Rechtsstaat schlägt zu: Strafbefehl über 4.000 Euro gegen bayerischen Pfarrer wegen Gewährung von Kirchenasyl
Ulrich Gampert schreibt Geschichte. Dem Pfarrer der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde in Immenstadt im Allgau flatterte der allererste in Bayern ausgestellte Strafbefehl wegen gewährten Kirchenasyls ins Haus. Laut „Sonntagsblatt“ hatte Gampert über ein Jahr lang gemeinsam mit Ehefrau Marlies, ebenfalls Pfarrerin, und der Kirchgemeinde Immenstadt dem 22-jährigen Afghanen Reza Jafari Schutz vor der Abschiebung gewährt.
In der vergangenen Woche beschloss der Petitionsausschuss des Bayerischen Landtags dann einen sechsmonatigen Abschiebestopp für den Afghanen. Daraufhin verließ der Mann das Kirchenasyl, die Wogen schienen geglättet.
Ulrich #Gampert aus #Immenstadt wird als erster Geistlicher in #Bayern von einem Gericht belangt, weil er einem #Flüchtling Zuflucht gewährt hat. Wie der Landesbischof darauf reagiert. #Kirchenasylhttps://t.co/LU94dpXJuN
— AugsburgerAllgemeine (@AZ_Augsburg) July 19, 2019
Nun beginnt für den Pfarrer die Arbeit in eigener Sache. Ausweislich des zugestellten Strafbefehls wurde gegen den 64-Jährigen eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen á 100 Euro, insgesamt 4.000 Euro, wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt verhängt.
Leere Worte von Ministerpräsidenten Seehofer?
Gampert könne sich noch gut an die Worte von Horst Seehofer (CSU) vor knapp zwei Jahren erinnern. Der bayerische Ministerpräsident hatte damals laut „Handelsblatt“ auf seiner Rede zur Eröffnung der Allgäuer Festwoche in Kempten am 12. August 2017 gesagt:
Ich habe immer darauf hingewiesen, dass für uns in Bayern an erster Stelle die Humanität steht … Da hatten und haben sie auch immer die Unterstützung der bayerischen Staatsregierung.“
Doch Seehofer ist nicht mehr Ministerpräsident. Da fragt sich Gampert schon: „Wie verlässlich sind die Aussagen eines bayerischen Ministerpräsidenten?“
Dass Pfarrer abgelehnten Asylbewerbern Unterschlupf bieten, sei nicht neu. Bereits im Jahr 2015 hatte die Kirchgemeinde drei Personen Kirchenasyl gewährt. Bislang seien alle Verfahren gegen Kirchenasyl-Verantwortliche stets eingestellt worden, heißt es im „Sonntagsblatt“. Susanne Henninger, Ansprechpartnerin für Kirchenasyl in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) sagte, es sei „bedauerlich, dass das Eintreten für Geflüchtete, das für uns Ausdruck von Humanität ist, bestraft wird“, auch wenn in der Vergangenheit die Staatsanwaltschaften immer betont hätten, dass man im Wiederholungsfall nicht darauf hoffen könne, dass sie weiterhin straffrei bliebe.
Axel Piper, evangelischer Regionalbischof in Augsburg, kann den Strafbefehl nicht nachvollziehen. Er sagte:
Wenn ein Pfarrer das aus Gewissensgründen macht, geht es vor allem darum, Zeit zu gewinnen, um Härtefälle noch einmal zu überprüfen und im Zweifel alle Rechtsmittel ausschöpfen zu können.“
Pfarrer kündigt Einspruch an
Dass er für seine Hilfeleistung bestraft werden soll, kann auch Pfarrer Gampert nicht verstehen. Sein Gewissen sei vor allem von zwei Werten geprägt worden: „meinem christlichen Glauben und unserer demokratischen Grundordnung“. Die Situation, in der er sich nun befinde, „irritiert mich schon, weil das die Werte infrage stellt“.
Laut „all-in.de“ habe Gampert nun einen Anwalt beauftragt Einspruch gegen den Strafbefehl einzulegen. Die Kosten wolle die ELKB übernehmen. Sie begrüße ein Gerichtsverfahren. Hier könnte sodann grundsätzlich die Frage geklärt werden, „ob der Pfarrer mit der Gewährung des Kirchenasyls tatsächlich eine strafbare Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt geleistet hat“.
Auch Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, hat seine Solidarität gegenüber Pfarrer Ulrich Gampert bekundet. Auf Facebook schrieb er:
Schweigemarsch der Geistlichen
Am heutigen Dienstagmittag treffen sich rund 100 Pfarrer und Kirchenvertreter verschiedener Konfessionen, um ein bayernweites Zeichen für das Kirchenasyl zu setzen. Mit einem Schweigemarsch durch die Kemptener Innenstadt wollen sie ihre Solidarität mit dem Pfarrer bekunden. Das evangelische Dekanat Kempten teilte mit:
Wir betrachten es als ein legitimes und legales Instrument, um als Institution Kirche unseren demokratischen Rechtsstaat zu bitten, eine Entscheidung noch einmal zu prüfen“.
Im Umgang der Behörden mit dem Kirchenasyl sei eine neue juristische Dimension angebrochen, sagte Oberkirchenrat Michael Martin, der in der bayerischen Landeskirche für Asylfragen zuständig ist.
Und was passiert mit dem Mann, um den sich der ganze Streit eigentlich dreht?
Der 22-jährigen Jafari wird ab 1. August eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann in einem Möbelgeschäft beginnen. Laut „Sonntagsblatt“ verbleiben ihm aufgrund des Aufschiebestopps nun sechs Monate, um seine deutsche Freundin zu heiraten. Denn das sei der einzige Weg, dauerhaft in Deutschland zu leben. (sua)
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