Rügen: LNG-Terminal fast fertig – Initiativen starten weitere Protestaktionen
Die Bürgerinitiative Lebenswertes Rügen will am 16. Februar Protestaktionen gegen das LNG-Projekt der Bundesregierung im Ostseebad Binz, in Berlin und Kassel, dem Hauptsitz des Fernleitungsnetzbetreibers GASCADE, durchführen.
Neben Lebenswertes Rügen werden auch verschiedene Verbände und Vereine – wie die Deutsche Umwelthilfe, Greenpeace oder NABU – an den Aktionen teilnehmen, wie Thomas Kunstmann (65) von der Initiative, gegenüber Epoch Times erklärt.
Sie alle sehen keinen Bedarf für das Terminal auf Rügen und befürchten Gefahren für die Ökologie und dem wirtschaftlich für diese Region bedeutenden Tourismus.
Das sieht das Bergamt Stralsund als Genehmigungsbehörde für den Bau und den Betrieb der LNG-Leitung auf dem Ostseegrund anders. Sie folgt damit der Ansicht der Betreiber und der Bundesregierung.
Der Bau der Leitung war bereits am 18. Januar abgeschlossen, wie GASCADE mitteilte. Die 50 Kilometer lange Leitung verbindet das LNG-Terminal im Hafen Mukran auf Rügen mit dem deutschen Gasfernleitungsnetz in Lubmin auf dem Festland. Zwei in Mukran festgemachte Regasifizierungsschiffe werden das mit Schiffen angelieferte flüssige LNG in gasförmiges Erdgas umwandeln.
Nun würden die vorbereitende Arbeiten zur kommerziellen Inbetriebnahme bevorstehen und eine erste Einspeisung wäre noch im Februar möglich, so der Betreiber.
„Genehmigt wie beantragt“
Kunstmann beklagt, dass das Bergamt Stralsund alles nach dem Motto bearbeiten würde „genehmigt wie beantragt“. Auch hat es einer Fortsetzung der Baggerarbeiten nach Ende Dezember genehmigt, trotz der beginnenden Heringslaichzeit und Warnungen von Fischerei- und Umweltexperten. Die Schonzeit geht noch bis Mai.
Auch von der eigenen Landesregierung ist er enttäuscht: So hätte Landesumweltminister Till Backhaus (SPD) beim „Gingster Gespräch“ am 16.11.2023 noch geäußert, dass am 31.12.2023 mit Rücksicht auf die Laichzeit des Herings „der Hammer fällt“.
Backhaus sagte in einem NDR-Interview kürzlich: „Wir haben von Anfang an gesagt, dass Mecklenburg-Vorpommern dieses Projekt so nicht unterstützt, weil wir Zweifel haben an der Gasmangellage.“
Warum habe dann die Landesregierung nicht entsprechend gegen die Pläne der Bundesregierung agiert, fragt Kunstmann.
Kritik an Bundesregierung
Zwischen Bundesregierung und Bevölkerung würde es zudem keinen offenen Dialog geben. „Die Bundesregierung spricht zwar mit LNG-Befürwortern und Interessenvertretern, aber nicht mit der Bevölkerung.“ Das betreffe auch den Ostbeauftragten der Bundesregierung, Staatsminister Carsten Schneider, so Kunstmann.
Zudem würden Unterlagen teilweise nur tageweise im Bergamt öffentlich einsehbar sein, was die Einsicht in wichtige Dokumente erschwere. Ein Gespräch mit der mecklenburg-vorpommerischen Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) wäre bis jetzt nicht zustande gekommen, so der ehemals in einer Verwaltung tätige Kunstmann.
Er vermutet, dass es daran liege, dass das Land interessiert sei, den Hafen Mukran als Industriestandort zu etablieren. Die Einrichtung des LNG-Terminals dort komme dem entgegen.
Naturschutzverein sieht Meeresschutzgebiete gefährdet
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) sieht durch die Bauarbeiten auf dem Ostseegrund und den später verstärkten Schiffsverkehr zur LNG-Anlieferung mehrere Meeresschutzgebiete und die heimischen Arten stark gefährdet.
Umweltverbände befürchten auch, dass neben dem Hering ebenfalls Aale, Störe und Wintervögel und Seegraswiesen bedroht seien.
Eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die Errichtung der LNG-Leitung auf dem Ostseegrund musste durch das Bergamt nicht durchgeführt werden, da die Pflicht dazu aufgrund des vom Bundestag beschlossenen LNG-Beschleunigungsgesetz entfiel.
Lediglich eine Umweltverträglichkeits-Vorprüfung wurde durchgeführt, die zum Ergebnis kam, dass sich „erhebliche nachteilige Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt, Wasser, das Landschaftsbild, Luft und Klima, kulturelles Erbe und sonstige Sachgüter“ nicht ergeben würden.
Behörde sieht Krise in der Gasversorgung
Das Bergamt Stralsund sieht auch noch Ende Januar eine Krise in der Gasversorgung, obwohl die Gasspeicher ausreichend gefüllt sind und der Winter mild verläuft. Dies geht aus einem veröffentlichten Vermerk hervor. Hier heißt es, dass die LNG-Pipeline „ihren Beitrag dazu leisten kann, eine Krise in der Gasversorgung abzuwenden.“
Über die LNG-Ostsee-Leitung soll künftig aus importiertem LNG jährlich 10 bis 15 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Deutschland gelangen. Olaf Scholz (SPD) und Robert Habeck (Grüne) haben sich für das Projekt mehrfach ausgesprochen. Der Wirtschaftsminister nannte das Vorhaben einen „Sicherheitspuffer“ für Deutschlands Energieversorgung.
Für Kunstmann habe das Bergamt durch die „durchgewunkenen“ Genehmigungsanträge gezeigt, dass es nicht unabhängig von der Politik agiere. Er gehe von einem baldigen Probelauf aus, auch, ohne dass die Leitung, wie es eigentlich vorgesehen war, vollständig mit Sand bedeckt ist.
Für Andrea Kähler (61), Vorstandvorsitzende der Bürgervereinigung Zukunft Sellin, habe der ganze Umgang mit den Menschen vor Ort nichts mit Demokratie zu tun. Für sie, die politisch links orientiert sei, erklärt sich darin auch der Zulauf in der Küstenregion zur AfD. Deren Vertreter würden jetzt auch in Sellin bei den Kommunalwahlen am 9. Juni antreten. Bürger wären aufgrund des Umgangs der Politik mit den Interessen der Bevölkerung zum LNG-Projekt resigniert und hätten sich zurückgezogen oder wären politisch orientierungslos, so die Gemeindevertreterin von Sellin und Mitglied des dortigen Kreistages.
Bundestagsmitglieder reagieren kaum
Die Initiative Lebenswertes Rügen schickte am 10. Januar einen Brief an alle Bundestagsmitglieder mit der Bitte, für einen Stopp des Ausbaus einzutreten. Der Brief wurde von rund 1.000 Einzelpersonen mitgetragen. „Darauf folgten kaum noch Reaktionen“, so Kunstmann.
In dem Schreiben machen sie deutlich, dass alle Voraussetzungen, womit die Bundesregierung das Projekt im beschleunigten Verfahren begründete, nicht gegeben seien. Es gebe keine Gasmangellage, die LNG-Anlage werde keinen Beitrag für den nächsten Winter liefern können und die Eignung der LNG-Leitung für den Wasserstofftransport sei nicht belegt.
Die Initiative beklagt auch eine „Beschädigung der Demokratie und des Rechtsstaats“ durch das Projekt. So würden die Beschlüsse der Gemeinderäte der Rügener Bäderorte wie Sellin, Göhren und Binz gegen das LNG-Vorhaben der Bundesregierung völlig negiert, obwohl sie alle noch Gültigkeit besäßen.
„Das Vertrauen in die derzeitigen politischen Entscheider ist nicht nur gestört, es geht grundsätzlich und dauerhaft verloren!“, heißt es.
Bedenken zur Betriebssicherheit
Auch meldet die Initiative Zweifel an, was die Betriebssicherheit im Katastrophenfall angeht. Auf Rügen gibt es keine Berufsfeuerwehr und auch keine entsprechende Katastrophenstelle.
Auch in einem Schreiben an Schwesig vor einigen Tagen hätten sie diese Punkte deutlich noch einmal gemacht. Dies blieb unbeantwortet, so Kunstmann.
„Ein LNG-Terminal auf Rügen ist der falsche Weg: klima- und energiepolitisch und erst recht für Menschen und Natur“, heißt es abschließend.
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