„Rechtsstaatswidriges Schauverfahren“: Verteidiger im BND-Spionage-Prozess erhebt Vorwürfe

Auch der zweite Verhandlungstag des BND-Spionageprozesses war von Auseinandersetzungen zwischen Verteidigung und Anklage gekennzeichnet. Erstmals zeichnen sich die Verteidigungsstrategien von den Rechtsbeiständen der Angeklagten ab.
Titelbild
Der Vorsitzende Richter Detlev Schmidt (3.v.r.) und die Kollegen und Staatsanwälte Lars Malskies (l.) und Cai Rueffer (2.v.l.) vor Beginn des Prozesses am Berliner Kammergericht am 13.10.2023.Foto: Clemens Bilan – Pool/Getty Images
Von 15. Dezember 2023

Mit Spannung wurde am Donnerstag in dem Prozess zum größten BND-Spionagefall seit Jahrzehnten die Entscheidung des Berliner Kammergerichts erwartet, ob die streng geheim gehaltenen drei Seiten der Anklageschrift öffentlich verlesen werden oder nicht.

Der Vorsitzende Richter am 6. Strafsenat des Berliner Kammergerichts, Dr. Detlev Schmidt, teilte schließlich mit, dass das Gremium aus fünf Richtern nach Beratung entschieden hat, diesen Teil nicht öffentlich zu verlesen.

Er begründete dies damit, dass eine Gefährdung der Staatssicherheit drohe und das Verlesen dieser „Staatsgeheimnisse“ die Funktion staatlicher Einrichtungen wie des BND beeinträchtigen könne.

Auch wenn keine Details zur Datenverarbeitung beim BND enthalten wären, könnten auch „fragmentarische Informationen“ Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des deutschen Geheimdienstes liefern. Grob hieß es, dass es dabei um Informationen zur technischen Aufklärung des BND über russische Kampfverbände ginge.

Die Verteidigung hatte beantragt, dass die drei Seiten öffentlich verlesen werden, damit sich die Öffentlichkeit ein Bild davon machen kann, um welche Informationen es geht. Die Bundesanwaltschaft als Ankläger beantragte die Geheimhaltung der drei Seiten.

Russische Chat-Applikation „Kod“

In einer nachfolgenden Stellungnahme erklärte der Berliner Rechtsanwalt Johannes Eisenberg, der zusammen mit Philipp Bruckmann den Angeklagten L. anwaltlich verteidigt, dass Inhalte aus den drei Seiten bereits in den Medien veröffentlicht wurden.

Eisenberg wollte sich umfassend äußern, doch aufgrund der fehlenden öffentlichen Verlesung der restlichen drei Seiten der Anklageschrift wolle er dies nun doch nicht tun, führte er aus.

Er verstehe nicht, warum, wenn schon bekannt sei, dass die Wagner-Kommunikation [private russische Wagner-Armee] gehackt wurde, dies nicht im Gericht bekannt gemacht werde.

Der „Spiegel“ berichtete bereits letzte Woche, dass es sich dabei um Inhalte aus der russischen Chat-App „Kod“ – eine Art interne WhatsApp-Anwendung für Wagner-Söldner – handeln soll, mit der neben Texten offenbar auch Dateianhänge verschickt werden konnten.

Verteidiger zeigt sich emotional und gereizt

Emotional und gereizt greift Eisenberg in seiner Stellungnahme sowohl das Gericht als auch die Anklage an. Vieles habe die Verteidigung zuerst aus den Medien erfahren, so sein Vorwurf. Seiner Ansicht nach wurden dem BND zu viele Rechte bei der Ermittlungsarbeit gegeben und der BND handele nicht neutral. Dabei kritisiert er den Umstand, dass der BND offenbar selbst ermittelt und gleichzeitig der Geschädigte ist.

Viele Aussagen vom BND seien in dem jetzigen Fall für die Verteidigung nicht überprüfbar, da der BND keinen Zugang für andere Ermittler bereitstellen würde.

Auch sei die Arbeit der Verteidiger erschwert, da man unter dem Aufzeigen von Konsequenzen jegliche elektronische Verarbeitung von Dokumenten und jegliche offene Kommunikation zu den Inhalten und den Anträgen in dem Fall untersage.

