Rückwärtsfahren auf Parkplatz verboten? Nach massiver Kritik in Kiel zunächst vom Tisch
In Kiel sollten Autos künftig nur noch vorwärts auf größere Grundstücke ein- und ausparken. Wie die „Kieler Nachrichten“ am Donnerstag, 31. Oktober, berichteten, beabsichtigte die Stadt Kiel, das Rückwärtsein- und -ausparken zu verbieten.
Konkret hätte das bedeutet, dass neue Parkplätze in Zukunft so gestaltet werden müssen, dass Zufahrten nur noch vorwärts erreicht und verlassen werden können. Damit sollte die Verkehrssicherheit erhöht werden. Nach massiver Kritik wurde der Antrag jedoch vorerst zurückgenommen.
Nur noch vorwärts auf und vom Grundstück
„Bei beantragten Grundstückszufahrten werden regelmäßig Anträge gestellt, bei denen die Planung vorsieht, dass Fahrzeuge rückwärts auf oder von dem privaten Grundstück fahren“, sagte Mobilitätsdezernentin Alke Voß gegenüber den „Kieler Nachrichten“.
Aktuelle Unfallzahlen würden zeigen, dass es gerade bei rückwärtsfahrenden Fahrzeugen zu Unfällen mit Personenschaden kommt. Mobildezernentin Voß verwies dabei auf die „Vision Zero“ der Europäischen Kommission.
Die „Vision Zero“ ist ein Konzept der EU, das darauf abzielt, die Zahl der schweren Verkehrsunfälle und Todesfälle bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auf null zu reduzieren. Es beinhaltet die Verbesserung der Infrastruktur, strengere Verkehrsgesetze und die Förderung des Sicherheitsbewusstseins. Ursprünglich aus Schweden stammend, ist es jetzt ein zentraler Bestandteil der EU-Verkehrssicherheitspolitik.
Die Stadt Kiel wollte deshalb in Zukunft nur noch neue Grundstückszufahrten genehmigen, wenn sichergestellt ist, dass Fahrzeuge vorwärts auf das Grundstück fahren können und dieses ebenso wieder verlassen.
„Dies wird das Gefährdungspotential für andere und insbesondere vulnerable Verkehrsteilnehmer deutlich verringern“, begründete Voß das Vorgehen der Stadt in den „Kieler Nachrichten“.
Ziel „Vision Zero“ könnten verfehlt werden
Im März dieses Jahres hatte der Europäische Rechnungshof im Hinblick auf die vor über 20 Jahren entwickelten „Vision Zero“ im Sonderbericht „Verwirklichung der EU-Ziele im Bereich der Straßensicherheit“ festgestellt, dass wenn die EU und ihre Mitgliedstaaten keine größeren Anstrengungen unternehmen, die mittel- bis langfristigen Ziele bei der Verkehrssicherheit verfehlt werden.
„Die EU hat im Bereich der Straßenverkehrssicherheit bereits viel erreicht, aber noch immer sterben Tag für Tag Menschen auf unseren Straßen“, so Eva Lindström, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs damals. „Bleibt es beim jetzigen Fortschrittstempo, kann das Ziel einer Halbierung der Zahl der Verkehrstoten bis zum Ende des Jahrzehnts nicht erreicht werden. Wenn die EU und ihre Mitgliedstaaten ihre Ziele erreichen wollen, müssen sie einen Gang zulegen.“
Die Stadt Kiel wollte nun offenbar einen Gang zulegen. Betroffen von der Neuregelung in der Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein sollten in Zukunft neu entstehende Parkplätze beziehungsweise Zufahrten sein, etwa in Wohn- und Gewerbegebieten.
Wenn bestehende Parkflächen umgestaltet werden, sollten die neuen Regelungen ebenfalls gelten. Eine Ausnahme gab es allerdings: Das Rückfahrverbot sollte nicht für Kleingaragen und offene Anlagen bis zu vier Stellplätzen in unmittelbarer Straßennähe gelten.
Die neuen Flächen sollten zukünftig so gestaltet sein, dass Fahrzeuge darauf wenden können, um das Grundstück zu verlassen. Weiter sollten die Sichtbeziehungen an den Zufahrten so gestaltet sein, dass Fußgänger rechtzeitig zu sehen sind.
Die typische Breite für Ein- und Ausfahrten beträgt drei Meter. Zusätzlich war die Verwendung mechanischer Sicherheitsvorrichtungen wie Rolltore, Schranken oder Blinklichter möglich, um eine sichere und kontrollierte Zufahrt zum öffentlichen Bereich zu gewährleisten.
Stadtrat muss am Ende entscheiden
Laut dem Verkehrssicherheitsbericht Kiel, über den die „Kieler Nachrichten“ schon im Mai berichteten, ist die Zahl der Verkehrsunfälle in der Landeshauptstadt im Jahr 2023 gestiegen.
Im Vergleich zum Vorjahr registrierte die Kieler Polizei 8715 Unfälle – 641 mehr als noch 2022 (plus 7,9 Prozent). Insgesamt gab es nach Angaben der Statistik 71 Unfälle, die auf Fehler beim Wenden oder Rückwärtsfahren zurückzuführen waren.
Kiel plante allerdings keine Kontrolle, ob Fahrzeuge korrekt ein- und ausfahren. Das teilte das zuständige Tiefbauamt den „Kieler Nachrichten“ mit. Mit der geplanten Neuregelung sollte lediglich erreicht werden, dass künftig überhaupt die Möglichkeit besteht, Rückwärtsfahren bei Grundstücken zu vermeiden.
Antrag zurückgezogen
Wie die „Märkische Allgemeine“ am 1. November berichtete, hat die Verwaltung den Antrag zum Rückwärtsfahrverbot auf privaten Grundstücken nach massiver Kritik vorerst zurückgestellt.
Die Opposition sprach von „politischer Bevormundung“, „Eingriff in den privaten Alltag“ sowie einem „klassischen Beispiel von Überregulierung“.
„Als CDU-Ratsfraktion sind wir sprachlos und ratlos: Ist es schlicht die Idee, das Rückwärtsausparken zu reglementieren oder ist es das beispiellose Vorgehen der Dezernentin Voß, was stärker zu kritisieren ist?“, fragte CDU-Fraktionschef Carsten Rockstein. Ohne belastbare Zahlen, wie Rückwärtsausparken bei Unfällen ursächlich ist, werde das Feindbild Autofahrer gepflegt.
Ursprünglich sollte sich am kommenden Dienstag der Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz und Mobilität des Stadtrates mit dem Antrag der Verwaltung beschäftigen. Doch der Punkt wurde von der Tagesordnung genommen.
„Wir wollen uns als Verwaltung erst noch mit beteiligten Akteuren abstimmen, wie zum Beispiel der Verkehrswacht, der Polizei oder der IHK“, sagt Alke Voß. Der Antrag sei verfrüht gestellt worden.
Wann das Thema wieder auf die Tagesordnung kommt, bleibt abzuwarten.
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