„Querdenken“ wird extremistisch? RA Hannig entlarvt Provokateure – Störer unterwanderten Demonstration
Nach der Demonstration in Leipzig am 7. November 2020 gibt es viele Reaktionen aus der Politik. Regierungssprecher Steffen Seibert spricht von „Extremisten, Chaoten, gewaltbereite Menschen“, die durch Leipzig zogen. Und weiter: „Das ist in dieser äußerst kritischen Phase der Pandemie, in der wir als Land alle zusammenstecken, ein fatales Signal.“
Rechtsanwalt Frank Hannig, der den Tag in Leipzig als Rechtspate begleitete, sieht die Lage anders. Er weist in seinem neuen Video nach, wie Störer die friedliche Demonstration der „Querdenker“ unterwanderten.
Rechtsanwalt Frank Hannig entlarvt Provokateure vom 07.11.20 in Leipzig
Die Auflösung der „Querdenken“-Demo war rechtmäßig (Verstöße Maskenpflicht), so Hannig. Da allerdings viele andere Demonstrationen um die „Querdenken“-Demo herum angemeldet waren, und zwischen ihnen noch die Polizei für eine Trennung sorgte, wuchs der Druck auf den Augustusplatz. Die „Querdenker“ konnten nicht ausweichen – und schließlich ließ die Polizei Menschen durch.
In diese Lücke stießen dann Provokateure vor: „Saugut organisiert“. Hannig:
Die Frage ist nicht rechts oder links, sondern bürgerlich oder nicht. Fakt ist, dass es eine Provokation war.“
In der gleichen „Art und Weise wurden zu Ende der DDR junge Wehrdienstleistende eingesetzt“, so Hannig. Er war selbst 1989 unter diesen und „wir wurden angewiesen, zu pöbeln“, – zivil gekleidet, nicht in Uniform.
Dann zog Polizei auf, einer der Beamten sagte Hannig:
Bisher gab es aus der friedlichen Demo heraus keine einzige Straftat oder ähnliches … Alles, was jetzt noch kommt, hat nichts, aber auch gar nichts mit Querdenken zu tun.“
Von 13 bis 21 Uhr gab es keine einzige Zuführung von „Querdenken“-Leuten zum Amtsgericht, berichtet der Rechtsanwalt.
Es gab nur diese eine schwere Provokation: „Aus dem Nichts tauchte eine schwarz vermummte Gruppe von 50 Leuten auf.“ Diese hätten plötzlich Reichskriegssymbole ausgepackt, zogen sich um und hatten zuvor noch „Alerta Alerta“ gerufen. „Alerta alerta antifascista“ ist ein oft verwendeter Ruf von Antifa-Aktivisten auf deren Demonstrationen.
Später, gegen 21:30 Uhr sagte ein Einsatzleiter der Polizei noch zu ihm: „Die Linken zünden jetzt Connewitz an“ – und es sei jetzt besser, wenn er den Ort, an dem er sich aufhielt (in der Nähe des Gerichts), aus Sicherheitsgründen verließe.
Bundesregierung: „Extremisten, Chaoten, gewaltbereite Menschen“
„Extremisten, Chaoten, gewaltbereite Menschen“ haben sich ihren Weg durch Leipzig bereitet, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. „Das ist in dieser äußerst kritischen Phase der Pandemie, in der wir als Land alle zusammenstecken, ein fatales Signal.“
Und weiter: „Auch wenn es wahrscheinlich nicht bei jedem verfängt, möchte man eigentlich allen Teilnehmern einer solchen Demonstration zurufen: Hört auf die überwiegende Mehrheit der Wissenschaft! Dieses Virus kann für jeden, Corona-Skeptiker oder nicht, gefährlich und auch lebensgefährlich sein.“
„Gewalttätige Auseinandersetzungen und der Missbrauch des Demonstrationsrechts sind nicht zulässig.“ Für „extremistisches Gedankengut oder für Verschwörungsmythen“ gebe es keinen Platz. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums fügte hinzu, die freie Presse sei ein Grundpfeiler der Demokratie. „Wer Journalisten angreift, in der Absicht, sie von ihrer Arbeit abzuhalten oder einzuschüchtern, der vergeht sich an unserer Verfassung.“
Grüne fordern Aufklärung im Bundestag
Die Vorkommnisse bei der „Querdenken“-Demonstration am Wochenende in Leipzig sollen im Bundestag ein Nachspiel haben, fordert der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz. Das Verhalten der Demonstranten und die Reaktion der Polizei sollten auch auf Bundesebene „dringend aufgeklärt werden“.
