Regelungslücke und Wildwuchs bei Windkraft: 1.000 Anlagen in NRW stehen vor dem Aus
In der Debatte um die Geschwindigkeit des Ausbaus der Windkraft in NRW wollen SPD, Union und Grüne im Bund den Landespolitikern zeitnah entgegenkommen. Derzeit liegen in dem Bundesland etwa 1.500 Anträge von Investoren auf Genehmigung von Windrädern vor, die jedoch außerhalb dafür vorgesehener Zonen entstehen sollen.
Aufgrund einer Regelungslücke, einer Gerichtsentscheidung und einer Vorrangregelung drohte ein unkontrollierter Wildwuchs – und das Land hätte dagegen keine Handhabe gehabt. Noch in der Sitzungswoche, die am Montag, 27. Januar, begonnen hat, will man das Bundes-Immissionsschutzgesetz ändern. Dies soll zumindest den Stopp der Errichtung von 1.000 Windrädern in dafür nicht vorgesehenen Gebieten ermöglichen.
NRW will 1,8 Prozent seiner Fläche für Windkraft reservieren
Schon bis Ende 2025 – und damit sieben Jahre früher als vom Bund vorgesehen – will das Land NRW 1,8 Prozent seiner Fläche als Vorbehaltsfläche für Windkraft ausweisen. Schon jetzt legt man in Düsseldorf Wert darauf, bei der Genehmigung von Windrädern schneller voranzuschreiten als in jedem anderen Bundesland.
Damit es am Ende die richtigen 1,8 Prozent sind, auf denen die Anlagen stehen, werden gerade die Regionalpläne ausgearbeitet. Dieser Prozess wird allerdings nicht so schnell abgeschlossen sein – er könnte sich bis in die zweite Jahreshälfte hineinziehen. Investoren berufen sich nun auf die Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes im Zusammenhang mit Paragraf 2 EEG. Dieses sieht seit 2023 ein „überragendes öffentliches Interesse“ für Windkraftanlagen vor.
Investoren argumentieren nun, dies habe zur Konsequenz, dass die Zögerlichkeit der Verantwortlichen in Land und Kommunen bei der Regionalplanung einer Genehmigung nicht entgegenstehen könne. Auch dann nicht, wenn diese für Anlagen in Wäldern oder Naturschutzgebieten beantragt sei.
Politik von „Goldgräberstimmung“ überrollt
Angesichts der hohen Zahl an Anträgen hatten selbst die Grünen in der Landesregierung Unbehagen wegen eines sich anbahnenden „Wildwuchses“ und einer um sich greifenden „Goldgräberstimmung“ entwickelt. Um Ordnung in die Dynamik zu bringen, versuchte das Kabinett in Düsseldorf zweimal, Übergangsregelungen in Kraft zu setzen.
Das Landesplanungsgesetz sollte demnach Kommunen gestatten, unter Umständen Genehmigungsverfahren für die Dauer eines Jahres auszusetzen. Dies solle insbesondere dann gelten, wenn die entsprechenden Windräder nicht in Bereichen liegen, die laut Regionalplanentwurf bevorzugte Standorte darstellen.
Das Oberverwaltungsgericht Münster machte diesem Vorhaben beide Male einen Strich durch die Rechnung. Das Gericht verwies jeweils auf den Vorrang des Bundesrechts. Und in diesem heißt es:
„Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit. Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden.“
Landesregierung will 1.000 Anlagen genehmigen – aber nicht dort, wo Investoren das wollen
Derzeit sind die Regionen Arnsberg, Höxter, Paderborn, Detmold und das Münsterland das Hauptinteressengebiet potenzieller Investoren. In den Regionen Arnsberg, Köln, Detmold, Münster, Düsseldorf sowie im Verbandsgebiet des Regionalverbands Ruhr (RVR) gibt es bis dato noch keine fertigen Regionalpläne.
Im Jahr 2024 sind nach vorläufigen Angaben landesweit 154 Windenergieanlagen in Betrieb gegangen. Bis 2027 will die Landesregierung in NRW 1.000 Genehmigungen ausgestellt haben. Allerdings ist man bestrebt, die Errichtung von Windrädern in Gebieten, die man nicht als Vorrangflächen auszuweisen plant, zu verhindern. Andernfalls befürchtet man einen Akzeptanzverlust für den Windkraftausbau.
Der Landesverband Erneuerbare Energien Nordrhein-Westfalen (LEE NRW) hat wiederum deutliche Kritik an der abwartenden Haltung in der Landesregierung geübt. Die jüngsten Urteile des OVG Münster betrafen mehr als 100 geplante Windkraftanlagen. Das Landeskabinett versucht nun trotz der Niederlagen vor Gericht, Spielräume für das Aussetzen von Genehmigungen zu gewinnen.
Branche droht Land NRW mit Schadensersatzklagen
Immerhin lagen Wirtschafts- und Energieministerin Mona Neubaur zufolge schon Ende November bereits 855 Anträge auf Windkraftprojekte außerhalb der vorgesehenen Flächen vor. Mittlerweile sind offenbar noch Hunderte weitere dazugekommen. Die Branche wiederum droht mit Schadensersatzklagen aufgrund der Verzögerungen, die von der Landesregierung zu verantworten seien.
Nun liegt deren Hoffnung in einer Anpassung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes noch vor der Bundestagswahl. Angestrebt ist eine „pragmatische Lösung“, Details sind jedoch noch nicht bekannt. Inwieweit sich die potenziellen Investoren bezüglich ihrer Schäden aufgrund der späteren Inbetriebnahme auf Vertrauensschutz berufen und Schadensersatzansprüche darauf stützen können, werden die Gerichte zu klären haben.
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