Regierung will Rentenpaket II beschließen – Wer soll das bezahlen?

Bald gibt es immer mehr Rentner – und weniger Einzahler. Trotzdem sollen die Renten auch in Zukunft mit den Löhnen Schritt halten, auf Höhe von 48 Prozent der Löhne. Auch neue Schulden sollen gemacht werden.
Mit der Reform soll das Rentenniveau mindestens bis 2039 bei 48 Prozent gehalten werden.
Mit der Reform soll das Rentenniveau mindestens bis 2039 bei 48 Prozent gehalten werden.Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa
Epoch Times29. Mai 2024

Nach monatelangem Ringen will das Bundeskabinett heute das Rentenpaket II auf den Weg bringen. „Die Bundesregierung sorgt mit dem Rentenpaket dafür, dass die gesetzliche Rente für alle Generationen stabil und verlässlich bleibt“, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

Die Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sagte, die Zugeständnisse an die Rentner gingen vollständig zulasten der jüngeren Generationen, „die bereits in absehbarer Zeit mit steigenden Sozialabgaben zur Pflege- und Krankenversicherung belastet werden“.

„Statt die Kopplung des Rentenniveaus an die Lohnentwicklung dauerhaft zu fixieren, sollten die Rentenanstiege begrenzt werden, zum Beispiel, indem die Renten nicht mehr an die Löhne, sondern an die Inflation gekoppelt werden“, forderte Schnitzer.

Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Arbeitgeberverbände, Rainer Dulger, sagte dem „Spiegel“: „Die Zeche zahlen die Jüngeren. Ihnen werden die Kosten für den demografischen Wandel aufgebürdet.“

Wirtschaftsweise: Paket ist „nicht generationengerecht“

Die Chefin der sogenannten Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, kritisiert das Rentenpaket II als „nicht generationengerecht“. Es sei „nicht der benötigte große Wurf, um das Rentensystem langfristig zu stabilisieren“, sagte Schnitzer der „Rheinischen Post“.

Die Zugeständnisse an die Rentnerinnen und Rentner gingen „vollständig zu Lasten der jüngeren Generationen, die bereits in absehbarer Zeit mit steigenden Sozialabgaben zur Pflege- und Krankenversicherung belastet werden“.

Schnitzer forderte, die Renten nicht wie bisher an die Lohnentwicklung zu koppeln, sondern an die Preisentwicklung. Auch kritisiert die Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, dass das geplante Generationenkapital nicht weit genug gehe.

Es bleibe „weit hinter dem Vorschlag des Sachverständigenrats zur Aktienrente zurück und wird das Rentensystem nicht wesentlich entlasten“, monierte die Wirtschaftswissenschaftlerin.

48 Prozent des Einkommens als Rente

Die Ampel verfolgt mit dem Gesetzespaket zwei Ziele: Die Renten sollen künftig weiter im Einklang mit den Löhnen in Deutschland steigen. Dafür soll das Rentenniveau von 48 Prozent bis mindestens 2039 gehalten werden. Es sagt aus, wie sich die Renten im Verhältnis zu den Einkommen entwickeln.

Wenn beispielsweise eine ausgebildete Krankenschwester mit 3.100 Euro pro Monat im Jahr 2032 nach 45 Erwerbsjahren im Alter von 65 Jahren in Rente geht, würden ihre Bezüge dank des Rentenpakets statt rund 1.450 Euro etwa 1.500 Euro betragen. „Das ist ein Plus von rund 600 Euro im Jahr“, so das Bundesarbeitsministerium.

Die Rentenbeiträge sollen nicht so stark steigen. Heute liegt der Beitragssatz bei 18,6 Prozent des Einkommens. Ohne Reform soll er bis 2030 auf 20,2 und bis 2040 auf 21,3 Prozent steigen, so offizielle Prognosen.

Neue Schulden für das „Generationenkapital“

Zum anderen will die Regierung aus Bundesmitteln ein sogenanntes Generationenkapital aufbauen – also Geld auf dem Aktienmarkt anlegen.

Eine Sicherung des Rentenniveaus ohne Generationenkapital würde den Beitragssatz laut Gesetzentwurf bis 2040 sogar auf 22,6 Prozent hochtreiben. Die Zinserträge des Generationenkapitals sollen dazu führen, dass er dann bei 22,3 Prozent verharrt.

Die Regierung will dafür Schulden machen, die nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden. In diesem Jahr sind es 12 Milliarden Euro, in den kommenden Jahren soll es jeweils etwas mehr werden.

Auch Vermögenswerte des Bundes sollen übertragen werden. Bis Mitte der 2030er Jahre sollen so mindestens 200 Milliarden Euro angelegt werden. Aus den Erträgen am Aktienmarkt sollen dann jährlich zunächst 10 Milliarden Euro an die gesetzliche Rentenversicherung fließen.

