Rostocks OB Methling: „Jede deutsche Stadt kann jederzeit 10.000 oder 20.000 Flüchtlinge aufnehmen“
In Kürze wird Rostocks seit 2005 regierender Oberbürgermeister Roland Methling das Amt an seinen designierten Nachfolger Claus Ruhe Madsen übergeben. Angesichts seines bevorstehenden Abschiedes hat er noch einmal die Gelegenheit ergriffen, um in einem Interview mit der „Welt“ scharfe Kritik an der aus seiner Sicht immer noch unzureichenden Beteiligung Deutschlands an der Bewältigung der Flüchtlingskrise im Mittelmeer zu üben.
Nachdem sich bereits im Herbst des Vorjahres 72 deutsche Kommunen zu „Sicheren Häfen“ für im Mittelmeer aus „Seenot“ geretteten Migranten erklärt hatten, war Rostock auch unter jenen 13 deutschen Städten und Gemeinden, die das kommunale Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ ins Leben riefen.
Die neu gewählte Rostocker Bürgerschaft entschied in ihrer ersten Sitzung in der Vorwoche, 20 Migranten aufzunehmen. Methling zeigte sich zufrieden über die Entscheidung. Die Migranten waren im Zuge der jüngsten „Seenotrettungs“-Mission im Mittelmeer aufgegriffen worden. Das „Wegschauen“ müsse ein Ende haben, so Methling, „angesichts der humanitären Katastrophe im Mittelmeer kann es keine weitere Zeitverzögerung geben“. Die Entscheidung fiel gegen eine Gegenstimme und drei Enthaltungen.
„80 Millionen sensibilisieren“
Um die Kosten der Aufnahmebereitschaft abdecken zu können, soll der im Laufe der vorangegangenen Jahre mühevoll sanierte Haushalt der Kommune herhalten:
Wir wollen die Kosten für diese Personen tragen, falls Bund und Länder nicht dafür aufkommen. Diese konkrete Verpflichtung übernehmen wir als erste deutsche Großstadt. Denn oft wird über die Unterstützung von Flüchtlingen gesprochen, ohne über den Einsatz von eigenem Geld nachzudenken.“
Methling will „80 Millionen Menschen sensibilisieren“ für die Situation im Mittelmeer. Er wirft der deutschen und europäischen Politik „Versagen“ in dieser „großen humanitären Katastrophe“ vor. Deutschland müsse deshalb in Europa die Führung übernehmen:
Wir müssen uns an die Spitze stellen und Lösungen in Europa fordern, wie die Flüchtlinge verteilt werden.“
Der scheidende OB der Hansestadt unterstrich auch die von der Bürgerschaft per Beschluss verstärkte Forderung, die Zustimmungspflicht des Bundes bei eigenständigen Aufnahmeentscheidungen von Kommunen aus dem Aufenthaltsgesetz zu streichen.
„Nach dem Krieg ging das auch“
Die Frage, wie viele Migranten Rostock als Stadt maximal aufnehmen könnte, hält Methling für „rein theoretisch“. Er erinnert an die Aufnahme von Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nach 1945:
Denken Sie einfach über 70 Jahre zurück an das Ende des Zweiten Weltkrieges. Damals wuchsen Städte mit 5000 Einwohnern quasi über Nacht zu Städten mit 10.000 Einwohnern. Auch hier in Mecklenburg-Vorpommern. Wir können jederzeit auch 1000, 2000, 10.000 oder 20.000 Flüchtlinge in Rostock aufnehmen. Das kann jede deutsche Stadt.“
Das bedeute natürlich „Einschnitte und Einschränkungen, neue Schwerpunkte in der Stadtentwicklung“. Das könne heißen, dass eine Straße etwas später saniert oder eine Schule später gebaut werde.
„Insellösungen“ könne es dennoch nicht geben. Selbst wenn Rostock 200.000 Flüchtlinge aufnehme, bleibe doch das globale Thema ungelöst. Europa müsse sich deshalb „gemeinsam dieser Verantwortung stellen“.
