RKI warnt vor Fehlinterpretation der Heinsberg-Studie – Abstandhalten ist „neue Normalität“

Rund 2,4 Millionen Corona-Labortests sind laut Robert Koch-Institut bisher in Deutschland untersucht worden. Doch auch wenn die Anzahl der Infizierten zurückgehe, so sollten die Deutschen weiterhin die Disziplin der vergangenen Wochen an den Tag legen, um Infektionen zu vermeiden – zur Vorbeugung einer zweiten Welle.
Von 5. Mai 2020

Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, hat Kritik bezüglich der Ergebnisse und Methoden der sogenannten „Heinsberg-Studie“ zurückgewiesen. Es sei eine „wichtige und richtige“ sowie „valide Studie“, sagte er am 5. Mai bei einer Pressekonferenz in Berlin. „Diese Daten sind mit einem sauberen, nachvollziehbaren Studiendesign und mit adäquaten Methoden erhoben worden.“

Die eigentliche Problematik sehe der RKI-Chef in der Fehlinterpretation in der Öffentlichkeit.

Die Ergebnisse seien „schwerlich auf ganz Deutschland“ zu übertragen, da die Daten nur für einen bestimmten Kreis, den Ort Gangelt, mit einem bestimmten Hintergrund untersucht worden seien. Insoweit sei es eine „gute Nachricht“, wenn die Letalität – also die Anzahl der Verstorbenen im Verhältnis zu den Infizierten – an diesem Ort bei 0,37 liegen würden. „Wir alle wünschen uns ja, dass die Todesrate relativ niedrig ist.“

Die Interpretation der Studie sei das Fragliche, betonte Wieler. „Wenn Menschen daraus Schlüsse ziehen, die man daraus nicht ziehen sollte, dann ist es definitiv nicht das Versäumnis der Wissenschaftler.“

Testkapazitäten weiter ausgebaut

In Deutschland sind nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) bisher rund 2,4 Millionen Corona-Labortests gemacht worden. Das betreffe den Zeitraum bis einschließlich Woche 17 dieses Jahres, so RKI-Präsident Lothar Wieler.

Circa 7,2 Prozent der Tests seien positiv gewesen. In der 18. Kalenderwoche betrugen die Laborkapazitäten rund 142.000 pro Tag, hieß es unter Berufung auf Daten von 133 Laboren. Es würden Anstrengungen unternommen, die Testkapazitäten weiter zu erhöhen.

Dem RKI wurden in den vergangenen Tagen rund 700 bis 1600 neue Coronavirus-Fälle pro Tag gemeldet. „Die Zahl der übermittelten Infektionsfälle sinkt weiter. Das ist eine sehr gute Nachricht“, betonte Wieler. Die Ansteckungsrate, die sogenannte Reproduktionszahl, werde derzeit auf 0,71 geschätzt. Die Zahl der täglich gemeldeten Todesfälle liege zwischen 40 und 200.

Steige die Zahl der Erkrankungen nicht wieder an, würden bei der derzeitigen Dynamik keine Engpässe bei den Behandlungskapazitäten erwartet, so Wieler. Dafür, dass die Zahlen nicht wieder ansteigen, werde man Sorge tragen.

Gleichzeitig würden dem RKI weiterhin Daten zu Ausbrüchen in Pflegeheimen und Krankenhäusern übermittelt werden. Bei etwa zwei Dritteln aller übermittelten Fälle könne man derzeit aber nicht gut zuordnen, wo sich die Menschen angesteckt haben, erläuterte Wieler. Das liege auch an den Kapazitäten der Gesundheitsämter, die teils noch nicht dazu gekommen seien, Ausbrüche adäquat zu dokumentieren.

Auf zweite Welle besser vorbereitet

Sollte es zu einer zweiten Welle kommen, sei Deutschland nach Angaben des RKI „definitiv gut“ vorbereitet. In den vergangenen Monaten wäre viel dafür getan worden. Der Umgang mit der COVID-19-Erkrankung sei besser geworden. Das RKI hätte auch eine Reihe von Empfehlungen erstellt, die umgesetzt würden. Auch die Chancen für Therapeutika stünden deutlich besser. Insoweit wiederholte der RKI-Chef: „Die Vorbereitungen sind definitiv besser.“

Klar sei, je nachdem wie stark diese Welle werde, müsse man wieder bestimmte und gezielte Maßnahmen durchführen, um diese zu bremsen. „Ich wüsste nicht, wie das anders händelbar ist.“ Das werde man dann sehen. Inzwischen wisse man, wie die Maßnahmen funktionieren und wirken.