Regierung drückt aufs Tempo

Damit das Generationenkapital noch 2024 eingerichtet werden kann, will die Regierung nun Tempo machen. Per Brief bat das Kanzleramt die im Bundesrat versammelten Länder um Fristverkürzung bei den Beratungen, so dass die Länderkammer die Reform bereits am 5. Juli beraten kann. Auch in der Koalition ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Mit Spannung wird erwartet, ob bei den ebenfalls anstehenden Debatten im Bundestag zu dem Gesetzentwurf neuer Streit ausbricht. Die FDP zeigte sich zuletzt gar nicht mehr zufrieden mit den Reformplänen.

Ihr sind die künftigen Beitragsbelastungen für die heute jüngere Generation zu hoch. Heil entgegnete, der vorhergesagte Beitragsanstieg von jeweils einem halben Prozentpunkt bis 2040 für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sei „etwas, was wir leisten können“.

Lindner: Absicherung der Selbstständigen fehlt noch

Lindner und seine FDP fordern weitere Maßnahmen – etwa um Anreize für eine längere Lebensarbeitszeit zu geben. Wie es in Koalitionskreisen hieß, werden derzeit Schritte erwogen, die Arbeit im Alter finanziell noch attraktiver machen sollen. Was zudem noch aussteht: die angekündigte bessere Altersabsicherung von Selbstständigen, die Heil erneut ankündigte.

Auch bei der privaten Altersvorsorge will die Koalition noch Dinge verbessern. Heil verneinte aber die Frage, ob es nach dem Rentenpaket bis zur nächsten Bundestagswahl über die Ankündigungen hinaus noch mehr in Sachen Rente gebe: „Nein, das ist eine große Reform, weil wir das Rentenniveau dauerhaft stabil halten.“

Grüne können mit dem Ergebnis leben

Die Grünen waren mit dem Generationenkapital unglücklich. Sie hatten auf die Volatilität der Finanzmärkte hingewiesen, durch die es kurzfristig zu hohen Verlusten kommen könne. Gesetzlich festschreiben wollen die Grünen, dass der Einsatz von Beitragsmitteln für den Kapitalstock auch in Zukunft ausgeschlossen wird.

Doch als es zuletzt zwischen SPD und FDP wieder heftig knirschte und dabei auch die Rente ins Zentrum rückte, zeigte sich der Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck überrascht. „Das Rentenpaket war eigentlich geeint“, sagte er. In seinem Wirtschaftsministerium habe man damit anfangs ein paar Probleme gehabt, „weil uns die schuldenfinanzierte Aktienrente nicht auf Anhieb überzeugt hat“. Mit dem Ergebnis könne man aber leben.

Deutschlands Arbeitgeber: Das „teuerste Sozialgesetz dieses Jahrhunderts“

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände trommelt bereits seit Wochen gegen „das teuerste Sozialgesetz dieses Jahrhunderts“, wie sie das Rentenpaket nannte. „Nachdem die Koalition bereits eine Anhebung des Rentenalters ausgeschlossen hat, gehen damit künftig alle Lasten aus der Alterung auf Kosten der Beitragszahler.“

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte: „Erneut werden Leistungen versprochen, die langfristig nicht finanzierbar sein werden.“ Mit immer höheren Sozialbeiträgen komme Deutschland noch schwerer aus dem „wirtschaftlichen Stillstand“.

„In den nächsten 20 Jahren werden 500 Milliarden Euro mehr für die Rente ausgegeben“, so Dulger. „Die Zeche zahlen die Jüngeren. Ihnen werden die Kosten für den demografischen Wandel aufgebürdet.“ Es wundert ihn, dass nicht Millionen junge Menschen gegen die Rentenpläne der Ampel auf die Straße gehen.

Dulger sagte, oberstes Gebot der Stunde für die Regierung müsse sein, den Standort Deutschland zu stärken. Mit dem Rentenpaket mache sie das Gegenteil. „Die Lohnzusatzkosten werden in den kommenden Jahren weiter stark steigen. Die Regierung macht damit Arbeit noch teurer und unattraktiver“, so Dulger weiter. Er hoffe, dass die nächste Regierung hier deutliche Änderungen vornehmen werde.

Der BDA-Chef sagte, die Bundesregierung müsse die sogenannte abschlagsfreie Rente ab 63 sofort stoppen: „Subventionierte Frühverrentung passt nicht in die Zeit der vielen sich überlappenden Krisen.“

Sozialverbände und Gewerkschaften sind zufrieden

Sozialverbände und Gewerkschaften loben die Sicherung des Rentenniveaus – und fordern noch mehr. So sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel der dpa, ein stabiles Rentenniveau bedeute „Entlastung, bessere Absicherung im Alter und weniger Aufwand für private Vorsorge“. Hans-Jürgen Urban vom IG-Metall-Vorstand sagte: „Das Rentenpaket II stoppt die programmierte Entwertung der Renten für weitere 15 Jahre.“

Ebenso wie DGB und IG Metall forderte der Sozialverbands VdK aber sogar ein höheres Rentenniveau. So sagte VdK-Chefin Verena Bentele der „Rheinischen Post“, ein Niveau von 53 Prozent wäre eine Rentenerhöhung um zehn Prozent – „und würde wirklich gegen Altersarmut helfen“. (dpa/red)



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