„Rote Linie überschritten“: Bürgermeister nach Rede auf Corona-Demo in Bedrängnis

Weil der Teucherner Bürgermeister Marcel Schneider auf einer Corona-Demo zu den Bürgern sprach, muss er sich nun einer Untersuchung der Kommunalaufsicht unterziehen.
Titelbild
Eine Corona-Demonstration in Deutschland.Foto: Thomas Lohnes/Getty Images
Von 6. Januar 2022

Nachdem der parteilose Bürgermeister der 8.000-Einwohner-Kleinstadt Teuchern im Süden von Sachsen-Anhalt am 10. Dezember auf einer Anti-Impfpflichtdemo in der nahegelegenen Domstadt Naumburg vor den Teilnehmern eine Rede gehalten hatte, muss sich der Stadtchef nun der Kommunalaufsicht des Burgenlandkreises stellen.

Eine Sprecherin des Landkreises bestätigte am Dienstag gegenüber dem MDR, dass Bürgermeister Marcel Schneider einen Fragenkatalog der Kommunalaufsicht des Burgenlandkreises beantworten müsse.

Demnach soll der Kommunalpolitiker beantworten, wie er in der Stadtverwaltung Teuchern seine Pflichten als Dienstvorgesetzter und Arbeitgeber erfülle, um die Pandemie einzudämmen. Dazu müsse er der Sprecherin auch Unterlagen vorlegen. Über das weitere Vorgehen werde nach Auswertung der Antworten entschieden.

Nach Angaben der Sprecherin sei Bürgermeister Schneider bereits kurz vor Weihnachten in das Landratsamt vorgeladen worden. „In dem Gespräch wurde er ermahnt, innerhalb des Amtes als Bürgermeister die erforderliche Mäßigung und Zurückhaltung zu üben, die für eine neutrale Amtsausübung unerlässlich ist“, erklärte die Landkreis-Sprecherin.

Zuvor bereits, am 20. Dezember, hatte eine Behördensprecherin auf dpa-Anfrage bestätigt: „Gegenwärtig wird der Umstand kommunalrechtlich und beamtendienstrechtlich geprüft.“

„Demokratische Verhältnisse sehe ich nicht mehr“

Wie die „Mitteldeutsche Zeitung“ schreibt, gehörte Bürgermeister Schneider in der Vergangenheit eher zu jenen, die laut vor dem Virus und seinen Gefahren warnten und frühzeitig nach Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie aufgerufen hatten. Umso überraschender dürfte sein Auftritt für viele gewesen sein, so das Blatt. In einem Internetvideo ist Schneider zu sehen, wie er zu den Menschen spricht.

Schneider erklärt darin, dass er nicht zum ersten Mal Gesicht zeige. Auch am Montagsspaziergang sei er mit den Menschen zusammen gewesen. Nicht alles, was die Demonstranten sagten, teile er, machte der Bürgermeister deutlich. In vielen Punkten hätten sie aber recht. „Die rote Linie ist überschritten, demokratische Verhältnisse sehe ich nicht mehr.“

Er gab den Menschen – „auch für die zukünftigen Veranstaltungen“ – mit auf den Weg: Es werde immer vorgeworfen, dass die Menschen Querdenker, Leerdenker, Rechte oder Corona-Leugner und ähnliches seien. Er leugne das Virus nicht. Man müsse es ernst nehmen. „Aber das, was man mit uns als Gesellschaft macht, das, was man mit meiner Gemeinde macht, bin ich nicht mehr bereit hinzunehmen.“

Schneider verurteilte die „unsinnigen“  2G- und 2Gplus-Regeln „aufs Schärfste“. Niemand könne ihm auch die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen erklären, die man als Gemeinde umsetzen müsse. Schneider bittet um Verständnis für die Verwaltungsangestellten oder die Mitarbeiter der Kindertageseinrichtungen, die nichts dafür könnten. Man solle seinen Frust nicht an ihnen ablassen.

Der Bürgermeister kritisierte auch die Nationale Akademie der Wissenschaften, die Leopoldina in Halle, weil sie jetzt einen noch härteren Lockdown und die Impfpflicht fordere, im Jahr 2016 aber die Reduzierung der Kliniken in Deutschland von 1.600 auf 330 gefordert habe.

„Wo ist das Christliche und Soziale geblieben?“

Auch die Parteien kritisierte Schneider. Er frage sich, während Ungeimpfte mit 2G ausgegrenzt würden und nicht in Geschäfte dürften, um Weihnachtsgeschenke zu kaufen, wo denn das Christliche bei der CDU geblieben sei?

Die Ausgrenzung sei ein himmelschreiendes Unrecht. Er frage sich auch, wo das Soziale bei der SPD geblieben sei. Täglich erreichten ihn als Bürgermeister Anrufe von Auszubildenden und Angestellten, „insbesondere aus dem ländlichen Raum“, die keine Teststation vorfänden, sodass sie keinen Nahverkehr benutzen könnten, ihre Arbeit nicht ausüben könnten und im Zweifelsfall ihre Ausbildung nicht beenden könnten.

Nach Angaben von Schneider habe an diesem Tag die FDP mit 79 zu 1 Ja-Stimmen der Impfpflicht erster Berufsgruppen zugestimmt. Dabei sei die FDP doch so freiheitsliebend und gebe an, sich für Unternehmen einzusetzen und wolle auch Unternehmen vor Ort stärken. Doch das, was sie jetzt mitmachten, mit 2G, führe dazu, dass in Naumburg die letzten Geschäfte an den Ruin getrieben würden und man irgendwann leere und verwahrloste Innenstädte habe.

Ein Impfgegner sei er nicht, wer sich impfen lassen wolle, solle das tun. Er selbst werde es nicht tun, „weil ich nicht zu der Risikogruppe gehöre“, sagte der 41-jährige Bürgermeister. Er sei felsenfest davon überzeugt, dass es eine persönliche Entscheidung bleiben muss.

Abschließend bat er die Menschen, „der Linie treu zu bleiben, Flagge zu zeigen, für die Rechte auf der Straße einzutreten, dafür gemeinsam zu kämpfen“, so Schneider. Eine „große Bitte“ hängte der Bürgermeister noch an: „Bleibt friedlich!“ Man solle auch nicht die eingesetzten Polizisten beleidigen, die lediglich hier ihre Arbeit machten.

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