Falsche Prioritäten in der Energiepolitik? Regierung lehnt längere Laufzeiten für Atomkraftwerke ab
Der wirtschafts- und energiepolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer, hat den 2011 nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima beschlossenen Atomausstieg in Deutschland in Frage gestellt.
Er wäre unter Umständen offen dafür, auch in Zukunft Kernkraftwerke zu betreiben, sagte der CDU-Politiker dem „Spiegel“. „An mir und an der Unionsfraktion wird es nicht scheitern.“
Er habe es für falsch gehalten, überhaupt aus der Kernkraft auszusteigen, sagte Pfeiffer. „Wenn es jetzt aber darum geht, aus Klimaschutzgründen wieder in die Kernenergie einzusteigen, muss die Initiative von den Grünen und Linken ausgehen.“
Beide Parteien lehnen dies strikt ab. Kernkraftwerke stoßen im Betrieb im Gegensatz zu Kohle- und Gaskraftwerken kein klimaschädliches CO2 aus.
Unter Führung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Bundesregierung 2011 beschlossen, die Atomkraftwerke gestaffelt abzuschalten. Der Bundestag hatte dem im Konsens zugestimmt – mit den Stimmen von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen. Danach gehen die drei letzten Anlagen spätestens Ende 2022 vom Netz – das sind Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2.
Parallel zum Ausstieg aus der Atomenergie kommt auch die Kohleverstromung
Auch die Reaktionen des Koalitionspartners SPD auf Pfeiffers Äußerungen fielen deutlich aus. Bundesumweltministerin Svenja Schulze sagte dpa: „Es gab keine einzige energiepolitische Entscheidung, die von so einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen worden ist wie der Atomausstieg 2011.“ Der GAU von Fukushima habe allen vor Augen geführt, dass es richtig sei, aus der Atomenergie auszusteigen und die Akw in Deutschland schrittweise und für immer stillzulegen. Vom Koalitionspartner CDU/CSU forderte Schulze, für Klarheit in den eigenen Reihen zu sorgen.
Deutschland plant neben dem Atomausstieg auch einen schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung, bis spätestens 2038. Allerdings stockt derzeit der als notwendig betrachtete Ausbau erneuerbarer Energiequellen aus Sonne oder Wind. Vor allem die Windkraft an Land ist in diesem Jahr wegen langer Genehmigungsverfahren und vieler Klagen fast zum Erliegen gekommen. Der Bau von Stromleitungen von dem vor allem im Norden produzierten Windstrom in den Süden kommt ebenfalls nur langsam voran. Erneuerbare Energien sowie ein zunehmender Einsatz von Gas sollen aber die Lücke durch den Atom- sowie Kohleausstieg schließen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Atomkraft kann gegen Klimawandel helfen
Der deutsche Weg eines Ausstiegs aus der Kernenergie findet derzeit wenig Nachahmer. Die Atomkraft könne im Kampf gegen den Klimawandel helfen, hatte vor kurzem der neue Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, gesagt.
Der SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch lehnte eine Rückkehr zur Atomkraft strikt ab: „Wer heute Atomkraft als nachhaltig darstellt, verschweigt die enormen Risiken für Mensch und Natur und die Tatsache, dass wir 30.000 Generationen hochgefährlichen Müll überlassen, ohne dass diese einen Nutzen hatten“, sagte Miersch. Von der Union forderte Miersch ein unverzügliches und unmissverständliches Bekenntnis zum „unumkehrbaren Atomausstieg“.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte jüngst falsche Prioritäten in der Energiepolitik beklagt. Wenn das Weltklima das größte Problem sei, hätte Deutschland zuerst aus der Kohleverstromung aussteigen müssen, statt aus der Atomenergie.
Auch der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, ist der Auffassung, dass der kurzfristige Atomausstieg ein Fehler war. In der Klima-Debatte wirbt auch die AfD für eine Renaissance der Kernenergie.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, sagte, längere Laufzeiten der Atomkraftwerke seien „keine realistische Option“ in Deutschland. „Es gibt dafür keine gesellschaftliche Mehrheit“, sagte er. (dpa)
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