Publizist Friedman: „Es ist der Hass auf die Menschen, auf ihre Vielfalt, auf ihre Einmaligkeit“

Noch immer befinden sich 124 Zivilisten, auch anderer Nationalitäten, in der Gewalt der Hamas. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. In Berlin wurde über drei Wochen lang mit Installationen, Musik, Meditationen, Reden appelliert: Bring them home, now. Am Dienstagabend gab es eine Abschlussveranstaltung, bei der Michel Friedman und Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner sprachen.
Titelbild
Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig vor Porträtfotos der von Hamas-Terroristen entführten Menschen.Foto: Epoch Times/Silke Ohlert
Von 6. Juni 2024

Drei Wochen lang besuchten zwischen 10.000 und 15.000 Menschen den Bebelplatz zwischen der Alten Bibliothek und der Staatsoper Unter den Linden, der für diese Zeit zum Platz der Hamas-Geiseln wurde.

Ins Auge fallen die leeren Stühle mit den Porträtfotos der Entführten. Verschleppt am 7. Oktober 2023 von den Terroristen der Hamas in ihre Tunnel im Gazastreifen.

Von den 240 entführten Zivilisten hält die Hamas noch 128 gefangen – dachte man bis zum vergangenen Wochenende, als das israelische Militär weitere vier Geiseln für tot erklärte.

Die Zeit läuft. Das macht eine große Sanduhr am Eingang deutlich. Zuletzt stand sie auf dem Times Square in New York als Symbol für die ablaufende Lebenszeit der Geiseln.

„Als sie in den Kibbuz eindrangen, wurde ich wach, aber meine Augen waren noch geschlossen. Auch die Welt hat noch ihre Augen geschlossen“, beginnt Alon Gat seine Rede über den erlebten Terror am 7. Oktober und die schmerzvollen Erlebnisse bis heute. Foto: Epoch Times/Silke Ohlert

Täglich von 10 bis 20 Uhr haben seit dem 16. Mai zahlreiche ehrenamtliche Helfer den Besuchern ermöglicht, an das Schicksal der Deportierten zu erinnern. Zahlreiche, auch namhafte Musiker unterstützen das Programm.

Wie in Tel Aviv. Dort wurde bereits zwei Wochen nach dem 7. Oktober der Platz der Geiseln vor dem Tel Aviv Museum of Art errichtet.

Extra aus Israel angereist

Am Dienstagabend, dem 4. Juni, nun in Berlin die Abschlussveranstaltung. Bis auf Weiteres. Denn Melody Sucharewicz betont, dass die Installationen in Berlin weiterhin zu sehen sein werden, wenn auch an anderem Ort. Sie ist, zusammen mit der Familie von Yarden Gat, Initiatorin des Platzes der Hamas Geiseln.

Yarden Gat zählt zu den Geiseln, die inzwischen frei sind. Nach 54 Tagen, an denen sie dem Missbrauch und der Gewalt der Terroristen ausgesetzt war. Man kann nur erahnen, was das bedeutet. Ihr Mann, Alon Gat, ist für diesen Abend extra aus Israel angereist. Seine Mutter wurde beim Überfall der Hamas auf Be’eri, einem israelischen Kibbuz in der Nähe des Gazastreifens, gefesselt und 50 Meter vor ihrem Haus an einer Straßenecke erschossen.

Er sah, wie viele Hamas-Terroristen und Zivilisten aus Gaza mordeten, vergewaltigten, brandschatzten. Noch ist seine Schwester Carmel Gat in Gefangenschaft. Seit acht Monaten. Von bereits befreiten Geiseln weiß er, dass sie ihren Mitgefangenen lehrt, Achtsamkeit zu üben und zu meditieren. Ein Weg, um den Albtraum zu überleben.

