Sachsen: Landtag konstituiert sich – und wird einen Corona-Untersuchungsausschuss bekommen
Die konstituierende Sitzung des neu gewählten Landtags von Sachsen ist am Dienstag, 1. Oktober, ohne größere Unwägbarkeiten in Dresden über die Bühne gegangen. Demgegenüber war es in Thüringen am Freitag zu einem erbitterten Streit zwischen AfD-Alterspräsident Jürgen Treutler und Vertretern der übrigen Parteien um die Geschäftsordnung gekommen. In Sachsen hingegen gibt es bereits am ersten Tag ein vollständig besetztes Präsidium – und auch schon die ersten Sachanträge.
Künftig vier Vizepräsidenten im Landtag
Mit den Stimmen von 97 der 119 anwesenden Abgeordneten wurde CDU-Kandidat Alexander Dierks bei 14 Gegenstimmen und acht Enthaltungen zum neuen Landtagspräsidenten gewählt. Der in Chemnitz gewählte folgt damit Matthias Rösler nach, der zuvor seit 2009 dieses Amt innehatte. Als Alterspräsident eröffnete Wolf-Dietrich Rost die Sitzung.
Dierks rief in seiner Dankesrede das Parlament zu konstruktiver Arbeit auf, um Lösungen für große gesellschaftliche Konflikte finden zu können:
„Wir sind Mitbewerber, wir sind bisweilen in harten Debatten auch mal Gegner – aber wir sind niemals Feinde.“
Kontrovers wurde es bislang nur, als es um die Schaffung des Postens eines vierten Vizepräsidenten ging. Die möglichen künftigen Koalitionspartner CDU, BSW und SPD hatten diese Idee aufgebracht, um „die Vielfalt des Hauses besser repräsentieren zu können“, äußerte die SPD-Abgeordnete Laura Stellbrink.
Privilegien von Vizepräsidenten kommen auf den Prüfstand
BSW-MdL Lutz Richter trug das Vorhaben mit, obwohl man sich dessen bewusst sei, dass dieses „in der Öffentlichkeit teils sehr kritisch gesehen wird“. Auch aus der CDU kamen Hinweise, dass im Sinne der Selbstbeschränkung zwei Vizepräsidenten ausgereicht hätten. Andererseits seien vier Vizepräsidenten aber auch ein tragfähiger Kompromiss – man hätte sich auch für sechs entscheiden können, um jeder Fraktion einen zu ermöglichen.
AfD, Grüne und der Freie-Wähler-Abgeordnete Matthias Berger sprachen sich gegen einen solchen Posten aus. Aus der Linksfraktion gab es dazu keine Äußerung. Der Mehraufwand an Kosten, so rechnete AfD-MdL André Wendt vor, betrage jährlich 969.500 Euro – ohne erkennbaren Mehrwert.
Die Befürworter der Aufstockung stellten jedoch in Aussicht, über eine mögliche Kürzung der Vergünstigungen reden zu wollen, die mit dem Posten verbunden seien. Landtagsvize erhalten um 50 Prozent höhere Diäten, eine Aufwandspauschale, einen Dienstwagen samt Fahrer sowie eine Sekretariatskraft. Die Zahl der Vizepräsidenten in anderen Landtagen reicht von zwei wie in Sachsen-Anhalt oder Baden-Württemberg bis zu fünf in Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
Kein geschlossenes Abstimmungsverhalten zwischen möglichen „Brombeer“-Partnern
Zur ersten Vizepräsidentin wurde Ines Saborowski (CDU) mit 95 Ja-Stimmen gewählt, André Wendt erhielt als zweiter Vize 84 Ja-Stimmen und wurde auch im ersten Wahlgang gewählt. Eine zweite Runde brauchten hingegen BSW-Landeschef Jörg Scheibe, dem mit 59 Stimmen dazu zwei Stimmen gefehlt hatten.
Beim zweiten Versuch erhielt Scheibe dann 71 Ja-Stimmen, nur noch 43 statt wie zuvor 50 stimmten gegen ihn. Anbrecht Pallas (SPD) erreichte im zweiten Durchgang 59 Stimmen bei 49 Gegenstimmen – allerdings reichte da die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Im ersten Wahlgang kann man nur mit der Mehrheit aller Abgeordneten gewählt werden. Da war Pallas nur auf 48 Ja-Stimmen und 60 Nein gekommen.
Zumindest im zweiten Wahlgang scheinen alle potenziellen Partner einer möglichen sogenannten Brombeer-Koalition geschlossen für Scheibe und Pallas gestimmt zu haben. CDU, BSW und SPD kommen im Landtag zusammen auf 66 Sitze. Im ersten Wahlgang haben offenbar nicht alle Abgeordneten dieser Parteien für die Kandidaten der jeweils anderen gestimmt.
AfD will „dunkle Episode unserer jüngeren deutschen Geschichte“ aufarbeiten
Ebenfalls bereits am Dienstag hat die AfD einen Antrag auf Einsetzung eines Corona-Untersuchungsausschusses beantragt. Fraktionschef Jörg Urban will damit „die gesamte Legislaturperiode bis 2029 nutzen, um die schwerwiegenden Grundrechtsverletzungen der Regierung zu untersuchen“.
Diese „dunkle Episode unserer jüngeren deutschen Geschichte“ müsse gründlich aufgearbeitet werden. Dazu gehöre auch, „dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden“, so Urban. Am 12. März 2020 hatte AfD-Bundessprecherin Alice Weidel noch der Bundesregierung Untätigkeit angesichts des Coronavirus vorgeworfen. Dabei forderte sie, „dem Beispiel vieler europäischer Länder zu folgen und endlich die entsprechenden Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung einzuleiten“. Italien hätte zu diesem Bereich bereits einen Lockdown verhängt, Spanien stand unmittelbar davor.
Da es zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses eines Fünftels der Abgeordneten bedarf, müssen 24 der 120 Parlamentarier für diesen stimmen. Die AfD verfügt über 40 Sitze und kann damit aus eigener Kraft einen solchen Ausschuss erzwingen.
Mögliche BSW-Koalitionspartner bevorzugen Enquetekommission im Landtag
Das BSW versucht unterdessen, Unterstützung für einen eigenen Antrag auf Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zu finden. Parteichefin Sahra Wagenknecht soll persönlich interveniert und deutlich gemacht haben, dass man mit diesem Versprechen den Wählern im Wort sei.
Die möglichen Koalitionspartner der Wagenknecht-Partei, CDU und SPD, würden jedoch eine Enquetekommission zur Aufarbeitung der Pandemie bevorzugen. Grüne, Linke und FW-Vertreter Berger bevorzugen ebenfalls eine solche. Das BSW kann mit 15 Abgeordneten keinen U-Ausschuss im Alleingang erzwingen.
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