Reul will drei Islamistengruppen verbieten lassen – Schweigen aus dem Innenministerium

Schon vor etwa fünf Monaten hatte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) das Bundesinnenministerium gebeten, ein Verbot dreier „brandgefährlicher“ islamistischer Organisationen prüfen zu lassen. Das BMI schweigt sich bis heute dazu aus.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat in Würzburg mit ihren Amtskollegen aus den Ländern (im Hintergrund v.l. Reinhold Jost (Saarland), Herbert Reul (NRW) und Armin Schuster (Sachsen)).
Das Symbolbild zeigt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei einem Treffen mit Amtskollegen aus den Bundesländern. Im Hintergrund v.l.n.r.: Reinhold Jost (Saarland), Herbert Reul (NRW) und Armin Schuster (Sachsen).Foto: Daniel Vogl/dpa
Von 12. April 2024

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) hat den Druck auf das Bundesinnenministerium (BMI) erhöht, drei islamistische Netzwerke verbieten zu lassen. Bereits im November 2023 hatte Reul das BMI von seinem Wunsch nach einer Prüfung der Gruppierungen informiert. Mehreren Medienberichten zufolge war eine Reaktion aus dem Ressort von BMI-Chefin Nancy Faeser (SPD) jedoch ausgeblieben. Reul gehe es um folgende Netzwerke:

  • „Muslim interaktiv“
  • „Generation Islam“
  • „Realität Islam“

Die Epoch Times bat das BMI am 11. April 2024 schriftlich unter anderem um Auskunft zum Stand der Dinge und um die vorliegenden Behördenerkenntnisse zu den drei Netzwerken. Die Antwort einer Sprecherin ließ nicht lange auf sich warten:

Zu möglichen Vereinsverboten äußern wir uns […] grundsätzlich nicht, auch um etwaige künftige Maßnahmen nicht zu beeinträchtigen.“

„Krude Forderung nach Kalifat auf deutschem Boden“

Nach Informationen der „Welt“ hatte NRW-Innenminister Reul seine Befürchtungen schon im vergangenen November insbesondere auf die vielfältigen Aktionen und das Mobilisierungspotenzial der Gruppe „Muslim interaktiv“ (MI) mit Hauptsitz in Hamburg gestützt. Deren Angehörige würden ebenso wie die Anhänger der beiden anderen Vereinigungen „ihre krude Forderung nach einem Kalifat auf deutschem Boden“ offen „verbreiten“, bestätigte Reul nun erneut gegenüber der Bielefelder Zeitung „Neue Westfälische“ (Bezahlschranke). Auch soziale Netzwerke wie etwa TikTok oder Instagram spielten dabei eine Rolle.

Als Zielgruppe richteten sich die strenggläubigen Muslime vorwiegend an junge Menschen. „Das halte ich für brandgefährlich“, zitiert die „Welt“ Reul unter Verweis auf die „Neue Westfälische“.

Am 11. November 2023 demonstrierten in Berlin Hunderte Muslime und andere Aktivisten für ein freies Palästina. Foto: Carsten Koall/Getty Images

Wie der „Focus“ berichtete, hatten sich vor einer Woche Anhänger der „Muslim interaktiv“-Gruppierung in einer Veranstaltungshalle im Hamburger Stadtteil Allermöhe versammelt, um gegen „staatliche Repression“, gegen Israel und Menschen jüdischen Glaubens sowie gegen „Amerika und seine Vasallen wie Deutschland“ Stimmung zu machen. Einer der Teilnehmer habe angekündigt, dass das „Leiden“ der Korangläubigen „schon bald“ ein Ende haben werde. Nach Angaben der „Rheinischen Post“ hatten etwa 200 Männer an dem Hamburger Treffen teilgenommen.

Laut „Welt“ hatte die „Neue Westfälische“ herausgefunden, dass ein MI-Vertreter bereits Mitte März 2024 in Gladbeck einen Pro-Kalifat-Vortrag vor Glaubensbrüdern gehalten hatte.

Hamburger Verfassungsschützer: „Sie akzeptieren unsere Gesellschaftsordnung nicht“

Nach Einschätzung des Hamburgs Verfassungsschutzchefs Torsten Voß sei es das Ziel der MI-Anhänger, in Deutschland das islamische Rechtssystem der Scharia einzuführen: „Sie akzeptieren unsere Gesellschaftsordnung nicht und wollen diese überwinden“, so Voß laut „Focus“. Zur MI-Vereinigung gehörten deutschlandweit etwa 800 Mitglieder. Nach Angaben der „Welt“ allein 130 in Nordrhein-Westfalen.

MI war laut „Focus“ 2020 als Nachfolgeorganisation der bereits 2003 verbotenen Gruppierung „Hizb-ut-Tahrir“ (HuT) gegründet worden. „Wenn die Gruppe Muslim Interaktiv die untersagte Tätigkeit der Hizb-ut-Tahrir fortsetzt, ist das nach Vereinsrecht strafbar“, zitiert das Münchner Nachrichtenmagazin einen anonymen, ehemaligen hochrangigen Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV). Reul ergänzte laut „Domradio.de“: „Die Hizb ut-Tahrir ist zwar verboten, aber das Gedankengut dieser Vereinigung lebt weiter“.

