„Quick Freeze“ auf richterliche Anordnung – Buschmann legt Entwurf vor

Für die FDP ist die massenhafte Speicherung von Daten bei Telekommunikationsanbietern ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Grundrechte. Harte Verhandlungen zeichnen sich ab.
Bundesjustizminister Marco Buschmann äußert sich zu den Lecks an den Nord-Stream-Pipelines.
Bundesjustizminister Marco Buschmann. Symbolbild.Foto: Wolfgang Kumm/dpa
Epoch Times25. Oktober 2022

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat einen Vorschlag für ein auf konkrete Verdachtsfälle beschränktes Verfahren zur Sicherung von Telekommunikationsdaten vorgelegt. Der Entwurf zur Einführung von „Quick Freeze“ wurde am Dienstag zur Abstimmung an die anderen Ressorts der Bundesregierung verschickt. Das von Buschmann vorgeschlagene Verfahren soll eine Alternative zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung sein. Künftig sollen Telekommunikationsdaten beim Verdacht einer Straftat eingefroren werden können – und bei Bedarf dann für die Ermittler „aufgetaut“ werden.

Hintergrund ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs am 20. September. Demnach sei die in Deutschland bislang geltende Regelung zur anlasslosen Speicherung von Telekommunikationsdaten nicht mit EU-Recht vereinbart. Wegen des anhängigen Rechtsstreits wurde die Methode aber schon länger nicht mehr angewandt.

Wie sieht Buschmanns Alternativ-Vorschlag aus?

Der Justizminister schlägt ein zweistufiges Verfahren vor, für die eine richterliche Anordnung erforderlich ist. In einem ersten Schritt können die Telekommunikationsanbieter dazu verpflichtet werden, Daten zu speichern, wenn der Verdacht einer schweren Straftat besteht. Geschieht etwa ein mutmaßlicher Mord, können auf diese Weise alle Daten von Menschen gesichert werden, die sich zur fraglichen Zeit in der Nähe aufhielten. Der Verdacht muss sich dabei nicht gegen einen bestimmten Menschen richten.

Stellt sich im Laufe der Ermittlungen heraus, dass die gesicherten Daten für das Verfahren tatsächlich gebraucht werden, können die Daten an die ermittelnden Behörden übermittelt werden.

„Eingefroren“ und gegebenenfalls weitergeleitet werden dürfen Verkehrsdaten, aber keine Inhalte – etwa aus Telefonaten oder Chats. Zu den Verkehrsdaten gehören Telefonnummern, Beginn und Ende eines Telefonats, der Standort eines mobilen Endgeräts und die IP-Adresse, die dem fraglichen Telekommunikationsanschluss zugeordnet war.

Bei welchen Straftaten kommt das Verfahren infrage?

In Buschmanns Referentenentwurf ist von „erheblichen Straftaten“ die Rede. Dazu zählen Raub, Erpressung, Bestechung, Bandendiebstahl, bestimmte Formen der Geldwäsche, Mord und Totschlag, sexueller Kindesmissbrauch sowie Verbreitung, Erwerb und Besitz von Kinderpornografie.

Kontroverse Debatten

Der Europäische Gerichtshof hat zwar die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung beanstandet. In einem Bereich hält er die Methode aber für zulässig – und zwar bei den IP-Adressen. Buschmann will diese Möglichkeit in seinem neuen Gesetz aber nicht ausschöpfen – anders als es Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verlangt.

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Konstantin Kuhle sagte am Dienstag: „Eine anlasslose Speicherung der Verbindungsdaten von Millionen Bürgerinnen und Bürgern ist mit den Grundrechten nicht vereinbar.“ Durch das wiederholte Scheitern der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung fehlten den Ermittlern derzeit wichtige Befugnisse. Deshalb sei „ein zügiges Gesetzgebungsverfahren für den Quick-Freeze-Ansatz“ für das Schließen dieser Sicherheitslücke wichtig.

Es werden noch kontroverse Debatten im weiteren Gesetzgebungsverfahren der Ampel-Koalition erwartet.

Wie lange heben die Telekommunikationsanbieter die Daten normalerweise auf?

Weil die Verkehrsdaten nur aufgrund richterlicher Anordnung gesichert werden dürfen, kann es passieren, dass sie bei den Telekommunikationsunternehmen gar nicht mehr vorliegen, wenn die Anordnung kommt. Denn die Provider speichern die Daten zumeist nur für einige Tage, insbesondere für Abrechnungszwecke – die Telekom macht es etwa für sieben Tage. Deswegen sieht Buschmanns Entwurf vor, dass die Ermittlungsbehörden frühzeitig die Daten sichern lassen können. (afp/dpa/dl)



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