Den Einwand, dass eine großzügige Aufnahmepolitik von Mittelmeer-Migranten eine zusätzliche Motivation darstellen könnte, sich auf Flüchtlingsboote zu begeben, lässt Methling nicht gelten:
„Diejenigen Flüchtlinge, die von Sea-Watch und anderen Organisationen aufgenommen werden, machen nicht mal zwei Prozent derjenigen aus, die versuchen, über das Mittelmeer zu fliehen. Es bleibt dabei, dass Zehntausende ihr völkerrechtlich verbrieftes Asylrecht wahrnehmen wollen, um Verfolgung und Tod zu entkommen.“
„Entwicklungshilfe innerhalb kürzester Zeit verzehnfachen“
Um die Kosten für die zusätzliche Aufnahme von Migranten zu finanzieren, fordert Methling eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Zudem müsse man „Milliarden Euro in den afrikanischen Kontinent und in den arabischen Konfliktgebieten investieren, damit die Fluchtursachen bekämpft werden“.
Methling plädierte für ein europäisches Programm, das nicht nur 0,7 Prozent des Bruttosozialproduktes für Entwicklungshilfe einsetze, sondern fünf oder acht Prozent.
„Die Entwicklungshilfe muss sich innerhalb kürzester Zeit verzehnfachen, damit es überhaupt eine Chance gibt, das Thema zu lösen. Auch die Kommunen müssen da verpflichtend mehr in die Verantwortung genommen werden.“
Die Bundesregierung könnte beschließen, dass aus den Haushalten der Gemeinden und Länder fünf bis zehn Prozent für Entwicklungshilfe eingesetzt werden müssten. Das klinge „jetzt vielleicht etwas abenteuerlich, aber es gibt derzeit für die globalen und humanitären Problemlagen auf unserem Erdball keinerlei durch den Gesetzgeber festgeschriebene Verantwortung in den Kommunen“. Aber solange eine erhebliche Zahl von Kommunen in Deutschland keinen ausgeglichenen Haushalt habe, werde es „auch schwer sein, hier ohne Widerstand aktiv zu werden“.
Die Hansestadt war auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise eine Transitstadt. Von allen Migranten, die seit 2015 nach Rostock gekommen waren, sind nach Angaben des Oberbürgermeisters 40 000 nach Skandinavien weitergezogen, geblieben seien lediglich 1500. Da die Zahl der Asylbewerber zurückgegangen sei, hätte man zwei von vier Gemeinschaftsunterkünften wieder schließen können.
Meuthen: Politiker wie Methling befeuern Schlepperei
AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen wies die Aussagen Methlings auf Facebook zurück und sprach im Zusammenhang mit der Aufnahme von „Seenot“-Migranten aus dem Mittelmeer von einer „vollkommen irrwitzigen Entscheidung“. Geboten wäre es aus seiner Sicht, illegalen Einwanderern zu signalisieren, dass es für sie in Deutschland keine Zukunft geben werde. Stattdessen setzten nun auch Kommunal-Politiker falsche Signale und schafften völlig verfehlte Anreize für die Fortsetzung von „Merkels Masseneinwanderung“.
Meuthen kritisierte auch in scharfer Form den Verweis Methlings auf die Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg:
Man fasst sich an den Kopf in Anbetracht einer derartigen Verdrehung der geschichtlichen Tatsachen wie auch heutiger Realitätsferne.“
Die Flüchtlinge am Ende des Zweiten Weltkrieges seien Deutsche gewesen, die vertrieben wurden oder vor den Gräueltaten der damaligen Roten Armee geflohen seien.
„Wo sollten diese bedauernswerten Menschen denn hin, wenn nicht in die Obhut deutscher Städte (bzw. das, was von diesen Städten am Ende des Krieges noch übrig war)? Die Massen, die dagegen heute zu uns kommen, sind zu einem erheblichen Teil Scheinasylanten – Wirtschaftsflüchtlinge aus aller Herren Länder auf der Suche nach einem besseren Leben, zu nicht unerheblichen Teilen angelockt von vollkommen aberwitzigen Versprechen ihrer Schlepper.“
Politiker wie Methling würden diesen Schleppern mit ihren Aussagen noch einmal einen zusätzlichen Trumpf in die Hand geben.
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