Richtungsstreit im BSW? Wagenknecht auf hartem Asylkurs – Kritiker wittern Populismus

Im Umfeld des BSW regt sich Kritik an Aussagen von Gründerin Sahra Wagenknecht zur Asylpolitik und zu den Entscheidungsmechanismen in der Partei. Die Gewerkschaftliche Linke fordert im Vorfeld der geplanten Großdemonstration am 3. Oktober eine Kurskorrektur.
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Innerhalb des BSW gibt es Unstimmigkeiten über die Ausrichtung der Asylpolitik.Foto: Michele Tantussi/Getty Images
Von 18. September 2024

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Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen hat das erst im Januar gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit zweistelligen Ergebnissen aufhorchen lassen. In Brandenburg wird ein ähnliches Ergebnis erwartet. Mittlerweile sind in neun Bundesländern Landesverbände gegründet. Am 3. Oktober ist unter dem Titel „Die Waffen nieder“ eine Großkundgebung für den Frieden angemeldet, zu deren Hauptinitiatoren das BSW gehört.

Dennoch soll es in den Reihen der neuen Partei bereits Unstimmigkeiten geben. Die Plattform „Pioneer“, spricht nun von einem, „Richtungsstreit“, der sich an der Asylpolitik entzünde. Parteichefin Sahra Wagenknecht soll mit ihrer harten Linie in dieser Frage für Unmut unter Mitgliedern und Unterstützern sorgen. Vor allem unter solchen, die wie sie aus der Linkspartei gekommen sind.

Wagenknecht stellte im August Sechs-Punkte-Plan für restriktive Flüchtlingspolitik vor

Bereits wenige Tage nach der Bluttat von Solingen hatte die BSW-Gruppe im Bundestag eine „Zeitenwende in der Flüchtlingspolitik“ gefordert. Dieses Ansinnen beinhaltete unter anderem einen „Sechs-Punkte-Plan für eine Migrationswende nach dänischem Vorbild“. Dänemark hatte in den vergangenen Jahren eine Politik betrieben, die das Land für Asylsuchende gezielt unattraktiv machen sollte. Die Zahl der Asylanträge dort bewegt sich mittlerweile jährlich im niedrigen vierstelligen Bereich.

Der Sechs-Punkte-Plan soll einen ähnlichen Effekt in Deutschland bewirken. So fordert das BSW ein Ende der Geldzahlungen an abgelehnte Asylbewerber – immerhin mache dies „Deutschland zum Magnet für illegale Einwanderung in Europa“.

Weiter heißt es, angeordnete Abschiebungen sollten „endlich konsequent und zeitnah durchgesetzt werden“. Auch begangene Straftaten – darunter bereits einfache Diebstähle – und Urlaub in den Herkunftsländern sollen zur „Verwirkung des Gastrechts“ führen.

BSW für migrationspolitisches „Stoppsignal an die Welt“

Darüber hinaus forderte das BSW, Asylverfahren außerhalb der EU durchzuführen und keine Entwicklungsgelder mehr an Länder zu bezahlen, die ihre Bürger nicht zurücknehmen. Um die Bereitschaft zur Rückkehr zu verstärken, sollten beispielsweise Sanktionen gegen Herkunftsländer wie Syrien aufgehoben werden.

Weitere Forderungen des Sechs-Punkte-Plans waren der Rücktritt von Bundesinnenministerin Nancy Faeser und ein „Stoppsignal an die Welt“. Es sollte de facto die Politik von Altbundeskanzlerin Angela Merkel offiziell widerrufen und ein Signal ausgesendet werden, dass Asylsuche in Deutschland zwecklos sei. Dänemark hatte in Herkunftsländern von Asylbewerbern eine entsprechende Anzeigenkampagne gestartet.

Jüngst hatte Sahra Wagenknecht gegenüber „Welt TV“ gefordert, über Einreisende aus EU-Ländern hinaus auch Menschen, die aus sicheren Drittstaaten einreisen, generell von Asylverfahren auszuschließen.

Wie weit sollen Zugeständnisse an konservatives Zielpublikum gehen?

Für das Hamburger BSW-Mitglied Dejan Lazić, einen Fachjuristen für Migrationsrecht, stellt diese Forderung das Gegenteil von „Vernunft und Gerechtigkeit“ dar – die das BSW im Parteinamen trägt. Die Aussagen seien „reiner Populismus“ und würden faktisch sowohl das individuelle Asylrecht als auch die Genfer Flüchtlingskonvention beenden.