Wie das „Domradio“ weiter berichtet, habe Marc Lürbke, der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag NRW, Reul selbst zum Handeln aufgefordert: Der Innenminister solle „konsequent den Auftritten von Extremisten mit allen rechtlichen Möglichkeiten einen Riegel vorschieben“ und nicht nur Forderungen an das Bundesministerium stellen.

Die „Bild“ (Bezahlschranke) hatte als aktuellen MI-Anführer den 25-jährigen Hamburger Studenten Raheem B. ausgemacht. Auch B. nutzt nach Angaben des Onlineportals „Ansage.org“ zur Verbreitung seiner Ideale gern seine erfolgreichen Instagram- und TikTok-Kanäle. Es handele sich nach eigenen Äußerungen um einen im Jahre 2015 zum Islam konvertierten Sprössling aus einer deutsch-ghanaischen Beziehung.

In seinem Brief an das BMI vom November 2023 hatte Reul nach Informationen des „Kölner Stadtanzeigers“ bereits folgenden Appell an Bundesinnenministerin Faeser gerichtet:

„Daher bitte ich Sie, durch Ihr Haus als zuständige Verbotsbehörde prüfen zu lassen, ob auf der Grundlage der bisherigen bundesweit vorliegenden Informationen über die genannten Gruppierungen [Muslim interaktiv, Generation Islam, Realität Islam] vereinsrechtliche Maßnahmen eingeleitet werden können.“

Polizeigewerkschaft NRW sieht Verfassungsschutz am Zug

Nach Reuls damaligem Kenntnisstand seien manchmal „mehrere Tausend Teilnehmer“ zu den Veranstaltungen erschienen. Dabei seien „auch häufiger Polizistinnen und Polizisten angegriffen worden“. Auf einer Demo in der Ruhrmetropole Essen sei der prominente „Generation Islam“-Aktivist Ahmad Tamim aufgetreten. Aus dem Publikum seien unter anderem die Slogans „Muslime leiden, Herrscher schweigen“, „Einen Khalifa für Palästina“ und „Es ist unser Kummer, wir sind eine Ummah“ erklungen. Für Reul „klare Forderung nach einem Kalifat“.

Wie NRW-Innenminister Herbert Reul habe sich auch Erich Rettinghaus, der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) im bevölkerungsreichsten Bundesland, für ein Verbot der MI-Gruppierung ausgesprochen, berichtet die „Welt“. Seiner Meinung nach liege es nun am Verfassungsschutz, „Material“ dafür zu besorgen. Außerdem müsse man seiner Ansicht nach prüfen, ob es ausländerrechtlich möglich sei, MI-Anhängern das Aufenthaltsrecht zu entziehen oder ihnen die Einreise nach Deutschland zu untersagen, so die „Rheinische Post“.

„Khorasan“ bekannte sich zum Terroranschlag in Krasnogarsk

Bereits seit Jahren ist bekannt, dass islamistische Gruppen, beispielsweise der „Islamische Staat“ (IS) und seine Epigonen, gezielt auf allgemein zugänglichen Onlineplattformen unterwegs sind, um Unterstützer für ihre Träume nach einem weltweiten Kalifat zu finden. Zuletzt hatte das Massaker in der Crocus City Hall in Krasnogarsk bei Moskau international für Schlagzeilen gesorgt. Zur Urheberschaft hatte sich die IS-Gruppe „Khorasan“ (ISPK) bekannt.

Nach Informationen des „Focus“ gehen die „deutschen Sicherheitsbehörden“ davon aus, dass der seit dem 7. Oktober 2023 erneut aufgeflammte blutige Konflikt zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen die antiisraelische Stimmung, vor allem junger Muslime, „weiter enorm aufheizen“ werde – auch auf deutschem Boden.

Nach einer Studie über „Muslimisches Leben in Deutschland“ (PDF-Datei, ab Seite 30), die vor einigen Jahren von der Deutschen Islam Konferenz in Auftrag gegeben worden war, ging das BMI im Jahr 2020 einer Hochrechnung zufolge von bis zu 5,6 Millionen unter den damals insgesamt 83,1 Millionen Einwohnern der Bundesrepublik aus. Das habe rechnerisch einem Bevölkerungsanteil von bis zu 6,7 Prozent entsprochen. Aktuellere Zahlen konnte die Sprecherin des BMI auf Anfrage der Epoch Times nicht nennen.

Kampf gegen Islamismus

Bundesinnenministerin Faeser hatte im Juni 2023 anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2022 angekündigt, „unsere harte Gangart gegen Islamisten“ fortsetzen zu wollen. Im ersten Halbjahr 2023 seien „bereits zwei mögliche islamistische Anschläge in Castrop-Rauxel und in Hamburg verhindert“ worden. Es bestehe ein „weiter Grund zu höchster Wachsamkeit“.

Anfang November 2023 erließ Faeser unter dem anhaltenden Eindruck antiisraelischer Demonstrationen ein Betätigungsverbot für die Hamas in Deutschland und gab die Auflösung des propalästinensischen Solidaritätsnetzwerks „Samidoun“ bekannt.

Als die „größte extremistische Gefahr für die demokratische Grundordnung“ betrachtet Faeser allerdings bis heute den Rechtsextremismus.



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