Daher haben wir am Sonntag beantragt, dass die Bundesregierung in den zuständigen Gremien des Bundestages hierüber berichtet.“
Die Grünen wollen unter anderem wissen, warum die aufgelöste Demonstration noch durch die Innenstadt ziehen durfte und welche extremistischen und gewaltbereiten Gruppen an den Protesten beteiligt waren.
„Ein Bundesinnenminister, der vorgibt, sich nach den Ereignissen von Leipzig ‚vor‘ die Polizei zu stellen, versteckt sich ‚hinter‘ der Polizei“, sagte von Notz. Dabei kritisiere niemand die Beamtinnen und Beamten, „sondern das offenkundig unzureichende Einsatzkonzept und die politisch hierfür Verantwortlichen.“
Thüringer Verfassungsschutzpräsident: „Querdenken“-Bewegung wird extremistisch
Der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz in Thüringen, Stephan Kramer, hält die „Querdenken“-Bewegung inzwischen selbst für extremistisch und hat deshalb nach der Demonstration in Leipzig einen härteren Umgang mit ihr gefordert.
„Bisher sind wir davon ausgegangen, dass diese Bewegung eine kunterbunte Melange mit teilweise rechtsextremistischen Zügen ist“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Doch wenn man sich die Entwicklung der Demonstrationen in München, Stuttgart, Berlin und Leipzig anschaue, dann werde immer deutlicher, „dass sie nicht nur von Rechtsextremisten gekapert werden, sondern dass `Querdenken` selbst extremistisch wird“.
Ein „Signal für Staatsversagen und eine Katastrophe“
Deshalb werde man sich Gedanken darüber machen müssen, wie man künftig damit umgehe. Kramer bezog sich unter anderem auf eine Teilnehmerin einer Demonstration in Leipzig, die sich mit einem Plakat zeigte, auf dem „Ich bin Covidjud“ stand, versehen mit einem Davidstern. „Das ist Antisemitismus, Volksverhetzung und Herabwürdigung der Opfer des Nationalsozialismus“, sagte er. „Und so etwas setzt sich bei diesen Demonstrationen immer mehr durch.“
Damit einher gehe die wachsende Bedeutung der verschwörungstheoretischen Bewegung QAnon: „Hier gibt es klare Anzeichen von Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung.“
Mit Blick auf die Demonstration in Leipzig und deren Ende sagte er: „Das war eine Klatsche mit Ansage.“ Dabei habe sich das Oberverwaltungsgericht Bautzen „nicht mit Ruhm bekleckert“, als es die Demonstration in der Innenstadt genehmigte. „Denn es war von vornherein klar, dass die Auflagen nicht eingehalten werden. Das hätten auch die Richter wissen müssen.
So macht man es der Polizei unmöglich, die Auflagen durchzusetzen.“ Ihr allein die Schuld zuzuschieben, sei „nicht fair“. Die Ereignisse in Leipzig sendeten nun „zum wiederholten Mal das Signal an die Extremisten aus: Wir brauchen den Staat nur herauszufordern, er kann sich nicht durchsetzen“, warnte Kramer. „Das ist ein Signal für Staatsversagen und eine Katastrophe.“ (dts/ks)
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