Rhein: Wenig Wasser unter dem Kiel

Die Wasserstände im Rhein sind so stark gesunken, dass der Transport für die Schifffahrt in einigen Teilen unwirtschaftlich geworden ist. Die Frachtkosten haben sich verfünffacht.
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Kohle zählt zu den wichtigsten Frachtgütern auf dem Rhein. Hier ein Blick in den Innenhafen von Duisburg am 9. August 2022.Foto: INA FASSBENDER/AFP via Getty Images
Von 17. August 2022

Der für die Binnen-Schifffahrt auf dem Rhein wichtige Pegelstand bei Kaub in Rheinland-Pfalz ist weiter gesunken. Die Rheinfähre in Nierstein hat am 15. August ihren Betrieb vorläufig eingestellt. Der Pegelstand lag nach Angaben der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes am Montagmittag bei 31 Zentimetern. Normalerweise gilt der Fluss als flach, wenn der Pegel hier unter 130 Zentimeter fällt.

Auf dem Oberrhein stellten einige Unternehmen die Schifffahrt zwischen Basel und Bingen weitestgehend ein, darunter das Logistik-Unternehmen Contargo Rhein-Neckar GmbH. Ähnlich sieht es am Mittelrhein zwischen Bingen und Bonn aus. Schiffe, die sonst 100 bis 150 Container beförderten, würden nun mit 50 beladen. Das sei an der Grenze der Wirtschaftlichkeit, erklärte Managing Director von Contargo Rhein-Neckar, Marco Speksnijder gegenüber dem SWR.

Der sinkende Pegel führte auch dazu, dass immer mehr Munitionsreste aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden wurden. Allein bei Mainz kamen rund 300 bis 400 Kilogramm Panzerfäuste, Flugabwehrkanonen- und Panzermunition zum Vorschein. Das Gebiet ist abgesperrt, wird geräumt und überwacht.

Ein Pegelstand ist nicht das gleiche wie die Wassertiefe. 31 Zentimeter bei Kaub entsprechen 1,43 Meter Wassertiefe, zwei Zentimeter Pegelstand an der niederländischen Grenze bei Emmerich entsprechen zwei Meter tiefem Wasser. Der Pegelnullpunkt wurde in der Regel so gewählt, dass auch bei extremer Trockenheit keine negativen Werte entstehen. Ein Wasserstand von 0 Zentimetern heißt also nicht, dass die Fahrrinne trocken liegt – es taucht lediglich die Pegellatte nicht mehr ins Wasser. Aufgrund geografischer Bedingungen ist die Höhenlage der Pegelnullpunkte von Pegel zu Pegel unterschiedlich.

Niedrigwasser kann zu einem Problem werden

Nach Chefvolkswirt Andrew Kenningham vom britischen Analysehaus Capital Economics sei das Niedrigwasser zwar ein viel kleineres Problem als die drohende Gaskrise. Doch sollte es bis Dezember andauern, könnte es laut einer Studie im dritten und vierten Quartal 0,2 Prozentpunkte Wirtschaftswachstum kosten. Eine Rezession werde dadurch wahrscheinlicher.

Bei niedrigen Wasserständen können Fracht- und Personenschiffe weniger Ladung befördern, sodass der Transport unwirtschaftlich wird. Auch könnte ein verminderter Frachtschiffverkehr die drohende Energieversorgungskrise weiter verschärfen.

Der Spotpreis für den Güterverkehr (Kohle, Eisenerz, Rohöl, Chemikalien, Papierprodukte, Getreide etc.) stieg von rund 20 Euro/t im Juni auf mittlerweile mehr als 100 Euro/t. Auch die Versorgung mit Sand zur Herstellung von Beton ist gefährdet.

Für Deutschland haben Flüsse als Transportwege eine größere Bedeutung als für die meisten anderen westeuropäischen Staaten, betont Chefvolkswirt Kenningham. Der Anteil am gesamten Frachtaufkommen sei zwar gesunken, habe aber etwa im Jahr 2020 immer noch gut sieben Prozent des Gesamtvolumens ausgemacht.

Priorisierung bei der Bahn

Schiffer sollen verstärkt auf Lkw und Bahn oder kleinere Kanalschiffe umsteigen. Im Schienenverkehr könnten Transporte von Mineralöl, Gas, Kohle und Transformatoren sechs Monate Vorrang erhalten. Eine entsprechende Rechtsverordnung des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums ist in Vorbereitung. Damit soll die Energieversorgung Deutschlands sichergestellt werden. 

