine Person wegen einer antisemitisch motivierten Straftat oder einer schweren staatsgefährdenden Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden sei. Zudem solle in der Staatsangehörigkeit klargestellt werden, dass ein ausdrückliches Bekenntnis zum Existenzrecht Israels „als Teil der deutschen Staatsräson“ eine Einbürgerungsvoraussetzung sei.

Der Sächsische Flüchtlingsrat warf Kretschmer vor, einen Generalverdacht gegen Geflüchtete zu formulieren. In laufenden Debatten stelle man „immer wieder fest, dass Stereotype bedient werden, die Geflüchtete fiktiv als homogene Masse betrachten“, äußerte ein Sprecher.

„Dabei sind nicht nur deren Herkunft, sondern auch deren Einstellung extrem divers.“

Es sei zwar aufgrund der staatlichen Förderung von Antisemitismus in Ländern wie Syrien korrekt, dass einige von dort Flüchtende entsprechende Einstellungen mitbrächten. Allerdings sei eine antisemitische Straftat von der Qualität des Anschlags von Halle 2019 „durch Geflüchtete […] in Sachsen nicht bekannt“.

Antisemitismus kein exklusives Problem von Flüchtlingen

Infolge des Massakers der terroristischen Hamas im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober 2023 und Israels darauffolgender Antiterroroperation in Gaza ist die Anzahl antisemitisch motivierter Straftaten in Deutschland deutlich angestiegen. Dabei spielten junge Männer arabischer oder türkischstämmiger Herkunft, häufig aus prekären sozialen Verhältnissen, eine überdurchschnittliche Rolle.

Allerdings gibt es auch in der deutschen Bevölkerung insgesamt einen stabilen Anteil an Personen von bis zu 20 Prozent, die gewisse antisemitische Grundpositionen teilen. Neben israelbezogenem Antisemitismus äußern diese sich beispielsweise in Vorstellungen wie jenen, dass Juden die Erinnerung an den Holocaust ausnutzen würden, oder in Verschwörungstheorien. In der Zeit der Corona-Pandemie habe diese Form von Antisemitismus an Bedeutung gewonnen.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion