Rückblick auf einen Turbo-Wahlkampf: Unsicherheit dominiert das Stimmungsbild
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Nach einem verkürzten „Wahlkampf im Turbomodus“ zur Bundestagswahl am Sonntag, 23. Februar, kann von einer Aufbruchsstimmung nach dem Ende der Ampelregierung keine Rede sein. Einem Stimmungsbild zufolge, das die ARD am Samstag veröffentlichte, äußern nur 12 Prozent der befragten Bundesbürger Zuversicht mit Blick auf die Zukunft. Mit Grünen-Minister Robert Habeck hat ein Spitzenkandidat diesen Begriff auf seinen Wahlplakaten verwendet.
Demgegenüber erklären 83 Prozent, Beunruhigung zu empfinden. Dies sei der „geringste Wert seit Jahrzehnten“, hieß es in dem Bericht der „Tagesschau“. Auch würden 68 Prozent der von infratest dimap Befragten zudem nicht damit rechnen, dass es nach der Wahl zur Bildung einer stabilen Regierung kommt.
Hat Olaf Scholz mit seinem Wahlkampf das Thema verfehlt?
Zu den Themen, die am stärksten zu der Beunruhigung in der Bevölkerung beigetragen haben, zählen die Zuwanderung (von 27 Prozent genannt), die wirtschaftliche Lage (26) und bewaffnete Konflikte wie in der Ukraine (20 Prozent). Eine schlechte Nachricht ist das vor allem für SPD und Grüne, die seit dem erzwungenen Ausscheiden der FDP ein Minderheitenkabinett bilden.
Bundeskanzler Olaf Scholz und die SPD hatten im Wahlkampf vor allem mit sozialen Themen wie der Sicherung der Rente oder einem höheren Mindestlohn punkten wollen. Um den Haushalt zu stabilisieren, regte Scholz eine Reform der Schuldenbremse an, um Investitionen zu ermöglichen.
Seine erhoffte Aufholjagd blieb jedoch aus. Kein Umfrageinstitut sieht die Partei bei mehr als 16 Prozent. Bei keinem der drei Themen, die Wähler am stärksten umgetrieben haben, scheint es Scholz gelungen zu sein, Vertrauen zu generieren. Da der Kanzler bisher ausgeschlossen hat, als Vizekanzler in ein Bündnis mit der Union zu gehen, könnte seine politische Karriere mit der Bundestagswahl zu Ende gehen.
Klimapolitik vor der Bundestagswahl für die meisten Wähler irrelevant
Anders als noch vor wenigen Jahren war auch der Klimaschutz kein Thema mehr, das am oberen Ende der wichtigen Themen für die Wähler angesiedelt war – jene der Grünen ausgenommen. Das hat auch dazu beigetragen, dass die Partei trotz deutlich besserer persönlicher Beliebtheitswerte von Kanzlerkandidat Robert Habeck ebenfalls nicht vom Fleck kam.
Trotz einer weltanschaulich gefestigten und geschlossen mobilisierbaren Stammwählerschaft können die Grünen nur mit 12 bis 13 Prozent rechnen. Wechselwähler machen um sie hingegen einen Bogen – anders als noch im August 2022, wo die Partei noch bis zu 26 Prozent auf sich vereinen hätte können und damit mit den Union gleichgezogen war.
Klimaforscher Hermann Lotze-Campen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hält die geringe Bedeutung des Klimaschutzes im Gespräch mit der ARD für „schwer nachvollziehbar“. Er geht davon aus, dass Dürren oder Überschwemmungen das Thema wieder zurück auf das Tagesordnung bringen werden.
Merz suchte nach Anschlägen Flucht nach vorn – und machte die Linke stark
Im Wahlkampf hatte sich die Thematik der Migration noch weiter zugespitzt. Ein mehr als 100 Mal den Behörden auffällig gewordener saudischer Staatsangehöriger hatte am 20. Dezember einen Pkw durch die Menschenmenge auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt gesteuert. Dabei starben sechs Menschen, unter ihnen ein Kind. Fast 300 wurden zum Teil schwer verletzt. Der Tatverdächtige befand sich seit 2006 in Deutschland und arbeite als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Seine Drohungen stieß er zum Teil öffentlich aus.
In Aschaffenburg tötete ein ausreisepflichtiger und bereits wegen Gewaltdelikten aufgefallener Afghane ein Kleinkind und einen Passanten, der helfen wollte. Drei weitere Menschen, darunter ebenfalls ein Kleinkind, wurden schwer verletzt. Der Tatverdächtige wurde bereits mehrfach stationär psychiatrisch behandelt.
Behörden gehen von islamtistisch beziehungsweise antisemitischen Motiven für die weitere Angriffe in München (am 13.2.) und Berlin (21.2.) aus. Tatverdächtig sind dabei ein afghanischer und ein syrischer Staatsangehöriger.
CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz nahm die Vielzahl an blutigen Anschlägen zum Anlass, im Bundestag Mehrheiten für mehrere Adhoc-Anträge zu suchen. Über einen Fünf-Punkte-Plan zur Verschärfung der Asylpolitik sollte der Bundestag als Entschließungsantrag abstimmen. Zudem brachte die Union in der letzten Sitzungswoche das bereits zurückgestellte Zustrombegrenzungsgesetz ein.
Gläserne Decke für die Union – AfD stabil über 20 Prozent
Die Abstimmung über das Gesetz scheiterte, nur der Entschließungsantrag zum Fünf-Punkte-Plan wurde mit hauchdünner Mehrheit angenommen. Dass die AfD und mehrere ihrer fraktionslosen früheren Abgeordneten mit der Union stimmten, kritisierten Rot-Grün und die Linkspartei als „Tabubruch“. Es folgte eine Reihe an Großdemonstrationen gegen ein gemeinsames Abstimmungsverhalten von CDU und CSU.
Der Union und Merz schadete dies wenig, allerdings halten sich auch die zu erwartenden Zugewinne in Grenzen. Die 30-Prozent-Marke ist den Umfragen zufolge eine gläserne Decke, über die CDU und CSU kaum hinauskommen werden. Die AfD festigte hingegen ihren Stand und kann mit mehr als 20 Prozent der Stimmen rechnen.
Größter Nutznießer der Debatte über gemeinsame Abstimmungen von Union und AfD war die Linkspartei. Die kämpferischen Reden ihrer Co-Vorsitzenden und Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek im Rahmen der Parlamentsdebatten und auch taktische Erwägungen hoben die vor wenigen Monaten noch hoffnungslose Linke wieder deutlich über die Fünf-Prozent-Hürde. Ihr Erfolg könnte am Ende verhindern, dass es eine parlamentarische Mehrheit von Union und Grünen gibt.
FDP setzt auf „Wirtschaftswende“
Die wirtschaftliche Lage hat sich über die Monate des Wahlkampfs auch nicht verbessert. Mehrfach kam es zu Dunkelflauten, die teilweise zu extremen Preisausschlägen an den Spotmärkten führten. Stahlwerke wie Georgsmarienhütte oder Feralpi in Sachsen schränkten phasenweise ihre Produktion ein oder stoppten sie – und warnten vor einer möglichen Abwanderung.
Gleichzeitig äußerten Staaten wie Schweden und Norwegen Unmut über die deutsche Energiepolitik, die auch deren Preissysteme durcheinanderbringe. Unsicherheit gibt es nicht nur bei der Stromversorgung, sondern auch beim Gas. Katar hatte in Aussicht gestellt, LNG-Lieferungen an die EU zu limitieren, sollte ein umstrittenes Lieferkettengesetz in Kraft treten. Unterdessen leeren sich die Gasspeicher.
Im Januar hat es eine Zunahme an Insolvenzen um 14 Prozent gegenüber dem Vormonat gegeben. Schon zum Jahreswechsel gingen mehrere Wirtschaftsforschungsinstitute von einer weiteren Zunahme von Firmenschließungen im Laufe des Jahres 2025 aus. FDP-Chef Christian Lindner hatte mit Forderungen nach einer „Wirtschaftswende“ zum Ende hin gezielt das Ende der Ampelkoalition provoziert. Auch im Wahlkampf versuchte er, vor allem dieses Thema in den Mittelpunkt zu stellen. Ob er damit Erfolg haben wird, ist ungewiss: Die meisten Umfragen sahen die Liberalen noch unter der Fünf-Prozent-Hürde.
Kostet Trump das BSW die Bundestagswahl?
Das Thema der bewaffneten Konflikte spielte im Wahlkampf der Parteien eine verhältnismäßig geringe Rolle. Unionskandidat Merz ruderte bezüglich der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine teilweise zurück. Scholz versuchte sich zwar als Kandidat der Besonnenheit in Szene zu setzen – allerdings blieb er dabei weit hinter der pointierten Position von Altkanzler Gerhard Schröder 2002 im Irak-Konflikt zurück.
Zur geringeren Bedeutung des Themas dürfte auch der Machtwechsel hin zu Donald Trump in den USA beigetragen haben. Dass er direkte Gespräche mit Russland über ein Kriegsende sucht und Europa außen vor lässt, könnte den Eindruck verstärkt haben, Deutschland selbst könne wenig zur weiteren Entwicklung beitragen. Neben den internen Querelen und der kontroversen Position im Nahostkonflikt könnte diese Entwicklung dazu beigetragen haben, dass das BSW den Bundestagseinzug verfehlt. Derzeit sehen nur INSA und YouGov die Sahra-Wagenknecht-Partei bei fünf Prozent.
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