Ringbahnbrücken-Krise in Berlin: Verkehrskonzept bleibt vage und ohne Plan

Die Sperrung der Ringbahnbrücke hat Berlin ins Verkehrschaos gestürzt. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz von Autobahn GmbH und Verkehrssenatorin Ute Bonde wurden erste Maßnahmen und ein grober Zeitplan vorgestellt. Die vollständige Entlastung bleibt jedoch auf absehbare Zeit aus.
Titelbild
Die Autobahn GmbH des Bundes und Berlins Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) stellten das Verkehrskonzept für die gesperrte Ringbahnbrücke vor.Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times
Von 27. März 2025

Die plötzliche Sperrung der Ringbahnbrücke im Autobahndreieck Funkturm hat Berlin verkehrstechnisch in einen Ausnahmezustand versetzt. Auf einer Pressekonferenz der Autobahn GmbH des Bundes und Berlins Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) wurde am Mittwoch das Verkehrskonzept für die gesperrte Ringbahnbrücke vorgestellt.

Nachdem in der vergangenen Woche die Ringbrücke in Richtung Norden vollständig gesperrt werden musste, herrscht in Berlin Stau-Chaos. Die Ringbahnbrücke ist einer der zentralen Verkehrsknotenpunkte der Stadt. Besonders stark betroffen sind die angrenzenden Straßen in Charlottenburg, die nun täglich von Hunderten Lkw als Ausweichroute genutzt werden. Einen kleinen Lichtblick gab es Anfang der Woche doch: Seit Montag ist auf der A 100 zumindest eine Spur in Richtung Norden wieder freigegeben – als provisorische Gegenverkehrsführung.

Parallel dazu arbeiten Fachleute der Autobahn GmbH, der Projektgesellschaft DEGES und der Senatsverwaltung für Verkehr mit Hochdruck an Lösungen für diesen hochbelasteten Abschnitt des Berliner Autobahnnetzes, auf dem täglich rund 230.000 Fahrzeuge unterwegs sind.

Erste Brückenrisse vor zehn Jahren entdeckt

Dirk Brandenburger, der technische Geschäftsführer der Autobahn GmbH, sprach mit Blick auf die Sanierung und Modernisierung von Autobahnbrücken von einer „nationalen Herausforderung“. Aktuell seien, so Brandenburger, über 4.000 Autobahnbrücken in Deutschland sanierungsbedürftig, die sich insbesondere durch die hohe Verkehrsbelastung und veraltete Bauweise der in den 1960er- und 70er-Jahren errichteten Bauwerke erklären.

Mit Blick auf die Ringbahnbrücke in Berlin sagte Brandenburger, dass die ersten Risse schon 2015/2016 festgestellt wurden. Die Rissveränderungen, die am 6. März jedoch festgestellt wurden, habe man nicht vorhergesehen. Es habe eine akute Gefährdung der Standsicherheit der Brücke bestanden und die Sperrung war die konsequente Folge.

Unmittelbar nach der Sperrung sei eine interdisziplinäre Taskforce gebildet worden, in der neben der Autobahn GmbH auch Vertreter der Senatsverwaltung, der Deutschen Bahn, der S-Bahn, der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), Polizei und Feuerwehr vertreten seien. Ziel sei es gewesen, schnellstmöglich eine Entlastung des Verkehrs zu erreichen. Durch Nacht- und Wochenendarbeiten konnte binnen weniger Tage eine Notspur für Pkw in Fahrtrichtung Norden auf der A 100 eingerichtet werden.

Mit schneller Entlastung nicht zu rechnen

Trotzdem bleibe die Situation angespannt. Berlin verfüge im Bereich des Dreiecks Funkturm über keinerlei echte Ausweichrouten im Autobahnnetz. Brandenburger warnte: „Weitere Brücken in der Umgebung stehen unter Beobachtung.“

Brandenburger machte weiter deutlich, dass mit einer schnellen Entlastung der Situation nicht zu rechnen sei. „Wir sind uns klar darüber, dass wir dadurch kurzfristig die Schmerzen und Belastungen nur lindern und nicht vollständig heilen können“, so der Autobahn-Geschäftsführer. „Es wird auch zukünftig weitere Staus auf der A 100 geben.“

Andreas Irngartinger, der technische Geschäftsführer der Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES), führte aus, dass die Ausschreibung für den Abriss, der etwa drei Monate dauern soll, vor Ostern veröffentlicht werden soll.

