Rot-Grün oder Schwarz-Rot in Hamburg? Mehrere Koalitionsoptionen für Tschentscher

Die SPD bleibt bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg stärkste Kraft, muss aber Verluste hinnehmen. Bürgermeister Peter Tschentscher kann weiterregieren – ob mit den Grünen oder der CDU, ist noch offen. Während die CDU zulegt und die Grünen überholt, scheitern FDP und BSW deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde.
Tschentscher will mit beiden reden.
Tschentscher(r) will mit beiden Parteien reden.Foto: Christian Charisius/dpa
Von 3. März 2025

Die Wahlen zur 23. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg haben dem Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher und der SPD ein Mandat für eine weitere Amtszeit verliehen. Nach den Zahlen der vereinfachten Auszählung vom Sonntag, 2. März, können die Sozialdemokraten entweder ihr seit 2015 regierendes Bündnis mit den Grünen fortsetzen oder eine Koalitionsregierung mit der CDU bilden.

Tschentscher will zuerst mit Grünen sprechen

Die SPD kam den vorläufigen Zahlen zufolge auf 33,5 Prozent der abgegebenen Stimmen und 45 Sitze in der Bürgerschaft. Gegenüber 2020 bedeutet das zwar einen Verlust von 5,7 Prozentpunkten, die Sozialdemokraten können jedoch mit deutlichem Abstand ihren Führungsanspruch behaupten. Das exakte Endergebnis wird erst in den kommenden Tagen nach der vollständigen Auszählung aller Stimmzettel verkündet.

In Hamburg haben die Bürger jeweils fünf Stimmen, die sie für die Wahlkreisliste und die Landesliste abgeben können. Auch Kumulieren und Panaschieren wie bei Kommunalwahlen ist möglich. Das macht den Auszählungsvorgang langwieriger und komplizierter.

Peter Tschentscher zeigte sich in einer ersten Reaktion erfreut, dass „die SPD noch Wahlen gewinnen kann“. Er kündigte an, dass die SPD ihre ersten Gespräche mit den Grünen führen werde und er auf eine schnelle Einigung über die Zukunft der Stadt hoffe. Allerdings wolle er auch mit der CDU reden.

Ihre besten Ergebnisse erzielten die Sozialdemokraten in Gebieten wie Billstedt (41,1 Prozent), Rahlstedt (39 Prozent) oder Wahlkreisen wie Waltershof/Finkenwerder (44,1 Prozent). Allerdings verlor die SPD in Billstedt 10,1 Prozentpunkte. Überdurchschnittlich waren die Verluste auch in Süderelbe mit minus 8,5 Prozentpunkten. Bei der Bundestagswahl hatte die Partei die beiden Erststimmen-Wahlkreise im Süden der Stadt für sich entschieden. Im Norden konnten die Grünen beide Wahlkreise verteidigen.

Seit der Gründung der Bundesrepublik hatten die Sozialdemokraten in Hamburg die führende Rolle inne. Lediglich von 1953 bis 1957 und von 2001 bis 2011 regierten die Ersten Bürgermeister der CDU.

CDU klettert auf Platz 2 – und mahnt zum Koalitionswechsel in Hamburg

Im Rennen um Platz 2 konnte die CDU die Grünen überrunden. Unter ihrem Spitzenkandidaten Dennis Thering gewannen die Christdemokraten 8,6 Prozentpunkte dazu und kommen voraussichtlich auf 19,8 Prozent und 26 Sitze in der künftigen Bürgerschaft. Damit verbesserte sie sich deutlich gegenüber den 11,2 Prozent des Jahres 2020, die das schlechteste Ergebnis für die Christdemokraten in der Geschichte des Hamburger Landesverbandes dargestellt hatten.

Thering hat Tschentscher bereits zum Wahlsieg gratuliert und ihm eine künftige Regierungszusammenarbeit angeboten. Die SPD habe den Auftrag, einen neuen Senat zu bilden. Eine SPD/CDU-Koalition würde Hamburgs Position im Bund stärken – „und damit auch die Handlungsfähigkeit der neuen Bundesregierung aus CDU und SPD“. Auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann mahnte Tschentscher, die „Aufbruchsstimmung“ nicht zu ignorieren, die den Erfolg der Union signalisiere.

Die Grünen unter Führung der Zweiten Bürgermeisterin Katharina Fegebank verloren demgegenüber 5,7 Prozentpunkte und kamen nur noch auf 18,5 Prozent der Stimmen. Die 25 Sitze, mit denen sie in der Bürgerschaft rechnen können, würden jedoch für eine Fortsetzung des Regierungsbündnisses ausreichen.

Bereits bei der Bundestagswahl hatte die CDU mit 20,7 Prozent die Grünen (19,3) auf Distanz halten können. Zu den Hochburgen der Union gehörten Alstertal/Walddörfer (32,7 Prozent) und Bergedorf (23,4). Die Grünen kamen trotz Verlusten in Eimsbüttel-WK 5 auf 32,9 und im Wahlkreis Altona auf 28,7 Prozent.

Linke zweistellig – AfD leicht im Plus – BSW erleidet schwere Schlappe

Den vierten Platz bei der Bürgerschaftswahl konnte sich die Linkspartei deutlich vor der AfD sichern. Beide Parteien konnten gegenüber vor fünf Jahren dazugewinnen, bleiben jedoch hinter ihren Zweistimmenergebnissen bei der Bundestagswahl am vergangenen Sonntag zurück. Die Linke wird mit 11,2 Prozent zweistellig und kann 15 Sitze auf sich vereinen. Bei der Bundestagswahl hatte die Partei noch 14,4 Prozent erreicht. Die AfD konnte um 2,2 Prozentpunkte auf 7,5 Prozent zulegen und steigert die Zahl ihrer Abgeordneten auf zehn. Ein zweistelliges Ergebnis wie die 10,9 Prozent bei der Bundestagswahl vor einer Woche blieb jedoch außer Reichweite.

