Räumung im Hambacher Forst beginnt – Massives Polizeiaufgebot
Im Braunkohlerevier Hambacher Forst wollen die Behörden am (heutigen) Donnerstag die symbolträchtigen Baumhäuser der Umweltaktivisten räumen. Für die Polizei hat einer der größten Einsätze in der jüngeren NRW-Geschichte begonnen.
Wasserwerfer und schweres Räumgerät sind im Einsatz. Mitarbeiter der zuständigen Stadt Kerpen informierten die Baumbesetzer per Lautsprecher über den Räumungsbeschluss und forderten sie auf, die Baumhäuser innerhalb von 30 Minuten zu verlassen. „Wenn sie dann nicht freiwillig runterkommen, dann werden wir mit Hilfe der Polizei die Baumhäuser räumen“, sagte ein Stadtsprecher. Die Waldbesetzer kündigen gewaltlosen Widerstand an.
Das Waldgebiet zwischen Köln und Aachen ist ein Symbol des Widerstands gegen die Braunkohle geworden. Der Energiekonzern RWE will im Herbst mehr als die Hälfte des noch verbliebenen Waldstücks roden, um weiter Braunkohle baggern zu können. Dagegen gibt es seit Langem Proteste. Aktivisten haben in großer Höhe rund 50 bis 60 Baumhäuser errichtet und halten den Wald damit besetzt.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur standen für die Räumung der Baumhütten sogenannte Höheninterventionsteams bereit, die für derartige Einsätze ausgebildet sind. Aus dem gesamten Bundesgebiet wurden Einsatzkräfte zur Verstärkung in den Hambacher Forst geholt. Eine konkrete Zahl der Einsatzkräfte nennt die Polizei zunächst nicht.
Zahlreiche Umwelt- und Klimaschützer saßen vor der geplanten Räumung ihrer Baumhäuser zusammen und berieten über das weitere Vorgehen. In den sozialen Netzwerken riefen sie dazu auf, den Protest im Hambacher Forst zu verstärken. „Für viele ist das ihr Zuhause. Es gibt Menschen, die hier seit sechs Jahren wohnen“, sagte Baumbesitzer Freddy.
Bei der nun geplanten Räumung geht es juristisch gesehen gar nicht um RWE und die Braunkohle. Vielmehr argumentiert das NRW-Bauministerium unter anderem mit dem fehlenden Brandschutz in den Baumhäusern. Nach einem Vor-Ort-Termin sei das Ministerium zu der Überzeugung gelangt, dass die Hütten etwa über Rettungstreppen und Geländer verfügen müssten. Außerdem fehlten Rettungswege für Feuerwehr und Krankenwagen. Deshalb ergäben sich „konkrete Gefahren“ für die Bewohner und die Baumhäuser seien ohne zeitlichen Aufschub zu räumen.
Umsetzen müssen das die Bauämter der Stadt Kerpen und des Kreises Düren, auf deren Gebiet der Hambacher Forst liegt. Sie haben bei der Aachener Polizei dafür um Vollzugshilfe gebeten.
Der Forst gilt als Symbol des Kampfes um Klimaschutz und des Widerstands gegen die Kohle. In ihm stehen Jahrhunderte alten Buchen und Eichen. Zudem gibt es Vorkommen geschützter Arten wie der Bechsteinfledermaus. Mehrere Organisationen wollen seine Rodung unter anderem aus diesen Gründen verhindern. Aus Sicht von RWE ist die Abholzung unvermeidbar, um die Stromproduktion in den Braunkohlekraftwerken zu sichern. Frühestens im Oktober darf der Konzern mit der Rodung beginnen.
Immer wieder hat die Polizei von Angriffen auf Polizisten an dem Waldstück berichtet. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) warnte, dass man es mit „extrem gewaltbereiten Linksextremen“ zu tun habe, die aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland anreisten. Der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach hatte unlängst eine Gewalteskalation innerhalb kürzester Zeit befürchtet. Einsätze seien nur noch unter Körperschutz und mit massiven Kräften verantwortlich.
Der Streit um den Hambacher Forst könnte auch die Arbeit der sogenannten Kohlekommission stören, obwohl das Thema dort offiziell nicht auf der Tagesordnung steht. Wirtschaft, Klimaschützer, Politik und Betroffene sollen bis Ende des Jahres gemeinsam einen Weg aus der Kohlestrom-Produktion vereinbaren. Die beteiligten Umweltverbände fordern einen Aufschub der Rodung mindestens für die Zeit, in der die Kohlekommission noch tagt – ihrer Ansicht nach könnte der Wald vielleicht stehenbleiben, wenn ältere Kraftwerke abgeschaltet werden.
Die Umweltverbände in der Kommission haben symbolische Baumpatenschaften im Hambacher Forst übernommen. Denkbar ist, dass ein oder mehr Umwelt-Vertreter die Kommission verlassen, wenn RWE rodet. Ein breiter gesellschaftlicher Konsens wäre dann gefährdet. (dpa)
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