Sachsen: CDU bleibt vor AfD – Linke rettet sich über Direktmandate – Kenia-Bündnis ohne Mehrheit

Im Freistaat Sachsen kann Ministerpräsident Michael Kretschmer nach der Landtagswahl auf eine weitere Amtszeit hoffen. Allerdings wird er darauf angewiesen sein, sich mit dem BSW zu arrangieren. Die bisherige Koalition aus CDU, SPD und Grünen verliert ihre Mehrheit, weil die Linke sich in den Landtag retten kann.
Ministerpräsident Kretscher ist bereit, wieder eine Regierung zu bilden.
Ministerpräsident Kretscher ist bereit, wieder eine Regierung zu bilden.Foto: Robert Michael/dpa
Von 2. September 2024

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

Ein Wechselbad der Gefühle brachten die Landtagswahlen in Sachsen am Sonntag, 1. September, vor allem für die CDU und deren Ministerpräsidenten Michael Kretschmer. Ein großes Ziel hat er am Wahlabend erreicht: Die Union konnte mit 31,9 Prozent trotz leichter Verluste von 0,2 Prozent ihre führende Position im Freistaat verteidigen. Obwohl die AfD gegenüber 2019 noch um 3,1 Prozentpunkte zulegen konnte, reichte es mit 30,6 Prozent der Zweitstimmen weiterhin nur noch für Platz 2.

Die CDU kommt nach dem vorläufigen Endergebnis auf 42 Sitze im künftigen Landtag, die AfD auf 41. Drittstärkste Kraft wird aus dem Stand das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das auf 11,9 Prozent kommt und künftig 15 Vertreter in den Landtag schickt. Die SPD kommt nach aktuellem Stand auf nur noch neun Sitze.

Höchste Wahlbeteiligung bei Landtagswahl in Sachsen seit der Wiedervereinigung

In Sachsen waren etwa 3,3 Millionen Bürger aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Um 14:00 Uhr hatte der Landeswahlleiter eine Beteiligung von 35,4 Prozent gemeldet – 0,3 Prozent mehr als vor fünf Jahren. Allerdings waren die Angaben auf Urnenwähler bezogen. Der Anteil der Briefwähler an allen Stimmberechtigten ist nach ersten Schätzungen von 16,9 auf 24,6 Prozent angewachsen. Insgesamt lag die Wahlbeteiligung am Ende bei 74,4 Prozent. Dies ist der höchste Wert seit der Wiedererrichtung des Freistaates im Vorfeld der Wiedervereinigung.

Obwohl es der CDU gelang, ihren ersten Platz zu behaupten, steht Kretschmer vor einer schwierigen Regierungsbildung. Seine bisherige Regierungskoalition mit SPD und Grünen hat künftig im Landtag keine Mehrheit mehr. Dies ist dem Umstand zu verdanken, dass sich die Linkspartei, obwohl sie mit 4,5 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war, über die Grundmandatsklausel retten konnte.

Mit Juliane Nagel und Nam Duy Nguyen haben es die Direktkandidaten der Linken in zwei Wahlkreisen geschafft, das Wahlkreismandat zu erringen. Dadurch stehen der Partei im künftigen Landtag sechs Sitze zu. Die bisherige Kenia-Koalition kommt dadurch allerdings nur noch auf 59 Sitze – zwei zu wenig für eine parlamentarische Mehrheit.

Begrenzte Optionen der CDU bei der Regierungsbildung

Die SPD, die mit Sozialministerin Petra Köpping als Spitzenkandidatin angetreten war, konnte sich mit 7,3 Prozent auf niedrigem Niveau stabilisieren. Mit einem Minus von 0,4 Prozentpunkten bleibt sie in Sachsen die stärkste Ampelpartei mit künftig zehn Sitzen. Die Grünen verloren 3,5 Prozentpunkte, konnten sich jedoch dank der Stimmen aus den Universitätsstädten mit 5,1 Prozent knapp über die Sperrklausel retten. Allerdings hätten sich auch die Grünen durch Direktmandate in Leipzig und Dresden retten können. Die entsprechende Kampagne der Organisation Campact scheint sich bezahlt gemacht zu haben.

Für eine Regierungsbildung könnten sie jedoch nicht mehr gebraucht werden. Kretschmer könnte sich eine Mehrheit sichern, indem er ein Regierungsbündnis mit der SPD und dem BSW bildet oder eine Zweierkoalition mit den Sozialdemokraten von der Wagenknecht-Partei tolerieren lässt.

Theoretisch wäre auch ein Viererbündnis mit SPD, Grünen und Linkspartei möglich. Diese Option wäre allerdings mit Kretschmer nicht zu machen, der im Wahlkampf klar seiner Präferenz für eine Regierung ohne Grüne Ausdruck verliehen hatte. Außerdem wäre in einem solchen Fall, der ohnehin erst ein Ende des Unvereinbarkeitsbeschlusses gegenüber der Linken voraussetzte, mit schweren innerparteilichen Turbulenzen zu rechnen.

Steigende Kriminalität als große Sorge von 76 Prozent der Sachsen

Bezüglich der Themen, die für die Wahlentscheidung die größte Rolle spielten, nannten 20 Prozent der Befragten gegenüber Infratest dimap die soziale Sicherheit. Überraschenderweise lag bezüglich der Kompetenz in diesem Bereich die AfD auf Platz 1 mit 19 Prozent (+ 7 gegenüber 2019) – vor SPD (17), CDU (16) und BSW (13).

Auf den Plätzen 2 und 3 standen die Zuwanderung (19 Prozent) und die Kriminalität (18 Prozent). Die wirtschaftliche Entwicklung nannten im ökonomisch verhältnismäßig stabilen Freistaat 16 Prozent der Befragten. Der Klimaschutz spielte nur für 7 Prozent eine Rolle.

Insgesamt gaben 76 Prozent der Befragten an, dass steigende Kriminalität zu ihren größten Sorgen gehöre. Unter den AfD-Wählern waren dies sogar 98 Prozent, bei jenen des BSW 87 Prozent; von den CDU-Wählern rechnen 71 Prozent mit steigender Kriminalität. Demgegenüber bereitet dieses Thema 74 Prozent der Grünen-Anhänger keine Sorgen.

AfD holt deutlich weniger Nichtwähler zurück als in Thüringen

In Summe hat die CDU in Sachsen 44.000 Stimmen an die AfD und 43.000 Stimmen an das BSW verloren. Ihre Position verteidigen konnte sie jedoch, weil es ihr gelang, 39.000 vormalige Nichtwähler für sich zu mobilisieren. Auch 30.000 frühere Grünen-Wähler, 20.000 von der Linken und 14.000 von der SPD gaben dieses Mal der Union die Stimme. Einige davon wollten damit möglicherweise auch verhindern, dass die AfD stimmenstärkste Kraft wird.

Im Stimmkreis Leipziger Land 3 schaffte es Matthias Berger von den Freien Wählern auf den letzten Metern, AfD-Bewerber Jörg Dornau zu überholen und ein Direktmandat zu holen. Mit ihren 41 Sitzen erreicht die AfD dennoch die Sperrminorität.

Die Linkspartei verlor in alle Richtungen, am meisten jedoch mit 76.000 an das BSW. Die Wagenknecht-Partei gewann 46.000 frühere Nichtwähler für sich, außerdem 16.000 Stimmen von der SPD und sogar 10.000 aus dem Lager der Grünen. Allerdings zeigte sich in beiden Bundesländern, dass das BSW bei jüngeren Wählern unterdurchschnittlich stark abschneidet.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion