Regierungsantwort wirft Fragen auf: „Reisepass und Personalausweis sind kein Nachweis für deutsche Staatsangehörigkeit“
„Der Staatsangehörigkeitsausweis ist das einzige Dokument, mit dem das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit in allen Angelegenheiten, für die es rechtserheblich ist, verbindlich festgestellt wird (§ 30 StAG). Der deutsche Reisepass und Personalausweis sind kein Nachweis für die deutsche Staatsangehörigkeit, sie begründen nur eine Vermutung, dass der Inhaber die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.“
Diese eindeutige Antwort der baden-württembergischen Landesregierung auf eine Anfrage (16/1883) des MdL Daniel Lede Abal (GRÜNE) erweckte das Interesse der MdL Stefan Räpple und Dr. Christina Baum (beide AfD) die daraufhin selbst eine Anfrage (16/4136) stellten.
Auch die Antwort zu Frage 5 („Wie viele Staatsangehörigkeitsausweise sind von der jeweils zuständigen Behörde seit 1. Januar 2009 ausgestellt worden“), die da lautet, dass vom 1. Januar 2009 (Beginn der Registrierung) bis zum 12. April 2017 insgesamt 8.800 (aktualisiert 10.163) Staatsangehörigkeitsausweise in Baden-Württemberg vergeben wurden, tat dies.
Denn für die MdLs deutet die Antwort der Landesregierung darauf hin, dass von fast 11 Millionen Baden-Württembergern nicht einmal ein Promille seine Staatsangehörigkeit nachweisen kann bzw. sicher sein kann, überhaupt eine zu haben.
Wer ist wahlberechtigt?
Auch in Hinsicht auf die Wahlen sahen die MdLs Klärungsbedarf. Denn gemäß § 7 Absatz 1 des Landeswahlgesetz sowie gemäß § 12 Absatz 1 des Bundeswahlgesetzes gilt:
„(1) Wahlberechtigt sind alle Deutschen im Sinne von Artikel 116 Absatz 1 des Grundgesetzes …“
Gemäß Artikel 116 Absatz 1 GG gilt:
(1) Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.
(2) Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder einzubürgern. Sie gelten als nicht ausgebürgert, sofern sie nach dem 8. Mai 1945 ihren Wohnsitz in Deutschland genommen haben und nicht einen entgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht haben.“
Wählen – ohne Nachweis der deutschen Staatsangehörigkeit?
Da für rechtmäßige Landtagswahlen bzw. für rechtmäßige Bundestagswahlen der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist, fragten sich Räpple und Baum, „wie denn die deutsche Staatsangehörigkeit der Wahlberechtigten festgestellt werden kann, wenn lediglich der Besitz des Staatsangehörigkeitsausweises die deutsche Staatsangehörigkeit nachweist.“
Zudem wollten die MdLs wissen, warum an Landtagswahlen in Baden-Württemberg bzw. an Bundestagswahlen Personen teilnehmen dürfen, die keinen Staatsangehörigkeitsausweis der Bundesrepublik Deutschland besitzen, obwohl der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit in Bezug auf diese Wahlen rechtserheblich ist?
Die Antwort der Landesregierung darauf ist widersprüchlich zu den vorherigen Aussagen: „Die rechtlichen Vorgaben für die Wahrnehmung des Wahlrechts sehen die Vorlage eines Staatsangehörigkeitsausweises nicht vor“, heißt es in der Antwort.
Es hieß doch, der Staatsangehörigkeitsausweis ist das einzige Dokument, mit dem das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit verbindlich festgestellt wird. Und die deutsche Staatsangehörigkeit sei ja Voraussetzung für die Berechtigung zur Teilnahme an Kommunal-, Landes- und Bundeswahlen.
Welches Regierungsmitglied besitzt einen Staatsangehörigkeitsausweis?
Die Frage welche Mitglieder der Regierung einen Staatsangehörigkeitsausweis besitzen konnte die Landesregierung nicht beantworten. „Es ist nicht bekannt, ob und welche Mitglieder der Regierung einen Staatsangehörigkeitsausweis besitzen“, so die Landesregierung.