Alon Gat war zum Zeitpunkt des Überfalls der Hamas mit seiner Familie zu Besuch bei seinen Eltern in dem Kibbuz, einem Ort, an dem er sich sicher fühlte. In seiner Rede am Platz der Geiseln in Berlin fragt er mit ruhiger Stimme: „Stellen Sie sich vor, das passiert ihnen, wenn sie im Umland von Berlin ihre Angehörigen besuchen.“

So ein T-Shirt trug die Tochter von Dolev Jehud täglich, in der Hoffnung, ihr Vater käme wieder heim, erläutert Melody Sucharewicz. Foto: Epoch Times/Silke Ohlert

Ein antisemitisches, antiwestliches Monster

Melody Sucharewicz erinnert in ihrer Rede daran, dass hier auf dem Bebelplatz vor wenigen Wochen radikalisierte Studenten antisemitische Parolen skandierten und die Verbrechen der Hamas bejubelten.

Für Sucharewicz wurde hier in Berlin mit dem Platz der Geiseln ein „starkes Zeichen gegen die Hasser, gegen die Extremisten“ gesetzt. Und sie fährt fort: „Trotzdem wagten sie es hier am Platz freiwillige Helfer zu bedrohen, zu bespucken, sie als Drecksjuden zu beschimpfen und rote Hamasdreiecke auf die Gesichter [Porträtfotos] der Geiseln zu schmieren. Genauso wie sie es wagten, am 7.10. die Gräueltaten der Hamas auf den Straßen Berlins mit Baklava zu feiern.“

Es sei ein antisemitisches, antiwestliches Monster gefüttert worden, konstatiert Melody Sucharewicz.

Noch vor drei Wochen war der Vater von Dolev Jehud bei der Eröffnung am Bebelplatz dabei. Damals noch in dem Glauben, sein Sohn lebe noch. Diese Hoffnung zerschlug sich, als bekannt wurde, dass er schon am 7. Oktober getötet wurde. Eine enge Freundin der Familie skizziert in ihrer Rede den 35-Jährigen als einen Menschen voller Empathie und Geduld. Der Deutsch-Israeli lebte in dritter Generation im Kibbuz Nir Os, seine Großeltern hatten diesen mit gegründet.

Dolev Jehud arbeitete als Sanitäter, um Leben zu retten, jedes menschliche Leben, unabhängig ihres Hintergrundes, oft auch arabische Menschen, die im Gazastreifen arbeiten und von Steinbrocken der Hamas verletzt worden waren, beschreibt die Rednerin. An diesem Samstag im Oktober war er unterwegs, um medizinische Hilfe für Verletzte zu bringen. Er hinterlässt eine Frau und vier Kinder, darunter ein Mädchen, geboren neun Tage nach seiner Ermordung.

„Die Verantwortung der Gräueltaten tragen die Terroristen der Hamas“

Für Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner ist klar: „Wer sich verbarrikadiert, will keinen Dialog, sondern Hass versprühen.“ Foto: Epoch Times/Silke Ohlert

„Wir reden nicht über ein paar Zahlen […], sondern über Menschen, die seit acht Monaten in Geiselhaft sind, die tagtäglich gefoltert und gequält werden“, so Kai Wegner, Regierender Bürgermeister von Berlin.

Wegner weist auf Palästinenser hin, von denen nicht wenige in Berlin leben, die auch Sorge um ihre flüchtenden Familien haben, die alles verlieren. „Die Verantwortlichen dafür sind die Terroristen der Hamas, die Leid über Israel und den Gazastreifen gebracht haben“, fasst Wegner unter Applaus zusammen.

Die von der Hamas geführten Gesundheitsbehörden im Gazastreifen behaupten, dass dort seit Beginn des Krieges mehr als 36.000 Menschen getötet wurden. Bei dieser Zahl wird nicht zwischen Zivilisten und Terroristen unterschieden.

„Ein Land, auch Israel, hat ein Recht sich zu verteidigen, […] und auch eine Pflicht ihre Bürger aus der Geiselhaft zu bekommen.“ Bei einem Besuch in Tel Aviv hätten ihn Gespräche mit den Angehörigen der Geiseln zutiefst beeindruckt. Mit wie viel Mut, Hoffnung und Zuversicht die Menschen sprachen.

