Restlaufzeit der Koalition: „Noch gigantisch viel zu tun“

„Es war ein langer, anstrengender Abend mit guten Ergebnissen“, sagt CSU-Chef Horst Seehofer nach dem Koalitionsgipfel. Jetzt soll neue Kraft und Handlungsfähigkeit demonstriert werden. Doch Seehofer, Gabriel, Merkel und drei Minister wirken überarbeitet...
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Nach der langen Nacht: Horst Seehofer, Sigmar Gabriel, Thomas de Maiziere, Angela Merkel, Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles und Heiko Maas (v.l.) auf dem Weg zur Pressekonferenz.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Epoch Times14. April 2016
Sie sind blass, Müdigkeit steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Nur bei Sigmar Gabriel sind die Spuren des nächtlichen Koalitionsgipfels und vieler anderer Herausforderungen nicht so zu sehen: Die spanische Urlaubssonne hat ihn tief gebräunt.

„Es war ein langer, anstrengender Abend mit guten Ergebnissen“, sagt CSU-Chef Horst Seehofer. Jetzt soll neue Kraft und Handlungsfähigkeit demonstriert werden. Doch die beiden Männer, die Kanzlerin und drei Minister wirken überarbeitet.

Angela Merkel in der Mitte rattert zwei Vereinbarungen zum Anti-Terror-Kampf und Integrationsgesetz herunter. Seehofer und SPD-Chef Gabriel versuchen dann noch einmal mit Nachdruck, dem Gipfel große Bedeutung zu verleihen: Die Bundesrepublik bekommt erstmals ein Integrationsgesetz – ein „historischer Schritt“, behaupten sie. Gabriel prognostiziert, dass dieses Gesetz rückblickend einmal als erster großer Schritt hin zu einem modernen Einwanderungsgesetz gelten werde. Ein Gesetz, das Merkel derzeit nicht haben will.

Das war es dann aber auch schon mit der viel beschworenen Handlungsfähigkeit. Offen sind etwa weiterhin die vom Verfassungsgericht bis 1. Juli eingeforderte Reform der Erbschaftsteuer, die Entscheidung über eine Kaufprämie für Elektro-Autos, Modalitäten für Leiharbeit und Werkverträge. Seehofer will nicht verschweigen, „dass wir noch gigantisch viel tun haben“.

Union und SPD wollen auch noch den Kampf gegen Altersarmut zu einem großen, gemeinsamen Reformvorhaben der verbleibenden Regierungszeit machen. Merkel drückt auf die Tube. Bis Sommer soll der Koalitionsvertrag abgearbeitet werden, bis Weihnachten sollen die Projekte durch den Bundestag sein. Im Bundestagswahljahr 2017, mit der Vorwahl in Nordrhein-Westfalen, werden sich CDU, CSU und SPD dann nichts mehr schenken.

Aber wie sieht es mit dem Koalitionsfrieden aus, nach den schweren Zerwürfnissen vor allem zwischen CDU und CSU um die Flüchtlingspolitik? Merkel tut so, als wäre das eine eher rhetorische Frage: „Ich habe nicht den geringsten Zweifel daran, dass wir die Zusammenarbeit fortsetzen.“

Gabriel sagt, die Koalition werde bis zum Ende der Wahlperiode 2017 Handlungsfähigkeit beweisen, und Seehofer verspricht: „Die CSU will die Koalition ordnungsgemäß fortführen.“

Er hält aber seine Drohung aufrecht, die eigene Bundesregierung wegen Merkels Flüchtlingspolitik zu verklagen. Er wolle allerdings noch abwarten, bis Merkel auf seine vor ein paar Monaten schriftlich eingereichte Forderung nach effektiver Kontrolle der Grenze zu Österreich geantwortet habe.

Merkel lässt sich Zeit mit der Antwort. Aber es geht schon sichtbar entspannter zu zwischen ihr und Seehofer. Der Bayer schmunzelt nämlich und meint, er warte auf den Brief der Kanzlerin, „werde allerdings nicht jeden Tag zuallererst an den Briefkasten der bayerischen Staatskanzlei gehen“.

Ganz zum Schluss wird noch nach den Unionswünschen gefragt, die Bundeswehr stärker im Inland einzusetzen. „Die Tagesordnung war voll. Darüber haben wir nicht gesprochen“, sagt Merkel und lässt sich von den zwei Männern bestätigen, dass es sieben Stunden waren. Es ist einer der seltenen Momente in dieser Pressekonferenz, dass sie schmunzelt. Das liegt an Seehofer, der ihr schnaufend zuraunt: „Bayern München war auch noch.“ Also wurde nicht nur hart gearbeitet, sondern nebenbei auch Champions League geguckt.

Da greift Gabriel aber auch schon blitzschnell in Sachen Bundeswehr ein: „Für uns ist es klar, dass das nicht zur Debatte stehen wird.“ So viel zum Koalitionsfrieden. Überhaupt hat man beim SPD-Frontmann das Gefühl, dass er gar nicht mehr aufhören will zu reden – so geht es einem, dessen Partei in den Umfragen auf um die 20 Prozent abgestürzt ist.

Streckenweise hören sich Gabriels Ausführungen zu Integration, Alltagskriminalität, Terror und Rentenpolitik wie eine SPD-Parteitagsrede an – genau das fragt auch eine Reporterin die Drei auf dem Podium: „Wenn’s so war, ist gut“, meint Gabriel. Da zucken auch bei Merkel wieder die Mundwinkel. Grund zur Häme hat die Union keineswegs. Sie bewegt sich eher in Richtung 30 Prozent.

(dpa)


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