„Putin ist skrupellos, aber durchaus rational und berechenbar“
Es sei nicht überraschend gewesen, was sich in der Ukraine abspielt, es habe sich in den letzten Monaten bereits angebahnt und auch, dass der russische Präsident Wladimir Putin der Chinesen wegen die Olympischen Spiele abgewartet hatte, sei „absehbar“ gewesen. Diese Ansicht teilte der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, in einem Videointerview mit dem Journalisten Boris Reitschuster mit.
Maaßen geht davon aus, dass es Putins Plan ist, die Ukraine in den russischen Hegemonialbereich zurückzuholen. Er verweist dazu auf eine Putin-Rede vom 24. Februar, in der der russische Präsident von „unserem Land“ und dem „Land unserer Vorväter“ gesprochen habe. Laut Maaßen sei der Kreml abgeschottet und Putin treffe seine Entscheidungen nur aus seiner Perspektive heraus. Das müsse sich der Westen klarmachen.
Dabei hält Maaßen den russischen Präsidenten und ehemaligen Chef des Inlandgeheimdienstes FSB (bis 1991 KGB) keineswegs für wahnsinnig, sondern nehme ihn als jemanden wahr, der „skrupellos ist, aber durchaus rational ist und berechenbar ist“. Maaßen sagte auch, Putin wisse sehr wohl, was er wolle und verfolge klare Ziele – und er gehe über Leichen, um seine Ziele zu verfolgen, so der CDU-Politiker, der an einige Fälle der letzten Jahre erinnerte: der tödlich verlaufene Polonium-Mord an Litwinenko und die beiden beinahe tödlich verlaufenen Fälle Skripal und Nawalny, bei denen das russische Militär-Nervengift „Nowitschok“ zum Einsatz kam.
Atomwaffeneinsatz möglich?
Zu Gerüchten einer medikamentösen oder krankheitsbedingten Beeinflussung von Putin sagte Maaßen, dass er aufgrund von aktuellen Bildern im Vergleich mit älteren Aufnahmen davon ausgehe, dass Putin unter Medikamenten stehe. „Inwieweit die Medikation und seine Grunderkrankung Einfluss haben auf seine Psyche, kann man letztendlich nur mutmaßen und spekulieren.“
Nach Ansicht von Hans-Georg Maaßen müsse man Putins Atomwaffen-Drohung durchaus ernst nehmen und er habe keine ethischen Bedenken, diese Karte zu spielen, wenn es zu einer konventionellen bewaffneten Auseinandersetzung mit dem Westen kommen sollte.
So alt wie der KGB: die „Nazi“-Keule
Maaßen ging auch auf den „Nazi“-Vorwurf Putins gegen die Ukraine ein und erklärte, worauf diese Sprachweise, die man vom sowjetischen Geheimdienst KGB (Komitee für Staatssicherheit) her gekannt habe, beruht: „Alle, die im Grunde genommen nicht auf der Seite der Kommunisten standen, waren Nazis, Faschisten und so weiter, die ausgerottet und bekämpft wurden, also vernichtet wurden.“
Laut Maaßen sei in Deutschland heute die Propaganda des Kremls „durchaus einflussreich“. Das habe zum einen historische Gründe „aufgrund der engen Vernetzung der politischen Linken mit der Sowjetunion, mit der kommunistischen Partei der Sowjetunion – und bis heute eben mit Russland“, so Maaßen. Man könne laut dem ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten durchaus ein Grundverständnis für die politischen Ziele Russlands haben, etwa dass das Land eine neutrale Pufferzone in seiner Nachbarschaft haben möchte. Man könne aber kein Verständnis dafür haben, dass diese Ziele mit Gewalt durchgesetzt würden.
Achtung Geheimdienst
Es gebe nicht nur offene Propaganda. Ein Beispiel dafür nannte Maaßen den russischen Staatssender für das Ausland, RT Deutsch. Es würden auch nachrichtendienstliche Methoden zur verdeckten Propaganda eingesetzt – und Maaßen erinnerte daran, dass das nicht nur bei den Russen so sei, sondern auch bei den Chinesen.
Man versuche getarnt in Erscheinung zu treten, beispielsweise in Form eines Sportverbandes oder anderem, um Personen anzusprechen, Personen zu Gastvorträgen einzuladen. Oder man öffne Karrierestartern Türen. Dabei sei das Ziel der Propaganda nicht die breite Masse, sondern der jeweilige Einflussträger. Man versuche beispielsweise Politiker zu gewinnen – oder deren Mitarbeiter, „die ihnen die Sprechzettel aufschreiben, die Mappen zusammenstellen, Gesprächstermine machen und die dafür sorgen, dass die ‚richtigen Wahrheiten‘ über Russland verbreitet werden.“
Wichtig seien besonders auch die Medien. Man versuche Menschen zu gewinnen, die „Verständnis haben, die die russische Sicht der Dinge erklären, kommunizieren und als die einzig richtige darstellen“. Den Journalisten rät Maaßen deshalb: Auch wenn man sich intensiv mit russischen Kollegen oder der russischen Botschaft auseinandersetze und diskutiere, müsse man sich klar sein, dass das Gegenüber möchte, dass eine bestimmte Sicht der Dinge transportiert werde.
Man müsse immer einen bestimmten Abstand haben, auch zum Objekt, über das man berichte. „Ich bin ein Verfechter einer offenen Berichterstattung und bin dagegen, dass man grundsätzlich sagt: ‚Cancel Culture – bestimmte Positionen werden nicht vertreten.’“, so Maaßen. Die Menschen hier hätten auch ein Recht darauf, zu erfahren, wie Putin die Lage sehe und warum er das mache.
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