Die Parteikollegen MdB Stefan Keuter und MdB Udo Theodor Hemmelgarn erfuhren von den Aussagen der baden-württembergischen Landesregierung und fragten sich, ob die Bundesregierung die Ansicht der Landesregierung teile. Die Antwort der Bundesregierung auf seine Anfrage (BT-Drs. 19/3516) fiel schwammig aus.
„Das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird in der Regel mit einem gültigen Pass oder Personalausweis der Bundesrepublik Deutschland hinreichend glaubhaft gemacht. Die Erteilung dieser Ausweisdokumente setzt voraus, dass das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit nachgewiesen ist (§ 6 Absatz 2 des Passgesetzes, § 9 Absatz 3 des Personalausweisgesetzes). Ein Staatsangehörigkeitsausweis wird daher grundsätzlich nur dann benötigt, wenn die deutsche Staatsangehörigkeit zweifelhaft und klärungsbedürftig ist oder ein urkundlicher Nachweis über deren Bestehen von einer deutschen oder ausländischen öffentlichen Stelle verlangt wird.“
Doch wie kann anhand eines Personalweises das Erfüllen z. B. des Kriteriums „Abstammung“ nachgewiesen werden? Für die Beantragung eines Personalausweises reicht in der Regel die Vorlage anderer Ausweisdokumente (Kinderausweis, Reisepass, alter Personalausweis) oder die Geburtsurkunde. Alle diese Dokumente sind aber nicht aussagekräftig, was die tatsächliche Staatsangehörigkeit betrifft.
Wie viele „Deutsche“ sind tatsächlich deutsche Staatsangehörige?
Fragwürdig ist auch die Antwort der Bundesregierung auf die Frage: „Wie viele Menschen in Deutschland besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit“. Die Antwort der Regierung lautet: „Nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes gaben im Jahr 2016 im Rahmen der Mikrozensus-Befragung von 82,425 Millionen Menschen in Deutschland 73,464 Millionen Menschen an, die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen.“
Und es hieß in der Antwort weiter: „Nach dem auf Grundlage des Zensus 2011 fortgeschriebenen Bevölkerungsstand besaßen im Jahr 2016 von 82,349 Millionen Einwohnern 73,413 Millionen die deutsche Staatsangehörigkeit (Jahresdurchschnitt)“
Es müsste richtigerweise heißen „vermutlich die deutsche Staatsangehörigkeit“, da ansonsten 73,413 Millionen Menschen in Deutschland einen Staatsangehörigkeitsausweis besitzen müssten, was bei der Anzahl der seid 2007 gestellten Anträge auf Erteilung eines solchen Ausweises sehr unwahrscheinlich ist. So erhielten seit 2007, seitdem die positiven Bescheide zur Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises statistisch erfasst werden, 174.558 in Deutschland lebende Menschen einen Staatsangehörigkeitsausweis ausgestellt.
Regierung: „Deutsche Staatsangehörigkeit ist anhand des Meldedatenbestands feststellbar“
MdB Keuter und sein Parteikollege fragten, genau wie ihre Landeskollegen, warum Personen an den Wahlen teilnehmen, die keinen Staatsangehörigkeitsausweis der Bundesrepublik Deutschland besitzen, obwohl der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit in Bezug auf diese Wahlen rechtserheblich ist.
In der Antwort der Bundesregierung heißt es dazu: „Die deutsche Staatsangehörigkeit ist anhand des Meldedatenbestands feststellbar“
Wiederum eine vage Angabe und noch dazu nicht korrekt. Es heißt: „ist (…) feststellbar.“ Heißt dies nun, dass dies anhand des Meldedatenbestands festgestellt wird? Für das Abstammungsprinzip trifft dies jedenfalls so nicht zu. Denn in dem Meldedatenbestand werden keine Angaben zu den Vorfahren erfasst.
Keuter äußerte sich in einer Pressemitteilung zu der Antwort der Bundesregierung auf seine Anfrage: „Es grenzt schon an Ignoranz, dass die Bundesregierung den sich daraus ergebende Widerspruch zu den Aussagen der Landesregierung Baden-Württemberg nicht sieht, oder nicht sehen will“. (er)
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