Corona-Grundrechtsverletzung bestätigt – Tätigkeitsverbot von Pflegerin ausgesetzt
Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat das während der Corona-Zeit im Jahr 2022 erlassene Betretungs- und Tätigkeitsverbot gegen eine Pflegerin ausgesetzt. Das Besondere daran: Die Arbeitsstätte ist Eigentum des Landes.
Damals konnte die Pflegerin keinen COVID-Impf- oder Genesenennachweis vorweisen, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts.
Gleichzeitig verwies das Gericht die entsprechende damalige Corona-Verordnung zur Prüfung auf Verfassungsmäßigkeit an das Bundesverfassungsgericht.
Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts mit seinen drei Berufsrichtern und zwei Laienrichtern verwendete dabei als erstes Gericht Deutschlands teilweise die vom Robert-Koch-Institut veröffentlichten, als auch die geleakten vollständig entschwärzten RKI-Protokolle.
Nach Aussage des Prozessbeobachters Tom Lausen, Datenanalyst und Corona-Buchautor, wurden 57 Seiten an RKI-Protokollen in den Prozess eingebracht.
Bei der heutigen mündlichen Verhandlung sagte RKI-Präsident Lars Schaade aus. Er war in Begleitung eines Rechtsanwalts der Kanzlei Raue, die auch in dem Fall der Klage auf Entschwärzung der RKI-Protokolle die Bundesregierung anwaltlich unterstützt hatte.
Entscheidung verletze das Grundrecht
Die Kammer begründete seine Entscheidung damit, dass sie davon ausgehe, dass die damalige Corona-Verordnung nicht verfassungskonform war. Sie verletze das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit sowie die Berufsfreiheit, so das Gericht.
Damit kommt das Gericht zu einer anderen Auffassung als das Bundesverfassungsgericht, wo die betreffende Corona-Verordnung bereits Gegenstand eines Gerichtsprozesses war. Damals hielt das Karlsruher Gericht mit seinem Beschluss vom 27. April 2022 (1 BvR 2649/21) die Corona-Verordnung für verfassungsgemäß.
Aufgrund der jetzt vorliegenden RKI-Protokolle des COVID-19-Krisenstabs des Robert-Koch-Instituts (RKI) sowie durch die Zeugenvernehmung von Schaade sei die Unabhängigkeit der behördlichen Entscheidungsfindung infrage zu stellen, so das Verwaltungsgericht.
Laut dem Prozessbeobachter Lausen hat Schaade vor Gericht deutlich gemacht, dass es wissenschaftliche Themen und Management-Themen gab und die Risikobewertung ein Management-Thema gewesen sei.
Die Risikobewertung war damals Grundlage für verschiedene Maßnahmen.
Für Lausen war dies ein Eingeständnis von Schaade, dass die Risikobewertungen durch politische Anweisungen und nicht aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse zustande gekommen sei.
Gericht: Protokolle erschüttern Empfehlung des RKI
Das Gericht erklärt in seiner Mitteilung zudem, dass das RKI das Bundesgesundheitsministerium auch von sich aus über neue Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung hätte informieren müssen.
Nach der damaligen Gesetzesbegründung (Infektionsschutzgesetz) sei der Schutz vulnerabler Personen vor einer Ansteckung durch ungeimpftes Personal ein tragendes Motiv für die Einführung der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Impfpflicht gewesen.
Diese auf den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts beruhende Einschätzung werde nun durch die veröffentlichten RKI-Protokolle erschüttert, so das Gericht. In den Augen des Gerichtes sei die Bundesregierung seiner Normbeobachtungspflicht nicht gerecht geworden.
Daher sei eine erneute Vorlage der damaligen Corona-Verordnung an das Bundesverfassungsgericht mit einer erneuten Prüfung auf Verfassungsmäßigkeit erforderlich.
„Die Kammer wird das Verfahren nunmehr dem Bundesverfassungsgericht vorlegen und ihm die Frage stellen, ob § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG, in der Fassung vom 18. März 2022) mit Art. 2 Abs. 2 S. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar gewesen ist“, so das Richtergremium.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist unanfechtbar.
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