Die Linke mit Spitzenkandidatin Cansu Özdemir erzielte herausragende Ergebnisse in den Wahlkreisen Kleiner Grasbrook/Steinwerder (52,8 Prozent) und den Bezirken Veddel (37,4 Prozent) und Mitte (17,3). Demgegenüber hatte die AfD ihre Hochburgen in den traditionell für die Rechte empfänglichen Gebieten wie Billstedt (14,2 Prozent) oder Süderelbe (13,2 Prozent). Die Linke erzielte wie schon vor einer Woche bei den Jungwählern ihre besten Ergebnisse und rückte mit 25 Prozent in dieser Altersgruppe knapp an die SPD (27 Prozent) heran. Die Sozialdemokraten kamen in der Altersgruppe über 60 auf 44 Prozent.

Das BSW fuhr bei seinem ersten Antreten in der Freien und Hansestadt lediglich 1,8 Prozent ein und verfehlte damit deutlich den Parlamentseinzug. Für die Partei von Gründerin Sahra Wagenknecht bedeutet dies einen weiteren Rückschlag in einem westdeutschen Hoffnungsgebiet. Schon bei der Bundestagswahl hatte die Partei in Hamburg – dem Landesverband bekannter Lokalmatadore wie MdEP Fabio De Masi und der früheren Bundestagsabgeordneten Żaklin Nastić – nur 4,0 Prozent der Zweitstimmen eingefahren.

FDP und Volt scheitern ebenfalls an der Fünf-Prozent-Hürde

Die FDP, die 2020 mit 4,97 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war, wird ebenfalls nicht in der Bürgerschaft vertreten sein. Mit 2,3 Prozent bleibt sie deutlich unter der Fünf-Prozent-Hürde. Vor fünf Jahren war es den Liberalen noch gelungen, im Wahlkreis Blankenese ein Direktmandat durch Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein zu erringen. Diese trat jedoch 2024 zur CDU über – wodurch die FDP auch dieses Mandat verlor. In der Vorwoche hatte die Partei bei der Bundestagswahl in Hamburg 4,5 Prozent auf sich vereinigen können.

Mit 3,3 Prozent gelang der linksliberalen Pro-EU-Partei Volt ein Achtungserfolg. In der Altersgruppe von 25 bis 44 Jahren erreichte die Partei sogar fünf Prozent. Den Einzug in die Bürgerschaft verfehlte sie jedoch ähnlich deutlich wie die Freien Wähler und sieben weitere Wahlvorschläge. Die Wahlbeteiligung betrug in diesem Jahr 67,7 Prozent, gegenüber 2020 ist das ein Plus von knapp fünf Prozent und gegenüber der Bundestagswahl vor einer Woche ein Minus von rund zwölf Prozentpunkten. Bereits im Laufe des Tages hatte sich eine deutlich höhere Wahlbeteiligung als vor fünf Jahren abgezeichnet.

Sozialdemokraten und CDU holten die meisten Nichtwähler zurück

Die SPD konnte vor allem aus dem Lager der Grünen Wählerstimmen gewinnen, den Wählerstromanalysen zufolge waren es 21.000 – und immerhin 13.000 Nichtwähler zurück an die Urne holen. Hingegen verlor sie 23.000 Stimmen an die CDU, 5.000 an die AfD und 2.000 an die Linke.

Die Grünen konnten zwar 6.000 Nichtwähler für sich mobilisieren, verloren aber an Sozialdemokraten, Linke (10.000) und CDU (7.000). Die CDU konnte SPD und Grünen Stimmen abnehmen und 20.000 Nichtwähler für sich gewinnen.

Die Linke konnte neben Wählern von SPD und Grünen auch 6.000 Nichtwähler ansprechen, verlor jedoch 2.000 Stimmen an die AfD. Diese wiederum holte 11.000 Stimmen von Wahlberechtigten, die 2020 noch der Wahl ferngeblieben waren.

Wähler in Hamburg deutlich zufriedener – und „um Demokratie besorgt“

Die Wahrscheinlichkeit, dass es einen Regierungswechsel in der Hansestadt geben wird, ist gering – wenn man von den Motivanalysen der Wähler ausgeht. Mehr als 60 Prozent der Befragten äußerten sich in Wahlumfragen mit dem Senat zufrieden. Die Sorge, dass „Demokratie und Rechtsstaat in Gefahr“ wären, teilen mehr Hamburger als jene, die Wohnungsnot, hohe Preise und Altersarmut fürchteten.

Der Fortbestand von Demokratie und Rechtsstaat war sowohl für Wähler der SPD als auch für jene von Grünen und Linken die größte Sorge. CDU-Wähler machten sich mehr Gedanken um den Wirtschaftsstandort, AfD-Wähler um Migration, Sicherheit und Inflation. AfD und BSW erzielten in Wählergruppen die höchsten Ergebnisse, die ihre finanzielle Situation als schlecht beschrieben. Die allgemeine wirtschaftliche Lage bewerteten in Hamburg jedoch nur 36 Prozent als schlecht – verglichen mit 83 Prozent bundesweit.

 



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