Lazić sieht dies als ein zu weitgehendes Zugeständnis an konservative Unterstützer und Interessenten des BSW. Die aus der Linken hervorgegangene Partei will eigenen Angaben zufolge eine „seriöse Alternative“ zur in mehreren Bundesländern als gesichert rechtsextremistisch eingestuften AfD bieten.

Der Hamburger Jurist ist davon überzeugt, dass auch in Sachsen und Thüringen eine Mehrheit der BSW-Mitglieder weder eine zu restriktive Migrationspolitik noch Koalitionen mit der CDU will. BSW-Anhänger, die seine Kritik teilen, sehen den Schwerpunkt der Migrationspolitik stattdessen in der Ursachenbekämpfung vor Ort.

Auch SPD-Chef Stegner soll auf Friedenskundgebung sprechen

Mit seiner Kritik ist er, wie „Pioneer“ weiter berichtet, in der Partei nicht allein. Die Plattform verweist auf einen offenen Brief an die Mitglieder des BSW. Dieser soll vom „Unterstützerverein des BSW“ kommen. Tatsächlich verweist er auf eine Seite und einen Beitrag der „Gewerkschaftlichen Linken“. Unterschrieben wurde er ebenfalls vorwiegend von Personen, die sich als aktive oder ehemalige Mitglieder der Linkspartei zu erkennen geben.

Er nimmt allerdings explizit Bezug zur geplanten Friedensdemonstration am 3. Oktober, zu der offenbar auch zahlreiche Mitglieder der Linkspartei erwartet werden. Sogar der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner ist dort als Redner vorgesehen.

Betitelt ist der Brief mit der Überschrift: „Wir fordern Euch auf, eine eindeutig antirassistische und internationalistische Position zu beziehen.“ In dem Schreiben selbst, das seinerseits auf eine Erklärung der „Sozialistischen Organisation Solidarität“ (Sol) verweist, bringt man Sorge um die Breite der Friedensbewegung zum Ausdruck.

BSW bei EU-Wahl stärkste Partei unter muslimischen Wählern

Nur wenn der Widerstand gegen die „Zeitenwende“ möglichst alle gesellschaftlichen Gruppen erreiche, könne dieser aussichtsreich sein, argumentiert die „Gewerkschaftliche Linke“. Rassismus treibe hingegen einen Keil in die Arbeiterschaft. In dem Schreiben heißt es:

„Wer die Menschen mit migrantischem Hintergrund vor den Kopf stößt, erweist dem Friedenskampf einen Bärendienst.“

Selbstverständlich müsse man auch bürgerliche und konservative Menschen in ein breites Friedensbündnis einbinden, so die Unterzeichner. Allerdings müsse der Respekt allseitig sein.

Wer „zurecht den rassistisch-nationalistischen Bandera-Kult unter Selenskyj in der Ukraine brandmarkt, aber gleichzeitig die Migrationsfeindlichkeit im Inland fördert“, mache sich unglaubwürdig.

Die Vereinigung „Sol“ hatte bereits anlässlich der Erklärung des BSW zur „Zeitenwende in der Flüchtlingspolitik“ einen ähnlichen Appell verfasst. Die Verschärfung der Asylgesetze mitzutragen, werde keine Anschläge verhindern, hieß es damals. Allerdings würde ein politischer Rechtsruck Diskriminierung und Übergriffe gegen Muslime fördern und diese damit in die Arme von Dschihadisten treiben.

Ob sich die Einwanderer selbst an der Politik der Partei stören, ist fraglich. Bei den EU-Wahlen war das BSW unter muslimischen Wählern mit 17 Prozent gleichauf mit der protürkischen DAVA-Partei stärkste Kraft unter muslimischen Wählern.

Wagenknecht-Bündnis als „Kaderpartei“ kritisiert

Kritik gibt es im BSW zunehmend auch an den Entscheidungsprozessen. Die Mitgliederaufnahme verläuft schleppend, Mitglieder klagen darüber, kaum an der Entscheidungsfindung beteiligt zu sein.

Der ehemalige Vizepräsident der Handelskammer und persönliche Referent des Hamburger Bürgermeisters Klaus von Dohnanyi, Torsten Teichert, hat die Partei nach kurzer Zeit wieder verlassen. Er spricht von einer „Kaderpartei“, die „extrem undemokratisch“ aufgebaut sei.

Im BSW rechtfertigt man das vorsichtige Vorgehen bei Aufbau und Verbreiterung der Partei mit dem Beispiel der AfD. Diese sei durch zu schnelles Wachsen und zu wenig Sorgfalt bei der Auswahl der Mitglieder in ihrem politischen Charakter tiefgreifend verändert worden.



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