Rückkehr ins Rampenlicht: Merkel übt deutliche Kritik an Kurs der CDU-Führung
Nach fast drei Jahren des Rückzugs aus der Öffentlichkeit meldet sich Alt-Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einer Buchveröffentlichung zurück. Am Dienstag, 26.11., wird die langjährige CDU-Vorsitzende ihrer Memoiren mit dem Titel „Freiheit. Erinnerungen 1954–2021“ vorstellen. Auf etwa 750 Seiten lässt sie ihre persönliche Geschichte und die wichtigsten Stationen ihres politischen Lebens Revue passieren.
Im Deutschen Theater in Berlin wird sie das Buch bei dieser Gelegenheit selbst vorstellen – und mit Fernsehmoderatorin Anne Will und dem Publikum darüber sprechen. Um 19 Uhr wird die Veranstaltung beginnen.
Merkel verteidigt ihr Vorgehen während der Flüchtlingskrise
Das Auseinanderbrechen der Ampel-Koalition und die für den 23. Februar geplanten Neuwahlen geben der Buchpräsentation noch einmal eine besondere Brisanz. Schließlich hatte Merkel sich seit ihrem Ausscheiden aus dem Bundeskanzleramt nicht nur aus der politischen Öffentlichkeit ferngehalten. Die Altkanzlerin ist auch zu ihrer Partei auf Distanz gegangen. Sie hat die Ernennung zur Ehrenvorsitzenden der CDU abgelehnt und ist zu keinem Parteitag mehr erschienen.
In der Parteiführung dürfte angesichts der Rückmeldung Merkels in die Öffentlichkeit die Nervosität steigen. Immerhin hat sie vor wenigen Tagen deutliche Kritik an dem Kurs geübt, den der amtierende CDU-Chef Friedrich Merz in der Migrationspolitik fährt. Merkel wandte sich in einem „Spiegel“-Interview unter anderem gegen die Forderung, Asylsuchende bereits an der Grenze zurückzuweisen.
Sie finde dies „nach wie vor nicht richtig“, betonte die Altkanzlerin. Es sei „doch eine Illusion anzunehmen, alles wird gut, wenn wir Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückweisen“. Sollte die EU an der Lösung des Problems irregulärer Migration scheitern, drohe „ein Stück Rückabwicklung der europäischen Integration, mit Folgen, die man nicht abschätzen kann“.
Integration setzt „Mindestmaß an Wissen über andere Kulturen“ voraus
Merkel verteidigt ihr Vorgehen in der Flüchtlingskrise von 2015, das Kritiker innerhalb und außerhalb ihrer Partei als destabilisierend sowie als Schützenhilfe für die AfD anprangerten. Der frühere CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber soll Ende 2015 sogar versucht haben, CDU-Spitzenpolitiker Wolfgang Schäuble zum Putsch gegen die Kanzlerin zu überreden.
Diese betont noch heute, ihr Vorgehen sei erforderlich gewesen, um in Bezug auf „unsere tollen Werte in Europa“ und die Menschenwürde glaubwürdig zu bleiben. Die Vorstellung, an den deutschen Grenzen Wasserwerfer einzusetzen, sei für sie „furchtbar“ gewesen. Zudem hätten sie die Asylsuchenden in ihrer damaligen Situation an die DDR-Flüchtlinge 1989 in der Botschaft in Prag erinnert.
Merkel betont, die Ängste der Menschen vor unkontrollierter Zuwanderung islamistischem Terrorismus stets ernst genommen zu haben. Jedoch habe sie auch Politik für jene Menschen machen wollen, die befürchteten, „dass wir zu intolerant und hart werden“. Integration setze zudem Bemühungen beider Seiten voraus, betont die Altkanzlerin. Dabei müsse auch die Mehrheitsgesellschaft offen und veränderungsbereit sein:
„Voraussetzung ist ein Mindestmaß an Wissen über andere Kulturen, ich muss mich schon dafür interessieren.“
Kritik an Merkel kommt mittlerweile nicht nur von Rechts
Mittlerweile steht die einst von deutschen Journalisten zur „Weltkanzlerin“ ausgerufene Angela Merkel nicht nur von Rechts wegen ihrer Migrationspolitik unter Beschuss. Insbesondere seit der Eskalation des Ukraine-Krieges nehmen ihr Unterstützer Kiews ihre Osteuropapolitik übel.
Die Altkanzlerin verteidigt jedoch ihren 2008 geäußerten Widerstand gegen Pläne der NATO, die Ukraine in das Bündnis aufzunehmen. Dieses Ansinnen, vor dem Russlands Präsident Wladimir Putin bereits 2007 auf der Münchner Sicherheitskonferenz gewarnt hatte, kam damals auf dem Gipfel in Bukarest erstmals zur Sprache.
Merkel erklärte in diesem Kontext, die Problematik der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim sei ein entscheidender Unterschied zu anderen NATO-Beitrittskandidaten gewesen. Eine NATO-Mitgliedschaft sei zum damaligen Zeitpunkt in der ukrainischen Bevölkerung auch nicht mehrheitsfähig gewesen.
Ampel-Ära wird als negativer wahrgenommen
Die Altkanzlerin betont, eine nicht explizit feindselige Russlandpolitik sei noch in ihrer Amtszeit parteiübergreifender Konsens gewesen. Dies habe auch mit Blick auf die Energiepartnerschaft gegolten. Tatsächlich reichte diese weit in die Zeit vor der Ära Merkel zurück: 1973 schloss Deutschland mit der damaligen Sowjetunion ihren ersten Gasliefervertrag ab.
Kontrovers diskutiert wurden auch andere politische Leitentscheidungen, die Merkel während ihrer Amtszeit getroffen hatte. So hatte sie 2011 angesichts grüner Wahlerfolge nach dem Tsunami vor Japans Küste im Alleingang den vorzeitigen Ausstieg aus der Kernenergie angekündigt. Diese Entscheidung wird in Deutschland heute noch für hohe Energiepreise und eine verstärkte Abhängigkeit vom Ausland verantwortlich gemacht.
Andererseits gibt es in Teilen der Bevölkerung mittlerweile auch so etwas wie eine Merkel-Nostalgie. In einer YouGov-Umfrage im Frühsommer erklärten 61 Prozent der Befragten, dass die Verhältnisse in Deutschland seit dem Ende der Ära Merkel schlechter geworden seien. Nur sieben Prozent sahen Verbesserungen. Vor allem ältere Bundesbürger empfanden die Merkel-Jahre in der Rückschau als eine bessere Zeit.
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