Als Bürgermeister wolle er dafür einstehen, dass jüdische Studierende in Berlin keine Angst haben müssten, die Hörsäle zu betreten. Es gehe darum, niemanden auszuschließen, auch nicht die Palästinenser, doch in dem Moment in dem Antisemitismus oder Israelfeindlichkeit propagiert werde, wie kürzlich auf einem Berliner Palästina-Kongress, „werde der Stecker gezogen“.

Jedes einzelne Leben zählt

Michel Friedman (l.) neben Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner und Alon Gat aus Israel (2. v. r.) und Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig. Foto: Epoch Times/Silke Ohlert

„Judenhass, der Menschenhass ist“, sagt Michel Friedman, deutsch-französischer Publizist, zu Beginn seiner Rede.

„Ich bin Mensch. Ich bin ein Mensch, der auch jüdisch ist. Glaube doch keiner, wenn ein Mensch angegriffen wird (der jüdisch ist), dass die Menschen, die nicht jüdisch sind, von dieser Gewalt nicht betroffen sind. Wenn Juden in diesem Land leben können, dann brauchen andere auch keine Angst zu haben. Wenn Juden in diesem Land nicht mehr leben werden können, dann werden alle anderen die hier leben, dasselbe erleben wie jüdische Menschen auch.“

Für ihn ist es der Hass auf die Menschen, auf ihre Vielfalt, auf ihre Einmaligkeit, „und nicht weil wir Jüdinnen oder Juden sind“.

„Wir trauern um jeden Menschen, der in diesem Konflikt tot ist. Das bezieht natürlich auch Menschen, die Palästinenser sind, ein“, sagt Friedman unter großem Applaus.

„Die Hamas ist nicht, wie übrigens überwiegend von deutschen Studenten gebrüllt wird, eine Freiheitsbewegung, sondern eine mörderische Terrororganisation.“ Und der Schlachtruf der Hamas und des Iran laute Tod den Juden, nicht den Israelis.

Man könne gegen die Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu sein, auch nicht wenige Israelis seien dagegen und protestierten auch während des Krieges dagegen. Doch würde Friedman „gerne mal in Ägypten, Saudi-Arabien oder der Westbank jemanden sehen, der gegen sein eigenes Regime protestiert.“

Befreiung fände nicht durch Islamismus statt, sondern durch Demokratie. Und Israel sei eine Demokratie, die jeden einzelnen Menschen betrauere. Wenn Menschenrechte von der einen oder anderen politischen Seite nicht respektiert würden, gebe es Bürger, die darauf hinweisen.

Sucharewicz weiß, wie inspirierend Musik sein und wie viel Hoffnung sie geben kann. Und so sind es an dieser Veranstaltung neben den Rednern auch die Vielzahl der Musiker, die für eine Stimmung der Zuversicht und nicht des Hasses sorgen.

Der Bebelplatz, an dem der Platz der Geiseln aufgebaut war, ist auch Ort des Gedenkens an die Bücherverbrennung im Mai 1933 durch die Nationalsozialisten. Eine Installation präsentiert zwanzig Bücher, die einen von der Hamas entzündeten Brand im Kibbuz überstanden. Sie stammen aus Carmel Gats Haus, von dem sie entführt wurde. Foto: Epoch Times/Silke Ohlert

Zum Abschluss des Abends bittet Melody Sucharewicz alle freiwilligen Helfer, die den Platz der Hamas-Geiseln ermöglichten, auf die Bühne. Foto: Epoch Times/Silke Ohlert

Die Besucher sind eingeladen, Fotos von dieser Installation eines Hamas-Tunnels zu machen und sie in den sozialen Medien zu teilen. Ein Licht am Ende des Tunnels ist zu sehen. Foto: Epoch Times/Silke Ohlert



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