Regierung denkt über Führungsrolle des Bundes in der Pandemie-Politik nach
Geht es nach Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und der Bundesregierung müssen die Entschlussfähigkeit bei den Corona-Beschlüssen von den Ländern auf die Bundesebene verlagert werden. Das sagte der Minister am Montag der „Süddeutschen Zeitung“ nach entsprechenden Andeutungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Abend zuvor. Aus den Ländern kam Widerspruch, der sich auch gegen Merkels Kritik am Corona-Management richtete.
„Man muss als Bundesregierung handeln“, sagte Seehofer der „Süddeutschen Zeitung“. Der Bund habe „von jeher“ die Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet der Pandemie-Bekämpfung – „man muss nur Gebrauch davon machen.“
Union und SPD sollten schnellstmöglich Einigkeit über ihr weiteres Vorgehen herstellen und die zuständigen Ministerien dann einen Gesetzentwurf verfassen. Der Bund müsse „einheitlich festlegen, was bei welcher Inzidenz zu geschehen hat“, sagte Seehofer.
Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) sagte der „Welt“, in der aktuellen, „sehr schwierigen“ Phase der Pandemie wäre es „hilfreich, durch mehr bundeseinheitliche Kriterien und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen die Akzeptanz der Maßnahmen zu erhöhen“. Es gehe darum, „im Gesetz klare und für ganz Deutschland wirkende Wenn-dann-Regelungen zu definieren“.
Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Erwin Rüddel (CDU), sagte der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ (Dienstagsausgaben), wenn es bei der jetzigen Kompetenzverteilung bleibe, solle sich der Bund von der Ministerpräsidentenkonferenz zurückziehen. Er sehe nicht ein, „dass der Bund, der das Geld zur Verfügung stellt, permanent für Dinge in Mitverantwortung genommen wird, die er nicht zu verantworten hat“.
Merkel hatte am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Anne Will“ gesagt, die Länder müssten bei der Pandemiebekämpfung „nachlegen“. Bund und Länder hätten gemeinsam die Notbremse zur Rücknahme bereits erfolgter Öffnungen und auch weitere Maßnahmen beschlossen.
Aber die Umsetzung ist nicht so, dass ich schon überzeugt bin, dass diese dritte Welle gebrochen wird“, kritisierte Merkel.
Änderten die Länder ihr Vorgehen nicht, müsse beispielsweise eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes erwogen werden.
In mehreren Bundesländern stießen solche Überlegungen sowie Merkels Kritik auf Widerspruch. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte dem „Handelsblatt“, er rate „davon ab, das Regelwerk zu zentralisieren und die Gesetze zu verschärfen“. Die Situation in Frankreich zeige, dass eine zentralisierte Pandemiebekämpfung nicht erfolgreicher sei.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte in Berlin, es helfe nicht weiter, wenn Bund und Länder sich gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Sein Bundesland habe „die Notbremse flächendeckend verpflichtend für alle Landkreise umgesetzt“, fügte der CDU-Bundesvorsitzende hinzu.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, er fordere schon lange einen Stufenplan und einheitliche Regeln für ganz Deutschland. Er unterstütze die Kanzlerin in diesem Ansinnen – „ich bin nur irritiert, dass sie das jetzt als Drohkulisse aufbaut“. Er ärgere sich „ein bisschen über die Tonart“.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock verlangte ein bundesweit koordiniertes Vorgehen. „Es darf jetzt kein Rumgeeiere geben“, sagte sie in Berlin. Die vereinbarte Notbremse müsse deutschlandweit gelten. Es brauche zudem „weitere, schärfere Maßnahmen“, um die dritte Corona-Welle jetzt zu brechen.
FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae forderte Merkel in der „Welt“ auf, ihre Änderungsvorstellungen zum Infektionsschutzgesetz konkret zu benennen. Seine Fraktion sei schon lange für „einen bundesweit einheitlichen gesetzlichen Stufenplan“. Nicht sachgerecht wäre es aber, „den Bund etwa nur mit mehr Durchgriffsrechten auszustatten oder einen flächendeckenden Lockdown und Ausgangssperren per Gesetz zu verhängen“, warnte Thomae. (afp)
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