Man arbeite „wie in den 50ern“, kritisiert Eisenberg weiter. Man müsse aus den 40 Aktenordnern handschriftlich die Informationen heraus abschreiben.

Das Originalmaterial habe teilweise das FBI. Auch würden die Akten nach einem neuen System zusammengeführt, das die Arbeit erschwere. „Informationen können nicht auf Wahrheitsgehalt und Herkunft überprüft werden“, beklagt er.

„Rechtsstaatswidriges Schauverfahren“

In seinen Augen sei das Verfahren ein „Schauverfahren“ und in seiner jetzigen Form rechtsstaatswidrig. Zudem sieht er in dem Verhalten des BND ein Verfahrenshindernis.

Er stellt in den Raum, dass das belastende Material, das sein Mandant weitergegeben haben soll, vom ukrainischen Geheimdienst stammt, der bekanntermaßen vom BND geheimdienstlich unterstützt wird. Er deutet an, dass dem ukrainischen Geheimdienst nicht zu trauen sei und stellt die These auf, dass dieser Geheimdienst gegen seinen Mandanten etwas konstruiert habe.

Kern seiner Verteidigung ist, dass das Material, das sein Mandant mutmaßlich übergeben haben soll, keine schwerwiegenden Staatsgeheimnisse enthalte und sein Mandant Opfer zwischenstaatlicher Politik sei, in die auch FBI und CIA involviert seien.

Laut „Spiegel“ geht es in dem Fall darum, dass Erkenntnisse des BND aus einem technischen Überwachungsprogramm an die Russen verraten worden seien. Dem BND sei es demnach gelungen, die Kommunikation der russischen Söldnertruppe Wagner auszuforschen. Durch den Verrat habe dann die Wagner Gruppe ihre Kommunikation verändert, sodass eine Abschöpfung von Informationen mit herausragender Bedeutung nicht mehr möglich gewesen sei.

Eisenberg hält mit dem Argument dagegen, dass selbst nach dem mutmaßlichen Verrat weiter wichtige Informationen über den betreffenden Chat-Dienst ausgetauscht wurden.

In seinen Augen stünde nicht fest, dass das „Verratsmaterial“ von seinem Mandanten übergeben wurde.

„Mandant trug entscheidend zur Aufdeckung bei“

Anders ist die Verteidigung des angeklagten russischstämmigen Rohstoffhändlers E. durch die Rechtsanwälten Khubaib-Ali Mohammed aus Berlin und Guiseppe Olivo aus Karlsruhe.

Ihre Verteidigungsstrategie zielt darauf ab, die Bedeutung der Aussagen von E. gegenüber den deutschen Behörden in Form des Bundeskriminalamtes (er hat auch dem FBI gegenüber ausgesagt) herauszustellen und dass er sich freiwillig den Behörden gestellt habe.

Erst die Aussagen ihres Mandanten hätten zu den „erschreckenden Erkenntnissen“ geführt, wie fahrlässig mit der Überprüfung von BND-Mitarbeitern umgegangen würde. So erst hätten die deutschen Behörden entscheidende Informationen erhalten. Somit habe ihr Mandant entscheidend zur Aufdeckung der Umstände beigetragen.

Offenbar geht es ihnen darum, das Strafmaß für ihren Mandanten zu mindern.

Während E. unruhig wirkt und nervös mit seinem Stift spielt und oft seinen Blick durch den Gerichtssaal wandern lässt, macht der zweite Angeklagte, der Berufssoldat L., intensiv Mitschriften, lässt sich Akten reichen, hört konzentriert zu.

Von der Verteidigungsseite, aber auch von der Anklageseite gab es keine konkreten Anzeichen auf eine Verständigung. Der Angeklagte L. hat bis jetzt durchweg zu den Vorwürfen geschwiegen. Er kündigte aber am Donnerstag an, sich zu einem späteren Zeitpunkt äußern zu wollen.

Für den komplexen Fall sind Verhandlungstermine bis zum Sommer 2024 angesetzt. Nächsten Mittwoch steht der nächste Verhandlungstermin an, dabei wird es um die mutmaßliche Kommunikation in der Untersuchungshaft in der JVA Moabit zwischen den beiden Angeklagten über Kassiber gehen.



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