Sollte es zukünftig keinen Impfstoff geben, müsse man die Hygieneregelungen und das Abstandhalten weiter durchhalten. Dies sei „machbar“ und eine „wichtige Lehre“, die die Bevölkerung sicher noch Monate begleiten werde. Die Disziplin solle gewahrt werden, denn „den Erfolg haben wir uns wirklich hart erarbeitet“ – durch „kluge Entscheidungen und durch disziplinierte Mitmenschen“. Gerade das Abstandhalten sei ein Bestandteil einer „neuen Normalität“.

Massentests in Greiz (Thüringen)

In einer für Thüringen auch in ihrer Kurzfristigkeit bislang einmaligen Aktion wurden beispielsweise vom 1. bis 3. Mai im Landkreis Greiz in fünf stationären Pflegeeinrichtungen in einem Massentest Bewohner, Pflegekräfte und Patienten sowie das Personal der Fachklinik für Geriatrie in Ronneburg auf das Corona-Virus getestet. Das teilte der Landkreis mit. Zwei mobile Abstrichteams waren in den Einrichtungen unterwegs. Pflegekräfte mussten sich in den Abstrichstellen in Greiz und Ronneburg einfinden. Nach den am Montag vorliegenden Zahlen wurden dabei 855 Abstriche genommen, bislang wurden auf diesem Wege 19 Positiv-Fälle ermittelt. Die Bearbeitung und Auswertung der Ergebnisse dauern noch an.

Insbesondere die Kurzfristigkeit der Aktion, die am Vorabend des 1. Mai angekündigt wurde und sowohl die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes als auch und vor allem die betroffenen Pflegeeinrichtungen „völlig überrumpelte“, sorgte für Unmut bei nahezu allen Beteiligten. Landrätin Martina Schweinsburg erklärte dazu: „Der Landkreis Greiz hatte am 21. April im Landesverwaltungsamt Hilfebedarf angemeldet und Testteams angefordert, da sich ein verstärktes Ausbruchsgeschehen in stationären Pflegeeinrichtungen abzeichnete.“

Diese Hilfeanforderung sei am 27. April gegenüber dem Landeskrisenstab erneuert worden, da „klare Verhältnisse“ im Interesse der Mitarbeiter und Bewohner der Heime geschaffen werden sollten. „Doch wie das dann gelaufen ist, das hat in meinen Augen die Grenzen des Machbaren überstiegen“, teilte Schweinsburg mit. Insoweit spreche sie sowohl für ihre Mitarbeiter, als auch für die Pflegeeinrichtungen, die „innerhalb von wenigen Stunden ihr gesamtes Personal zum Testen schicken mussten“.

„Nacht- und Nebelaktion“

Die Landrätin stellte die Situation wie folgt dar: „Man bedenke, dass in solchen Einrichtungen im Schichtdienst gearbeitet wird und schon deshalb nicht jeder und zu jeder Zeit greifbar ist. Haben die anordnenden Stellen überhaupt auch nur einen Moment über die Konsequenzen ihrer Aktion nachgedacht und dass damit Ängste und Panik geschürt werden? Denn es bestand ja überhaupt keine Chance mehr, vorab über Sinn und Zweck des Massentests in der Öffentlichkeit zu informieren.“

Insoweit müsse sich niemand wundern, wenn „das Verständnis für solche Aktionen gegen Null“ gehe. Auch Schweinsburg habe nicht das geringste Verständnis für diese „überfallartige Nacht-und-Nebel-Aktion, die die Akzeptanz staatlichen Handelns in keiner Weise gefördert haben dürfte.“

Eine Betroffene schrieb dazu: „So wird mit Pflegepersonal umgegangen: Man bekommt eine SMS und hat sich zum Testen im Landratsamt einzufinden. Bei Regen und Kälte, keine Toilette, bis zweieinhalb Stunden Wartezeit, ein Arzt für drei Pflegeheime.“

RKI-Chef Wieler sagte während der Pressekonferenz auf Anfrage der Epoch Times, dass er im Landkreis Greiz durch die Massentests zwar viele, aber weniger SARS-CoV-2-positive Ergebnisse erwarte. Dennoch seien diese Untersuchungen wichtig, um Infizierte zu ermitteln, die noch keine Symptome haben. „Dort kann man dann schneller die Infektketten brechen.“

Impfung oder Zwangsimpfung

Die Anfrage der Epoch Times, welche Gründe für eine Impfung oder Zwangsimpfung von Kinder, die nach derzeitigen Erkenntnissen nicht zur COVID-19-Risikogruppe gehören, sprechen würden, beantwortete Wieler wie folgt: Wenn Impfstoffe vorhanden seien, von denen sich viele in der Entwicklung befinden würden, werde es verschiedene Indikationen geben.

Die Ständige Impfkommission würde dies dann überprüfen. Sie werde anhand der Herstellerangaben und im Zusammenhang mit dem epidemiologischen Geschehen bewerten, welche Gruppen mit welchem Impfstoff am besten zu impfen seien.

(mit Material von dpa und dts)

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