Die DB Bahn Netz AG erteilte dem eine Absage: es gibt keine freien Güterwagen. Zudem kann die Ladeinfrastruktur nicht so kurzfristig umgestellt werden. Das Gesetz sei daher aktuell nicht notwendig.

Eine entsprechende Rechtsverordnung des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums ist in Vorbereitung. Damit soll die Energieversorgung Deutschlands sichergestellt werden. Die DB Bahn Netz AG passte ihre Nutzungsbedingungen bereits an. Es dürfen auch laute Güterwagen eingesetzt werden, die nicht mehr den geltenden Lärmschutzstandards entsprechen.

Der Energiekonzern Uniper warnte bereits vor einer Drosselung der Stromerzeugung, weil Steinkohle knapp wurde. Davon betroffen wären zwei wichtige Kohlekraftwerke in Deutschland. Im Gegensatz dazu hat der deutsche Versorger EnBW Energie Baden-Württemberg AG laut einer Meldung genug Kohle, um seine Kraftwerke auch bei Lieferunterbrechungen über den Winter zu versorgen.

Ein Binnenschiff ersetzt 75 Lkw mit 40-Tonnen Ladung

Nach Roberto Spranzi, Direktor der Schifffahrtsgenossenschaft DTG, die rund 100 Frachtschiffe auf dem Rhein betreibt, läuft die Schifffahrt weiter, bis es nautisch unmöglich wird. Demnach könnten Ladungen auf eine größere Anzahl kleinerer Kanalschiffe umgeladen werden, die im flachen Wasser operieren können, wenn die größeren Schiffe und Binnenschiffe Kaub nicht mehr passieren können. Allerdings erhöht das die Kosten für den Eigentümer der Ladung.

In Duisburg könnten die großen Schub- und Binnenschiffseinheiten, die in normalen Zeiten 3.000 Tonnen pro Binnenschiff tragen, bereits nicht mehr verkehren. 3.000 Tonnen Landung entsprechen rund 75 Lkw-Ladungen von 40-Tonnern.

Große Industriebetriebe wie die BASF liegen direkt am Rhein und werden über den Wasserweg beliefert. Der Chemiekonzern, der 40 Prozent seiner Rohstoffe über den Rhein bekommt, setzt verstärkt auf Flachwasserschiffe und die Bahn. Flaggschiff soll ein neuartiges Tankschiff mit hoher Tragfähigkeit sein, das die kritische Stelle des Rheins in Kaub selbst bei einem Pegelstand von 30 Zentimetern noch mit einer Ladung von 650 Tonnen passieren kann. Der Konzern kündigte an, dass Produktionskürzungen nicht ausgeschlossen werden könnten.

Der Stahlhersteller ThyssenKrupp AG setzt zur Versorgung seines Werks in Duisburg auf Schiffe mit geringerem Tiefgang.

Rheinvertiefung: Tests abgeschlossen

Das Problem des Niedrigwassers am Rhein gibt es schon länger, es tritt normalerweise im Herbst auf. Zuletzt belasteten 2018 niedrige Pegelstände die Schifffahrt, damals sank der Rheinpegel in Kaub auf 25 Zentimeter.

Für das Bundesverkehrsministerium ist eine Vertiefung der Fahrrinne alternativlos, diese wurde bereits beschlossen. Es geht um eine Vertiefung von sechs Engstellen in der Fahrrinne zwischen St. Gar und Budenheim bei Mainz von 1,90 Meter auf 2,10 Meter. Dabei kann der Rhein nicht ausgebaggert werden, der Fluss quert am Mittelrhein festes Gestein im Untergrund.

Kürzlich wurden Tests bei Oberwesel abgeschlossen, bei denen es darum ging, wie das Gestein möglichst schonend und wirtschaftlich abgetragen werden kann. Eingesetzt wurde ein Spezialbagger, der von einem Ponton aus das Schiefergestein von der Flusssohle abfräste. Das abgefräste Material wurde wie mit einem Staubsauger auf die Plattform befördert, es verbleibt nicht in der Fahrrinne. Insgesamt wurden binnen sechs Wochen 5.000 Quadratmeter Flusssohle bearbeitet. Die Ergebnisse des Tests wurden noch nicht veröffentlicht.

Der zuständige Koordinator der Bundesregierung, Oliver Luksic (FDP), erklärte dazu: „Wir können mit sechs Maßnahmen den gesamten Rhein das gesamte Jahr besser befahrbar machen.“ Die Arbeiten werden vermutlich mindestens bis Anfang der 2030er-Jahre dauern.



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