Mehr Anzeigen wegen Hetze belasten Justiz – Kubicki zeigt Alternative
Auch angesichts der wachsenden Zahl von Anzeigen wegen „Hass und Hetze“ warnt der Deutsche Richterbund (DRB) vor einer möglichen Überlastung der Justiz. „Die Strafjustiz droht bei der Kriminalitätsbekämpfung mehr denn je zum Flaschenhals zu werden“, sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn der „Welt“ (Donnerstagausgabe).
So viele Fälle wie noch nie
So seien bei den Staatsanwaltschaften im Jahr 2023 mehr als 5,5 Millionen neue Fälle aufgelaufen, 350.000 mehr als im Vorjahr und laut Richterbund „so viele wie noch nie“. Allein zum Jahresende 2023 hätten die Strafverfolger 923.000 offene Verfahren gemeldet, eine Steigerung um sogar ein Viertel. „Und die Zahlen steigen weiter“, sagte ein DRB-Sprecher.
Gleichzeitig sinke die Anklagequote der Staatsanwaltschaften „seit Jahren“. 2023 sei weniger als jeder 15. Fall auch vor einem Gericht angeklagt worden, 2013 war es noch jeder zehnte Fall. Fast jedes dritte Verfahren hätten Staatsanwälte „nach Ermessensvorschriften mit oder ohne Auflagen eingestellt“.
Allein bei den Staatsanwaltschaften fehlten „wegen ihrer stark gewachsenen Aufgaben“ inzwischen rund 2.000 Ermittler, so der Richterbund. Über fehlendes Personal würden auch die Strafgerichte klagen. Die Folge sei ein immer größerer „Verfahrensstau“. Außerdem würden Prozesse immer länger dauern. Vom Eingang einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft bis zum Urteil vergingen „mittlerweile im Schnitt sogar mehr als 21 Monate“.
Hetze im Netz, Kinderpornografie, Cannabislegalisierung
Einer der Treiber dabei seien „vermehrte Straftaten wegen Hass und Hetze im Netz“. Hinzu kämen derzeit mehr Hinweise auf Kinderpornografie aus den USA und zahlreiche Drogenverfahren, nachdem die „Encro Chat“-Verschlüsselung geknackt wurde, wodurch vertrauliche Nachrichten unter Kriminellen „massenhaft aufgeflogen sind“. Der DRB-Sprecher nannte als weitere Ursache für eine Überforderung das Cannabislegalisierungsgesetz der damaligen Ampelkoalition. Dafür hätten bislang fast 280.000 Strafakten überprüft werden müssen, um rückwirkend noch nicht vollstreckte Strafen zu erlassen oder neu festzusetzen.
DRB-Geschäftsführer Rebehn forderte „einen Schulterschluss von Bund und Ländern, mit dem es gelingt, die Staatsanwaltschaften und Strafgerichte wieder auf die Höhe ihrer gewachsenen Aufgaben zu bringen“. Die Ampelkoalition habe eine Initiative dazu liegen lassen, das müsse die künftige Bundesregierung nachholen. „Gelingt das nicht, würde das in der Bevölkerung nach drei Jahren Ampel ohnehin angeknackste Vertrauen in das Sicherheitsversprechen des Staates weiter erschüttert“, so Rebehn.
Kubicki zeigt Positivbeispiel
Inmitten der Diskussionen um vermehrte Anzeigen, die Politiker und Bürger wegen Beleidigung, Verleumdung oder übler Nachrede stellen, zeigte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) einen anderen Ansatz, damit umzugehen. Er veröffentlichte ein Antwortschreiben an die Polizei, in dem er die Stellung eines Strafantrags wegen Beleidigung ablehnte. Dabei erwähnte er Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Auch ich erhalte immer mal wieder Schreiben der Polizei mit der Frage, ob ich wegen einzelner Beleidigungen Strafantrag stellen möchte. So kann man darauf auch reagieren, @roberthabeck. WK pic.twitter.com/svS0bi1nKM
— Wolfgang Kubicki (@KubickiWo) November 19, 2024
Die Diskussionen zu dem Thema begannen, als bekannt wurde, dass bei einem Frührentner in Bayern eine Hausdurchsuchung angeordnet wurde, weil er auf X ein Meme geteilt hatte, auf dem Habeck als „Schwachkopf“ bezeichnet wird. Habeck stellte daraufhin Anzeige gegen den Mann.
Im August wurde bereits bekannt, dass Habeck Spitzenreiter beim Stellen von Strafanzeigen wegen vermeintlicher Beleidigungen und Bedrohungen ist. Die Regierungsantwort auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion ergab, dass er in der aktuellen Legislaturperiode (seit dem 26. September 2021 bis August 2024) insgesamt 805 Strafanzeigen zu den beiden Straftatbeständen stellte.
(dts/tp)
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