Parallel werde auch die Ausschreibung für den Neubau vorbereitet. Geplant sei ein Bau in modularer Bauweise, um Zeit zu sparen. „Wir werden auf 24/7-Arbeit setzen“, so Irngartinger. Dafür seien Sondergenehmigungen, insbesondere in Bezug auf Lärmschutz, erforderlich – man sei mit den zuständigen Behörden bereits im Gespräch.

Eine konkrete Zeitschätzung für die vollständige Fertigstellung wollte Irngartinger trotz mehrmaliger Nachfrage von Journalisten nicht abgeben. Es gehe zunächst darum, gemeinsam mit der Bauindustrie ein intelligentes und möglichst schnelles Baukonzept zu entwickeln. Die Kosten für das Projekt bezifferte er auf Nachfrage auf einen „mittleren dreistelligen Millionenbetrag im unteren Bereich“.

Sperrung der Ringbahn kann nicht ausgeschlossen werden

Roland Normann, der Direktor der Niederlassung Nordost der Autobahn GmbH, sagte, dass die Ringbahnbrücke derzeit täglich überwacht werde. Der S-Bahn-Verkehr auf der Ringbahn könne bislang weiterlaufen, da sich das Bauwerk nach der Entlastung stabilisiert habe. „Sollten sich durch das Monitoring neue Schäden zeigen, ist auch hier eine Sperrung nicht ausgeschlossen“, so Naumann.

Christian Haegele von der Berliner Senatsverwaltung erläuterte die aktuellen Maßnahmen zur Verkehrslenkung. Ampelschaltungen wurden angepasst, kleinere Baustellen zurückgestellt, neue Umleitungsempfehlungen ausgeschildert.

Die Stadt verfolgt ein Konzept sogenannter Vorbehaltsrouten, auf denen bei Bedarf Halteverbote oder temporäre Änderungen möglich sind. Besonders belastet sind aktuell die Nahumfahrungen über den Spandauer Damm und den Messedamm. Auch eine Spur für Rettungsfahrzeuge wurde am Tegeler Weg eingerichtet.

A 100 Ringbahnbrücke – Karte mit Wegeführung Berliner Raum. Foto: Autobahn GmbH

Ziel sei es weiterhin, den Schwerlastverkehr aus dem Stadtgebiet herauszuhalten. Lkw über 3,5 Tonnen werden über die A 10 (Berliner Ring) umgeleitet. Einfahrten zur A 100 aus südlicher Richtung sollen möglichst vermieden werden.

Etwa 1 Milliarde Investitionsbedarf

Ute Bonde, Berlins Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, äußerte ihr Bedauern über die massive Belastung der Bevölkerung, insbesondere in den angrenzenden Wohngebieten in Charlottenburg. „Sicherheit hat oberste Priorität“, machte die CDU-Politikerin aber auch deutlich. Berlin habe als Konsequenz begonnen, ein Brückenkonzept mit Prioritätenliste zu erarbeiten, das im Sommer 2025 vorgestellt werden soll.

Von den über 850 Brücken im Berliner Verantwortungsbereich sei ein großer Teil sanierungsbedürftig. Der Investitionsbedarf liege bei etwa 1 Milliarde Euro über die nächsten zehn Jahre. Bonde forderte gleichzeitig den Bund auf, gesetzliche Änderungen für schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie mehr Flexibilität im Vergaberecht auf den Weg zu bringen.

Die ersten Risse vor fast zehn Jahren festgestellt

Mehrfach wurde während der Pressekonferenz auf die langen Planungsverfahren hingewiesen. Die ersten Risse an der Ringbahnbrücke wurden vor fast zehn Jahren festgestellt, das Planfeststellungsverfahren läuft bis heute. „Das ist zu langsam“, so Bonde. Auch Dirk Brandenburger betonte, dass man beim Erhalt der Infrastruktur dringend an Geschwindigkeit zulegen müsse.

Die Ursachen für den Zustand der Brücken sieht er hauptsächlich in der Bauweise der Nachkriegszeit, kombiniert mit einer dramatisch gestiegenen Verkehrs- und insbesondere Lkw-Belastung.

Auffällig bei der gestrigen Pressekonferenz: Kein politischer Vertreter des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf nahm gestern an der Pressekonferenz teil. Der Bezirk werde aber ständig informiert, wurde gestern mehrmals auf Nachfrage dazu beteuert.



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